Schwimmen und rollen

Gegenüber alternativen Wohnformen zu Wasser ist der Hamburger Senat offen. Bei denen zu Lande sind die Vorbehalte größer. von andreas blechschmidt

Hausboote, besser gesagt, neue »maritime Wohnlandschaften«, die »den konventionellen Häuserbau« ergänzen sollen, wünscht sich die verantwortliche Stadtplanungsbehörde auf den Gewässern Hamburgs. Was Alternativen zum konventionellen Häuserbau zu Lande angeht, verfolgte der Senat seit dem Jahr 2002 dagegen eine andere politische Strategie. Die Räumung aller Bauwagenplätze bis zum Ende dieses Jahres war das erklärte politische Ziel der CDU-Politiker.

Noch im Jahr 2003 erklärte der Erste Bürgermeis­ter Ole von Beust: »Langfristig werden alle Bauwagenplätze in Hamburg verschwinden.« Nach der spektakulären Räumung des Wagenplatzes »Bambule« im Oktober 2002 und des Platzes am Wendebecken im September 2005 schien den übrigen Wagenburgen nur noch eine Gnadenfrist zu bleiben.

Doch heimlich, still und leise scheint der Senat sein Vorhaben aufgegeben zu haben. Voraussichtlich werden die Verträge der übrigen Wagenplätze zunächst bis Ende 2008 verlängert. Die städtischen Bezirksämter verschickten an Bewohnerinnen und Bewohner von Wagenplätzen Briefe, in denen es in ordentlichem Behördendeutsch hieß: »Diese Laufzeit dürfte nach jetzigem Abstimmungsstand mit den Entscheidungsträgern auch die Zustimmung der Fachbehörde erhalten.«

Einer dieser Entscheidungsträger ist der Bau­senator Michael Freytag (CDU). »Neue Wohnformen machen Hamburg als grüne Metropole am Wasser noch attraktiver«, sagte er im Frühjahr und kündigte damit nicht etwa die Genehmigung einer neuen Wagenburg, sondern von 75 Plätzen für Hausboote an. Jörn Walter, der Oberbaudirektor der Stadt, erläuterte: »Wir wollen bewusst passende Liegeflächen für unterschiedliche schwimmende Häuser anbieten – vom einfachen umgebauten Holzboot bis hin zum edlen Design-Modell.« Lediglich schwimmende Bauwagen­kolonien scheinen jenseits seiner Vorstellung zu liegen.

In der von 13 auf fünf Plätze geschrumpften Wagenszene wollen die Strategen der »wachsenden Stadt Hamburg« keine neuen Begehrlichkeiten wecken. Der Restbestand hilft dem rechtskonservativen Senat zwar, sich ein folkloristisches und scheinbar li­berales Image zu verschaffen. Mehr davon aber bedeutet nur mehr Ärger. Der droht ohnehin, da bereits absehbar ist, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Wagenplätze nicht mit Vertragsverlängerungen zufrieden geben, sondern zum wiederholten Male Bestandsgarantien fordern werden.

Jüngst hatte man diesbezüglich sogar die Justiz gegen sich. Nach einer Demonstration im April 2004 unter dem Motto »Einmal im Leben pünktlich sein«, zu der sich Wagen und Lkw auf der Hamburger Hafen­straße eingefunden hatten, wurden die Teil­nehmerinnen und Teilnehmer mit Strafver­fahren wegen Nötigung überzogen. Die Hambur­ger Polizei hatte mit der Auflösung der Demonstration das Versammlungsrecht kurzerhand außer Kraft gesetzt. Vorige Woche sprach das Land­gericht drei Angeklagte in der Berufungsverhandlung frei. Rechtsanwalt Carsten Gericke, der einen der Angeklagten vertrat, sagte der Jungle World: »Der Strafprozess diente allein dazu, das rechtswidrige polizeiliche Verhalten im Nachhinein zu legitimieren. Das berechtigte politische Anliegen für alternative Wohnformen, das im Übrigen über Hamburg hinaus von Bedeutung ist, sollte hier kriminalisiert werden.« Leider habe es das Gericht aber vermieden, im Hinblick auf die Grundrechte, die auch für Wagen­bewohner gälten, Farbe zu bekennen.

Derweil berät das Bezirksamt Mitte bereits interessierte Bürgerinnen und Bürger, wie man den Traum vom Leben auf dem Hausboot realisieren kann. Der Frage, warum dagegen das Woh­nen im Bauwagen langfristig nicht möglich sein soll, werden sich die politisch Verantwortlichen in Hamburg bald stellen müssen.