Zuhause wartet nur der Krieg

Auch wenn die Innenministerkonferenz ein Bleiberecht beschließt, werden Flüchtlinge aus bestimmten Ländern davon ausgenommen bleiben. Zum Beispiel Flüchtlinge aus dem Irak. von thomas uwer

Deutsche Behörden haben eine Schwäche für Euphemismen. Je glanzvoller der Titel, desto schäbiger die Institution, die sich dahinter verbirgt: Arbeitsämter heißen »Job-Center«, Abschiebehaftanstalten heißen »Ausreisezentren«, und für die von ihm vorgeschlagenen Lager, mit denen afrikanische Flüchtlinge an Ort und Stelle »aufgefangen« werden sollten, wählte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily den Begriff »Begrüßungszentrum«. Dass die Fluchtabwehr unter den Verwaltungsakten ein besonders schäbiger ist, davon zeugt nicht zuletzt die von der Wirklichkeit gesäuberte Sprache.

»Coming Home« und »Heimatgarten« heißen zwei der Einrichtungen, die sich mit der »Rückkehrberatung« von Flüchtlingen befassen. Ihre Kundschaft besteht aus Menschen aus solchen Ländern, in denen der einstige Verfolgerstaat aufgrund von Kriegen oder Bürgerkriegen verschwunden ist. Zu diesen Menschen gehören Bosnier, Kosovo-Albaner, Afghanen und inzwischen auch Iraker.

Etwa 80 000 Iraker leben in Deutschland, die meisten von ihnen kamen einst als Flüchtlinge. Bereits als die damalige Bundesregierung den militärischen Sturz der Diktatur noch heftig verurteilte, machten sich die Innenbehörden daran, den Krieg der anderen für sich nutzen. Denn mit Saddam Hussein wurde auch jenes Regime gestürzt, vor dessen Verfolgungsorganen das Asylrecht die in Deutschland lebenden Iraker schützen sollte.

Seit zwei Jahren versendet das Bundesamt für Migration so genannte Widerrufsbescheide an irakische Flüchtlinge. Der Inhalt ist im Wesentlichen immer der gleiche: Mit dem Ba’ath-Regime sei der ursprüngliche Fluchtgrund abhanden gekommen und infolgedessen auch die »Flüchtlingseigenschaft« der Betroffenen. Alleine im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden in 2 994 solcher Fälle Entscheidungen gefällt, lediglich in 130 wurde der Flüchtlingsschutz nicht zurückgenommen. Im vergangenen Jahr wurde fast 7 000 Irakern auf diese Weise der Aufenthaltsstatus entzogen. Trotzdem gelang es nicht, sich die Leute vom Halse zu schaffen, und zwar aus einem ganz praktischen Grund: Abschiebeflüge nach Bagdad sind selbst deutschen Behörden zu gefährlich, die kurdischen Behörden im Norden des Landes lehnen Abschiebungen offiziell ab. Als Alternative kam daher nur die »freiwillige Rückkehr« in Frage, für die unter­schied­liche Organisationen werben, die glanzvolle Namen tragen.

Finanziert vom Bundesamt für Migration tourte beispielsweise der »Internationale Verein für die Menschenrechte der Kurden« durch deutsche Städte, um für eine Rückkehr in den Nordirak zu werben. Neben den Reisekosten wurde eine finanzielle »Starthilfe« angeboten: 500 Euro pro Person, maximal 1 250 Euro pro Familie. Das dürfte knapp für drei Monatsmieten in einer kurdischen Stadt im Nordirak reichen. Angekündigte Hilfsprogramme existieren dort bis heute nicht, eine Nachbetreuung scheitert an den Reisewarnungen der Bundesregierung. Im vorigen Jahr waren es daher nur etwas mehr als 600 Iraker, denen das dürftige Angebot immer noch verlockender schien als ein Leben als Geduldete in Deutschland.

