T-Entlassungen

Der neue Vorstand der Telekom will den Service verbessern und gleichzeitig sparen, sparen, sparen. Das wird die Belegschaft zu spüren bekommen. von winfried rust

Abschiede gehören zum Alltag bei der Deutschen Telekom AG. Seit der Privatisierung der Abteilung Fernmeldedienst der Deutschen Bundespost zum 1. Januar 1995 wurde die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits um 100 000 reduziert. Auch der Weggang von drei Vorstandsmitgliedern gilt als Zeichen.

Mitte November löste der bisherige Vorstandsvorsitzende von T-Mobile International, René Obermann, den Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, Kai-Uwe Ricke, ab. Da weit über 1,5 Millionen Kundinnen und Kunden der Telekom ihre Festnetzverbindung bei anderen Anbietern bestellt hatten, war Ricke in die Kritik geraten. In der Folge ersetzte Timotheus Höttges den Chef der Festnetzsparte, Walter Raizner. Das zweite neue Vorstandsmitglied, Hamid Akhavan, entstammt dem Technikbereich von T-­Mobile und übernimmt für Obermann die Führung der Sparte Mobilfunk.

Der Personalvorstand der Telekom, Heinz Klinkhammer, verlässt den Konzern »aus persönlichen Gründen«. Wer ihm nachfolgt, steht noch nicht fest. Klinkhammer war zehn Jahre auf seinem Posten und hat wahrhaft viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen und gehen sehen. Dennoch genießt er auch bei der Gewerkschaft Respekt, weil er es zu ihrer Zufriedenheit geschafft hat, den Abbau von Arbeitsplätzen, wie es heißt, »sozialverträglich« zu gestalten. So hat die Telekom bislang auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet, die »Personalüberhangfirma« Vivento gegründet und ist ein »Beschäftigungsbündnis« eingegangen, mit dem zum Teil Arbeitsplätze erhalten wurden. Die Beschäftigten mussten sich dafür mit Arbeitszeitverkürzungen einverstanden erklären und auf Lohn verzichten.

Die Telekom steht auf Platz 22 in der Liste der größten Konzerne der Welt. Mit einem Umsatz von knapp 60 Millionen Euro, fast 250 000 Beschäftigten und der Beteiligung an zwölf Telekommunikationsunternehmen anderer Länder ist sie ein Global Player.

Das Jahr 2005 war für sie ein glänzendes Geschäfts­jahr mit einem Rekordüberschuss von 5,6 Milliarden Euro. Doch der Einbruch im Festnetzbereich veranlasste den damaligen Vorsitzenden Ricke, die Gewinnerwartungen für 2006 abzusenken. In Aktiengesellschaften kommt das schlecht an. Der Konzern reagierte klassisch. Vor einem guten Jahr beschloss der Vorstand, noch unter Ricke, weitere 32 000 Arbeitsverträge aufzulösen. Im Oktober fabulierte Ricke darüber, 45 000 Stellen aus dem Konzern auszulagern. Vermutlich wird hier von Obermann mehr Nachdruck erwartet.

Aus der Sicht der Wirtschaftspresse spielte sich Folgendes ab: Obermann war ein Protegé Rickes und will keineswegs alles anders, sondern nur vieles besser machen. Er gilt als »energisch« – die Financial Times Deutschland erwähnte seinen alten Spitznamen »Bulldozer« –, strebt ein Ende der Kompetenzstreitigkeiten im Konzern an und hat bereits durchgegriffen, was die Besetzung der Führungspositionen angeht. Jetzt will er die Telekom »zum bestangesehenen Service-Unternehmen der Branche« machen und gleichzeitig »erhebliche Einsparungen bis zum Jahr 2010« vornehmen.

Man sagt, dass sich der Volkswirt Obermann, der Zahlenmensch Höttges und der Informationstechniker Akhavan ideal ergänzen. Im Vorstand verbleiben der langjährige Leiter des Vorstandsbereichs Finanzen, Karl-Gerhard Eick, und der in Sachen Auslagerung erfahrene Lothar Pauly als Chef der Abteilung Geschäftskunden. Zuletzt hatte er bei Siemens als Leiter des Bereichs »Communications« die Handysparte an das Unternehmen BenQ veräußert.

