Alle wollen Deutsch

Die Goethe-Institute sollen neu organisiert und zahlreicher werden. Der Bund lässt sich das etwas kosten, denn Kulturpolitik ist auch Wirtschaftspolitik. von jörg kronauer

Europäischer Mischmasch«? Monika Griefahn schüttelte ablehnend den Kopf. Gemeinsam mit ihrem Parlamentskollegen Peter Gauwei­ler (CSU) stellte die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion vor wenigen Tagen einen Entschließungsantrag an den Bundestag vor. Um das Goethe-Institut ging es darin, das im staatlichen Auftrag überall in der Welt »Kulturpolitik« treibt. Nach jahrelangen Mittelkürzungen kann man sich in der Münchner Zentrale des Instituts endlich entspannen. Das Auswärtige Amt hat beschlossen, das Budget im kommenden Jahr um 13,5 Millionen Euro aufzustocken. Sollte man das Geld nicht auch dahingehend nutzen, enger mit den Kultur­instituten anderer europäischer Staaten zusammenzuarbeiten und so die Wirkung zu multiplizieren? Nein, sagte Monika Griefahn entschieden: Die Gastländer »wollen Deutsch«.

144 Institute in 80 Ländern auf sämtlichen Kontinenten unterhält das Goethe-Institut. Mit einem Gesamtbudget von derzeit 278 Millionen Euro setzt es sich für Ziele ein, die in einem Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt aus dem Jahr 1976 festgehalten sind. An erster Stelle steht die »Förderung der Kenntnis deutscher Sprache«, es folgen die »Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit« sowie die »Vermittlung eines umfassenden Deutschland-Bildes«. Da das Außenministerium einen großen Teil des Geldes zur Verfügung stellt, behält es sich auch einen bestimmenden Einfluss auf die konkrete Arbeit des Instituts vor, das formal als gemeinnütziger Verein firmiert. »Das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut arbeiten bei der Ausführung der Vertragsaufgaben eng zusammen«, legt der Rahmenvertrag fest: »Sie machen ihren Bediensteten und Mitarbeitern eine loyale Zusammenarbeit zur Pflicht.«

Die Aufstockung der staatlichen Mittel für das Goethe-Institut soll eine Krise beenden, die die auswärtige Kulturpolitik seit Jahren plagt. Verursacht worden ist sie durch enorme Einsparungen während der grünen Ära im Auswärtigen Amt. Die kontinuierlichen Kürzungen brachten die Kulturwelt in Rage. »In den letzten Jahren wurde der Anteil der Auswärtigen Kulturpolitik am Gesamtetat des Auswärtigen Amtes von 32,8 Prozent auf 25 Prozent abgesenkt«, empörte sich der Deutsche Kulturrat im März 2004. Das Goethe-Institut musste trotz aller Bemühungen, die Geschäftseinnahmen zu erhöhen und private Sponsoren zu gewinnen, Filialen schließen. Im Frühjahr waren erneut umfangreiche Streichungen im Gespräch.

Dabei befindet sich die auswärtige Kulturpolitik eigentlich in einer Phase der Expansion. Der Zusammenbruch des Realsozialismus eröffnete ab dem Jahr 1990 neue Tätigkeitsfelder in Osteuropa, was den Aufbau neuer Filialen verlangte. Inzwischen ist ein weiterer Expansionsschub im Gespräch. Es sei »folgerichtig, dass den Weltregionen, die die politische und weltwirtschaftliche Dynamik unserer Zeit bestimmen, auch in kulturpolitischer Hinsicht mehr Aufmerksamkeit zu widmen ist«, erklärte die grüne Bundestagsfraktion im Juli. Gemeint war vor allem Asien. Und das ist nach Ansicht der Grünen noch längst nicht alles: »Hinzu kommt heute – als besondere außenkulturpolitische Herausforderung – der arabisch-islamische Raum.«

Die Forderung nach mehr Mitteln für die auswärtige Kulturpolitik mag auf den ersten Blick realitätsfern erscheinen. Was sollen Sprachkurse und Liederabende in Zeiten, in denen man Soldaten in alle Welt schickt, Bundeswehreinsätze diplomatisch begleitet und die Expansion deutscher Konzerne auf Regierungsebene absichert? Für die Durchsetzung deutscher Interessen in aller Welt sind Sprach­kurse und Liederabende ganz unverzichtbar, sagen Fachleute. Sie haben Recht.

