Mit Contras und Kardinal

Die Wahlen in Nicaragua von wolf-dieter vogel

Die Mörder haben gewonnen. Mit 38 Prozent der Stimmen konnte der Kandidat der Sandinistischen Befreiungsbewegung (FSLN), Da­niel Ortega, bei den nicaraguanischen Präsidentschaftswahlen den Sieg für sich verbuchen. Zum Vizepräsidenten wurde der ehemalige Bankier Jaime Morales Carazo gewählt. Carazo ist vielen Nicaraguanern noch als führende Figur der Contra-Banden bekannt, jenen von der US-Regierung finanzierten Söldnertruppen, die in den achtziger Jahren die sandinistische Revolution durch Terror destabilisierten und für den Tod von 30 000 Menschen verantwortlich waren. Im Rahmen seiner Politik der »Versöhnung« hatte Ortega ihn sich als Kandidaten an seine Seite geholt.

Freuen kann sich nun auch der rechtskonservative Kardinal Miguel Obando y Bravo, einst ein erbitterter Gegner der linken FSLN-Regierung. Auch mit ihm hatte der Frontmann des sandinistischen »Frente« seinen Frieden geschlossen. Gemeinsam mit Ortegas Gattin Rosario Murillo zelebrierte man die Liebe zu Gott und den Hass auf Frauenrechte und gesellschaftliche Emanzipation. »Ja zu Gott, Nein zur Abtreibung«, hatte die Wahlhelferin verkündet. Wenige Tage vor der Wahl vom 5. November stimmte die gesamte FSLN-Fraktion im Parlament für die Abschaffung des Rechts auf »therapeutische Abtreibung«. Frauen, für die eine Schwangerschaft aus medizinischen Gründen den Tod bedeuten kann, dürfen nun nicht mehr abtreiben.

Manichäischen Weltbildern verhaftete Linke können sich über den Wahlsieg Ortegas freuen. Wer auch immer dem Gringo den Stinkefinger zeigt, sei er klerikalfaschistisch, nationalistisch oder einfach populistisch, und obendrein noch zu den Busenfreunden von Venezuelas Staatschef Hugo Chávez zählt, kann sich in diesen Kreisen großer Beliebtheit erfreuen. Dass der FSLN den mit verheerenden Auswirkungen verbundenen Freihandelsvertrag tatkräftig unterstützt hat, ist da zweitrangig.

Wichtig ist jedoch die Frage, warum Ortega auf so große Zustimmung stößt, obwohl viele angesichts der postulierten Feindschaft zur US-Regierung das Comeback alter Kriegszeiten befürchteten. Sandinisten, denen es ernst ist mit einer Aufarbeitung alter Fehler, haben die Partei verlassen. Mit der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS) sind sie zu den Wahlen angetreten, sind aber mit rund fünf Prozent kläglich gescheitert. Verantwortlich dafür war wohl kaum ihre zu vorsichtige Kritik am Kapitalismus, die sie ohnehin mit dem Frente teilen. Der MRS ist vor allem durch seine Ablehnung der autoritären Strukturen des FSLN sowie der Führerfigur Ortega aufgefallen. Eine besondere Rolle spielte die Frauenbewegung, die sich mit dem MRS gegen den zunehmenden Einfluss der Kirche und für das Recht auf Abtreibung stark machte.

Dieser Politik hat die Bevölkerung eine eindeutige Abfuhr gegeben. Gebeutelt von den Konsequenzen der wirtschaftspolitischen Öffnung, mit der liberale Regierungen in den vergangenen 16 Jahren das Land ruiniert haben, glauben viele wieder an den Konservativismus und die Tradition. Mit 29 Prozent wurde die bisher regierende konservative ALN die zweitstärkste Kraft, und mit dem FSLN gewann eine Partei, die sich am publikumswirksamsten dem Klerus verschrieb. Beide Parteien setzten sich für das Abtreibungsverbot ein. Ortega kann sich nun an der Politik seines iranischen Kollegen Mahmoud Ahmadinejad orientieren. Ein Anfang ist bereits gemacht: Wenige Tage nach der Kriminalisierung des therapeutischen Schwangerschaftsabbruchs starb die 18jährige Yasmina Bojorge in einem Krankenhaus. Die Ärzte hatten den Eingriff verweigert, obwohl der Fötus tot im Bauch der Mutter lag.