Der neue Vorstandsvorsitzende zeigt eifrig Interesse an den Schwächen des Unternehmens, vor allem im Service, wo es »massiven Verbesserungsbedarf« gebe. Untersuchungen zufolge konnte in den Call Centern teilweise nur bei jedem 20. Anruf geholfen werden. Die Ursachen sind umstritten. Jan Jurczyk aus dem Bundesvorstand von Verdi sagte der Jungle World: »So wie bei der Telekom kann ein Call Center eigentlich nicht funktionieren. Da sitzt jemand und ist schlecht bezahlt, hat wenige Kompetenzen, Befugnisse, Erfahrung und wenig Perspektive und Anerkennung. Für kundenorientierte Arbeit bräuchte es sichere Arbeitsplätze und eine vernünftige Bezahlung.«

Der Vorstand hingegen meint offenbar, mit niedrigeren Löhnen könne der Service verbessert werden. Noch im Oktober argumentierten Ricke und Klinkhammer, die Gehälter in diesem Bereich lägen 30 bis 50 Prozent über dem Branchenschnitt und seien »am Marktniveau auszurichten«. Doch die Konfrontation mit der Belegschaft mied der alte Vorstand. Auch Obermann scheint sich noch Zeit zu lassen, vielleicht bis nach der nächsten Jahresbilanz. Im vorigen Jahr erreichte Verdi noch Lohnerhöhungen von drei Prozent. Um ihren Traum von einer Belegschaft, die für weniger Geld mehr leistet, zu verwirklichen, müsste der Konzern wohl mit dem Verlust der Arbeitsplätze drohen. Mit einer ausgelagerten Belegschaft, die das Exempel BenQ vor Augen hat, ließen sich sicher großartige »Beschäftigungsbündnisse« schlie­ßen.

Allerdings ist die Belegschaft auch schon einiges gewöhnt. »Nach 16 Konzernumbauten mit dem Damoklesschwert Arbeitsplatzabbau über dem Kopf sind zahlreiche Beschäftigte in die innere Emigration gegangen«, sagt Jurczyk. Die Botschaft von oben sei von Anfang an gewesen: »Ihr seid Personalüberhang.« Und Arbeitsplätze abzubauen, kostet ein Unternehmen schließlich auch etwas. Die Telekom hält ein Budget von 3,3 Milliarden Euro für Abfindungen, Vorruhestandsregelungen und ähnliches bereit. Dass die Umstrukturierungen grundsätzlich von oben nach unten vonstatten gingen, trug auch nicht zur Verbesserung der Stimmung bei. Die Reaktion war, so Jurczyk, »wie in einem Spargelfeld. Niemand will den Kopf rausstrecken, dann ist er nicht ab.«

In seiner Antrittsrede als Vorstandsvorsitzender erklärte Obermann all jenen, die es noch nicht wussten, die oberste Regel der Zunft: »Wir stehen in hartem Wettbewerb.« In den vergangenen Jahren schaffte es der Konzern ohne größere Gegenwehr der Belegschaft, die Arbeitsproduktivität deutlich zu steigern. Nach Angaben des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung erwirtschaftete ein Beschäftigter im Jahr 1995 einen Umsatz von 139 000 Euro pro Jahr, 2004 waren es 234 000 Euro.

Nachdem Kai-Uwe Ricke seine Pläne zum weiteren Abbau von Personal im November 2005 bekannt gegeben hatte, kam es erstmalig zu nennenswerten Unruhen und Protestkundgebungen während der Arbeitszeit. Im März 2006 protestierten Verdi und Beschäftigte der Telekom gegen die Schließung der Hälfte der 90 Call Center. Nach Verhandlungen bleiben 60 Standorte erhalten.

Der Bundesvorstand von Verdi hat dem neuen Vorstand der Telekom inzwischen die Zusammenarbeit angeboten. Ziel der Gewerkschaft ist ein besserer Service für Kundinnen und Kunden, ohne die Arbeitsbedingungen der Belegschaft zu verschlechtern. Gleichzeitig erteilt Verdi eine »Belastungswarnung«. Die Beschäftigten sammeln in diesem Zusammenhang Unterschriften für einen Aufruf für »einen Kurswechsel zugunsten des Personals« und gegen Arbeitsplatzvernichtung, Ausgliederung, Lohndrückerei und Arbeitsverdichtung.

»Es ist eher eine Art Schulterzucken«, sagt Jurczyk. »Sicher sind die Leute mobilisierungsfähig. Aber man fragt sich ständig: Was kommt als nächstes?«