Zurück zu den Contras

Wende in der US-Außenpolitik? von richard herzinger

Eine »Iraq Study Group« soll in Kürze Empfehlungen für einen Ausweg aus der hoffnungslos scheinenden Situation im Irak vorlegen. Ihren Vorsitz führt James Baker, ehemals Außenminister unter dem Vater des jetzigen Präsidenten. Vor dem Irak-Krieg mahnte er: »Wir sollten nicht glauben, dass wir Jeffersons Demokratie an den Ufern des Euphrat erblühen sehen werden.« Er hat Recht behalten. Viele, die in Amerika und Europa begierig da­rauf warten, mit George W. Bushs »revolutionärer« Außenpolitik abzurechnen, erhoffen, dass Bakers Ratschläge eine Wiederkehr der vermeintlich guten alten »Traditionen amerikanischer Realpolitik« einleiten werden.

Doch ist Baker wirklich der berufene Wunder­heiler, der den Schlamassel im Mittleren Osten wieder zurechtbiegen kann? Dürften wir aufatmen, wenn die USA zum »Realismus« zurückkehren sollten? Schön wär’s. In Wahrheit hat diese »Realpolitik« wesentlich dazu beigetragen, den USA und der ganzen Welt das Irak-Problem überhaupt erst an den Hals zu hängen. Weil sie am Ende des Golfkriegs im Jahr 1991, also nach der Vertreibung der ira­kischen Invasoren aus Kuwait, ihre Truppen nicht bis Bagdad durchmarschieren lassen wollte, ermutigte die US-Regierung die irakischen Schiiten zum Aufstand gegen Saddam Hussein – und ließ sie dann im Stich.

Die Folge war ein furchtbares Massaker des Regimes an der schiitischen Bevölkerung. Damals wurde ein Großteil des Vertrauens der arabischen Welt verspielt, die Botschaft der Amerikaner von Freiheit und Menschenrechten sei ernst gemeint. Dieses Meisterstück des »Realismus« fällt in die Amtszeit von Vater Bush und Außenminister Baker.

Das Elend amerikanischen »Realpolitik« reicht aber weiter. Während des irakisch-iranischen Krieges 1981 bis 1988 rüsteten die USA aus machtpolitischem Kalkül Saddam Husseins Kriegsmaschine auf. Sobald freilich der Irak im Krieg die Oberhand zu gewinnen drohte, stärkte man wiederum die iranische Seite. Das flog 1986 durch die so genannte Iran-Contra-Affäre auf. Die Regierung unter Präsident Ronald Reagan hatte heimlich Waffen an den Iran verkauft und mit dem Erlös die antikommunistische Rebellenbewegung (»Contras«) in Nicaragua unterstützt.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die Europäer sind die letzten, die sich über die ­zynische Machtpolitik von damals aufregen dürften. Lange bevor die USA Saddam als nützlichen Schurken entdeckt hatten, war der Diktator bereits von Frankreich gehätschelt und aufgerüstet worden. Auch deutsche Firmen waren etwa am Aufbau des irakischen Atomprogramms beteiligt und in die Entwicklung von ABC-Waffen verstrickt.

Wer sich diese Art von »Realpolitik« zurückwünscht, kann dies nur um den Preis einer gefährlichen Verklärung der Vergangenheit tun. George W. Bushs »missionarische« Demokratisierungsstrategie und das Konzept der berüchtigten Neocons zielte ja gerade darauf, diese unselige Praxis zynischer Machtspiele mit verrotteten Diktaturen zu überwinden, die nur dazu führte, dass der Westen mit deren brutaler Herrschaftsweise identifiziert wurde. Im Irak wurde die Vorstellung widerlegt, der Einsatz der überlegenen amerikanischen Militärmacht genüge, Demokratie in Ländern ohne jede demokratische Tradition zu implantieren.

Doch es gibt keine einfache Rückkehr in ver­meintlich goldene Zeiten der Realpolitik. Sollten Gespräche mit Syrien und Iran, wie sie Bakers Kommission empfehlen wird, tatsächlich das Patentrezept für die Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens sein? Die jüngsten syrischen Machenschaften im Libanon haben darauf bereits die Antwort gegeben.

Der Autor ist Redakteur der Welt am Sonntag.