Denn weder die Außenpolitik noch die Außenwirtschaft kommen an den Menschen in den Zielstaaten ihrer Expansion vorbei. Wer über stabile Kontakte ins Ausland verfügt, ist dort im Vorteil. Stabile Kontakte aber verschafft man sich in mühevoller Basisarbeit. »Über Sprachkurse, Bildungs­koope­rationen, Bibliotheken, Kulturprogramme und Sport­initiativen erreicht das Goethe-Institut jährlich weltweit 13 Millionen Menschen«, heißt es in dem Entschließungsantrag von Griefahn und Gauweiler, den das Parlament Anfang kommenden Jahres verabschieden soll. Unter diesen 13 Millionen Menschen dürften die wenigsten in Armenvierteln und Slums zu Hause sein. Mit Kulturarbeit bindet man die Einflussreichen, die Bildungseliten. Deren Interesse an Deutschland »zu wecken, zu fördern und zu befriedigen«, das ist für Griefahn und Gauweiler »die erste und wichtigste Aufgabe des Goethe-Instituts«.

Das Goethe-Institut »gewinnt Freunde für Deutschland«, liest man denn auch auf seiner Website. Das nützt nicht nur der Politik, die damit eine prodeutsche Einflusslobby im Ausland erhält. Auch expandierende Unternehmen profitieren in hohem Maße von Kontakten zu den Eliten in ihren Zielstaaten, die nicht etwa die Sprache des französischen Konkurrenten, sondern Deutsch lernen. Nicht umsonst zählt das Goethe-Institut Konzerne wie BASF, Bayer, Siemens, Daimler-Chrysler oder DHL zu seinen Sponsoren. Kosten und Nutzen abwägend, sind die Unternehmen eingesprungen, als das Auswärtige Amt die Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik zusammenstrich.

Mittelkürzungen sollen aber nun der Vergangenheit angehören. Damit entfällt eine lästige Debatte, die in den vergange­nen Monaten die Gemüter erhitzte: Wie stark sollen in der auswärtigen Kulturpolitik die Prioritäten verschoben werden? Viele plädierten dafür, die Expan­sion in die arabisch-islamischen Staaten und nach Asien durch die Schließung von Instituten in Westeuropa zu finanzieren. Rund ein Drittel aller Goethe-Institute ist in Westeuropa angesiedelt und verschlingt mehr als 40 Prozent des Etats. »Wenn Sie zum Vergleich sehen, dass wir in dem großen Russland nur zwei Institute, in Moskau und in Sankt Petersburg, haben …«, beklagte sich Jutta Limbach, die Präsidentin des Instituts, im Frühjahr.

Andere warnten bereits Ende der neunziger Jahre davor, die kulturelle Einfluss­arbeit in Westeuropa zu verringern: Nur weil man die Deutschen als Nachbarn hat, muss man sie schließlich noch lange nicht mögen. Im Gegenteil. »Gerade in Nordfrankreich, wo die Spuren von zwei Weltkriegen auch heute noch sichtbar sind, bleibt die Versöhnungsarbeit eine wichtige Aufgabe«, hieß es 1999 beim Institut für Auslandsbeziehungen, einer weiteren Einrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik. Wie Mitarbeiter des Goethe-Instituts damals festzustellen meinten, sei eine gewisse historisch begründete Abneigung gegen Deutschland »in der französischen Bevölkerung stets latent vorhanden«. Umso wichtiger sei konsequente kulturpolitische Basisarbeit.

Die Aufstockung der Mittel für das Goethe-Institut macht die Lösung des Problems leicht: Die Expansion in Asien und in der arabisch-islamischen Welt wird stattfinden, die westeuropäischen Institute bleiben trotzdem erhalten. Zugleich soll das Institut straff auf Kurs gebracht werden. »Die weitere institutionelle und personelle Neuorganisation duldet keinen Aufschub«, heißt es in dem Entschließungsantrag an den Bundestag. Der Maßstab dafür sind trotz aller Europäisierungslyrik ganz ungebrochen deutsche Interessen. Monika Griefahn, die als Parteilinke gilt, hat bei der Vorstellung des Antrags unmissverständlich klargestellt, dass sie sich darin mit Gauweiler völlig einig ist: »Europäischen Mischmasch« wird es auch in Zukunft nicht geben.