Und ganz freiwillig ist die »freiwillige Rückkehr« in den meisten Fällen nicht. Bevor sich die Flüchtlinge zur Rückkehr entschieden, wurden sie bereits durch die gesamte Mühle der deutschen Ausländerverwaltung gedreht. Die meisten von ihnen waren nach dem erfolgten Widerruf lediglich geduldet, eine Aussicht auf ein gesichertes Leben in Deutschland, auf einen Arbeitsplatz oder ein Studium gab es für sie ohnehin nicht mehr. Um den Druck aufrechtzuerhalten, sollen Iraker nun auch pauschal aus der geplanten Bleiberechtsregelung ausgenommen werden.

Der Vorschlag stammt vom bayrischen Innenminister Günther Beckstein und fand schnell die Zustimmung anderer Innenminister. Mitt­lerweile gilt als sicher, dass Iraker nicht von der Bleiberechtsregelung profitieren werden, die die Innenministerkonferenz am kommenden Wochenende beschließen will. Und es könnte noch schlimmer kommen.

Eine Woche vor der Konferenz zitierte die Frankfurter Rundschau aus einem Schreiben des niedersächsischen Innenministeriums, in dem die Ausländerbehörden des Landes dazu aufgefordert werden, Abschiebungen von Irakern einzuleiten. Demnach hat sich die kurdische Charterflug-Gesellschaft Zozik Air dazu bereit erklärt, mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten. Wöchentlich sollen acht unbegleitete und zwei von Beamten der Bundespolizei begleitete Flüchtlinge nach Suleymaniah geflogen werden. Neben der Bleiberechtsregelung wurde daher unter Punkt acht auch die »Abschiebung von Irakern« auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt.

Damit folgen die Deutschen dem britischen Vorbild. Die dortigen Innenbehörden bereiteten seit Ende vorigen Jahres Abschiebeflüge in den Nord­irak vor, scheiterten aber an der Weigerung der kurdischen Behörden, zwangsweise zurückkehrende Landsleute aufzunehmen. Erst Anfang Oktober gelang es den britischen Behörden, eine Chartermaschine mit Flüchtlingen in den Nord­irak zu bringen. Seitdem herrscht Hochstimmung in den Ausländerbehörden in ganz Europa.

Noch günstiger sind Abschiebungen nicht zu haben, vor allem nicht für die Bundesregierung. Erfordern Massenabschiebungen sonst aufwendige Rückschiebeverhandlungen und daran geknüpfte Zahlungen von Entwicklungshilfe, setzen die Behörden im Fall des Nord­irak auf die Kraft des Faktischen. Wenn Abschiebungen aus Großbritannien funktionieren, warum dann nicht auch aus Deutschland? Zurückschicken werden die Kurden ihre Landsleute schon nicht.

Diesem Prinzip folgten auch die beiden Abschiebungen in den Irak, die deutsche Behörden bereits ohne viel Öffentlichkeit durchgeführt haben. Im Dezember 2005 wurde erstmals ein irakischer Flüchtling von München, im Frühjahr 2006 ein weiterer von Frankfurt am Main in den Nord­irak geflogen. Ein kostspieliges Unterfangen. Der aus München abgeschobene B. berichtet, er sei von Bundespolizisten in einer kleinen Maschine vom jordanischen Amman nach Erbil gebracht worden, weitere Passagiere seien nicht an Bord gewesen. Während des gesamten Fluges sei er gefesselt gewesen. Aufschlussreich ist vor allem die Reaktion der kurdischen Grenzbeamten. Diese hätten sich darüber gewundert, dass er in Handschellen das Flugzeug verließ, und vorsichtshalber den kurdischen Geheimdienst gerufen.

Als B. von Geheimdienstleuten verhaftet und mit verbundenen Augen zum Verhör gebracht wurde, waren seine deutschen Begleiter bereits wieder auf dem Weg nach Hause. B. berichtet, dass er stundenlang verhört, beschimpft und geschlagen worden sei. Ob es dafür auch einen passenden Euphemismus gibt? »Welcome home« wäre schön.