Ein Kuss ist nicht genug

Die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Abbas und Olmert waren dürftig. Dennoch hoffen Vertreter ­beider Seiten auf eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses. von andrea livnat, tel aviv

Man könnte sagen, dass der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert alles getan hat, um dem Palästinenserpräsidenten Mah­moud Abbas entgegenzukommen. Er hat sogar sein Wort gebrochen. Denn es sah zunächst so aus, als ob Israel, entgegen den bisherigen Ankündigungen, palästinensische Gefangene freilassen würde, auch wenn der vor über sechs Monaten entführte Soldat Gilad Shalit weiter in der Gefangenschaft der Hamas ausharren muss.

Abbas hatte in dieser Frage kaum Handlungsmöglichkeiten, tobt doch in den palästinensischen Gebieten seit Monaten ein Machtkampf zwischen seiner Fatah-Partei und der Hamas. Bei den Verhandlungen am 23. Dezember konnten sich Olmert und Abbas über andere Themen einigen. Bereits vor dem Treffen hatte die israelische Regierung Geld der palästinensischen Autonomiebehörde freigegeben und einige Straßensperren aufheben lassen – kleine Gesten, die weitere Verhandlungen erleichtern sollen. Und als man dann in Olmerts Jerusalemer Residenz zusammensaß, kam das Gespräch auf die palästinensischen Gefangenen. Von palästinensischer Seite wurde die Freilassung einer beschränkten Anzahl von Häftlingen gefordert, eine weitere Geste des guten Willens. Olmert, ganz der perfekte Gastgeber, sagte zu, diesen Punkt zu prüfen.

Daraufhin hieß es zunächst, Israel werde palästinensische Gefangene zum muslimischen Opferfest Eid al-Adha amnestieren. Doch Olmert konnte sich nicht durchsetzen, er fand keine ausreichende Unterstützung in seinem Kabinett. Übrig bleiben als Ergebnisse des Treffens nur einige Reiseerleichterungen für die Palästinenser und der Eindruck einer gewissen Entspannung, da Olmert und Abbas sich medienwirksam die Wangen küssten.

Beide stehen innenpolitisch unter Druck und brauchen Erfolge bei den Verhandlungen. Vor allem für Abbas wird es langsam Zeit. Monatelange Verhandlungen mit der Hamas über eine Einheitsregierung verliefen im Sande. Abbas kündigte daraufhin Neuwahlen an, in der Hoffnung, dass die Hamas sich in ihrem ersten Regierungsjahr ausreichend diskreditiert hat und die Fatah wieder die gewohnte Rolle als Regierungspartei übernehmen kann. Neuwahlen können eigentlich nur vom Parlament beschlossen werden, doch Abbas kündigte an, ein entsprechendes Dekret zu verabschieden.

Denn schließlich, so argumentiert der palästinensische Präsident, sei die Hamas regierungsunfähig. Sie habe die Autonomiebehörde international isoliert und die Bevölkerung weiter in Chaos und Armut gedrängt. Der finanzielle Boykott durch Europa und die USA trifft jedoch nicht nur die Hamas-Regierung. Bereits seit Monaten bleiben etwa die Gehälter für die 80 000 überwiegend der Fatah ergebenen Polizisten aus. Mehrmals stürmten die Ordnungshüter in das Parlamentsgebäude, um die Auszahlung der Gehälter gewaltsam zu erzwingen. Doch wo nichts ist, kann auch mit Gewehren nichts geholt werden. Die Hamas rüstet unterdessen ihre Milizen auf. Viele halten einen Bürgerkrieg in den palästinensischen Gebieten für unvermeidlich.

Doch manche blicken zuversichtlicher in die Zukunft. So hegt etwa Außenministerin Zipi Livni, möglicherweise Israels nächste Regierungschefin, eigene Pläne. In einem Interview sagte sie, es gebe neben neuen Gefahren auch neue Chancen, denn gerade weil der Extremismus zunehme, moderate Länder und Kräfte in der Region verstünden, dass nicht Israel das Problem sei. »Ich werde Ihnen nicht alle Details enthüllen, kann Ihnen aber sagen, dass ich selbst ganz genau weiß, was zu tun ist.«

Bleibt die Frage, ob die Gegenseite das auch weiß. Abbas verkündete bereits, dass der Zeitpunkt gekommen sei, mit Israel »Hintertür-Gespräche« zu beginnen. Auch er hat einen Grund, zuversichtlicher zu sein. Seine Anhänger erhielten in der vergangenen Woche eine größere Waffenlieferung aus Ägypten.