Umzug mit Panzern

Überlegene Feuerkraft sicherte der äthiopischen Armee einen schnellen Sieg über die islamistischen Milizen in Somalia. Nun regieren in der Hauptstadt Mogadishu wieder die Warlords. von jörn schulz

Regiert hat sie bislang nicht, aber dennoch hielt sie einen Weltrekord. Mehr als 100 Minister und Vizeminister zählte die im Jahr 2004 gebildete somalische Übergangsregierung (TFG), die bereits vor der Offensive der islamistischen Milizen im Sommer des vergangenen Jahres gezwungen war, statt in der Hauptstadt Mogadishu im Provinznest Baidoa zu residieren. Ihre Machtlosigkeit hinderte die Warlords jedoch nicht daran, eifrig um Posten zu intrigieren und eine angemessene Vertretung ihres jeweiligen Clans zu fordern. Dass viele von ihnen ihren Rücktritt einreichten, als die Lage in Baidoa brenzlig zu werden begann, hat das Vertrauen der Bevölkerung nicht gestärkt.

So hielt sich die Begeisterung in Grenzen, als die Verteter der TFG in der vergangenen Woche im Gefolge der äthiopischen Truppen in die Hauptstadt einzogen. Premierminister Ali Mohammed Gedi wurde bei einer ersten Stadtrundfahrt im bewaffneten Konvoi bejubelt, doch in anderen Teilen Mogadishus gaben äthiopische Soldaten Warnschüsse ab, weil sie mit Steinen beworfen wurden.

Man muss die Islamisten nicht lieben, um die Rückkehr der Warlords zu fürchten. Die Frage ist allein, ob sie nun unter dem Schutz der Besatzungsmacht gemeinsam die Bevölkerung ausplündern oder sich erneut untereinander bekämpfen werden. Zudem werden sich die in der Union der Islamischen Gerichte (UIC) zusammengeschlossenen Milizen mit ihrer Niederlage nicht abfinden, auch wenn sie die Hafenstadt Kismayo, ihre letzte größere städtische Basis, verlieren.

Vor allem die 120 eingesetzten Panzer und die Luftwaffe sicherten dem äthiopischen Militär einen schnellen Sieg über die islamistischen Milizen. Sie dürften sich nun für einen Guerillakrieg entscheiden, bei dem sie auf verstärkte internationale Unterstützung zählen können. Aus Eritrea erhalten sie Waffen und möglicherweise auch im Guerillakampf geschulte Soldaten, die meisten islamischen Staaten sind auf ihrer Seite, und Ussama bin Laden hat die Jihadisten bereits im Juli vergangenen Jahres dazu aufgerufen, sich am Kampf gegen Äthiopien zu beteiligen.

Dass Somalia zum Trainingslager für den globalen Jihad werden könne, war die Begründung der äthiopischen Regierung für die Militärintervention. Die US-Regierung unterstützt den Einmarsch, scheint sich jedoch auf militärische Ausbildungshilfe und diplomatische Unterstützung zu beschränken. Größere Risiken will man offenbar nicht eingehen. Zudem scheint diese Politik umstritten zu sein, auch im politisch-geheimdienstlichen Establishment teilen nicht alle die Einschätzung Jendayi Frazers, der Vizeaußenministerin für Afrika, dass die UIC von der ostafrikanischen al-Qaida-Zelle kontrolliert wird. »Ich glaube nicht an schnelle und abschließende Urteile«, fasste der Geheimdienstkoordinator John Negroponte seine Zweifel zusammen.

Der rabiate Tugendterror in den von der UIC eroberten Gebieten zeigte, dass sich die islamistischen Ideologen sehr schnell gegenüber den Konservativen durchsetzen konnten, die in der Sharia vor allem ein Mittel sahen, das von den Warlords verursachte Chaos zu beenden. Über den Einfluss ausländischer Jihadisten sagt das jedoch wenig aus. Vor allem aber sollte die Entwicklung im Irak und in Afghanistan eigentlich hinreichend klargestellt haben, dass der militärische Sieg wenig bedeutet, wenn nicht ein halbwegs erfolgreiches nation building die Islamisten marginalisiert.

Davon kann jedoch keine Rede sein, die äthiopischen Truppen brachten Politiker mit, die sich allein auf die Macht der Waffen stützen können. Von Demokratisierung spricht man daher gar nicht erst. Unklar ist zudem, welche Pläne Äthiopien, das mit Unterstützung, aber nicht unter dem Befehl der USA agiert, tatsächlich hat.

Der äthiopische Präsident Meles Zenawi beruft sich darauf, dass er nur der inter­national anerkannten Übergangsregierung hilft. Zudem hat die UIC alles getan, um eine Militärintervention zu provozieren. Die Islamisten weigerten sich zu verhandeln, verstärkten ihre Propaganda für ein »Großsomalia«, die Annexion der von somalisprachigen Bevölkerungsgruppen bewohnten Territorien in Äthiopien und Kenia, und unterstützten separatistische Guerilleros in Ogaden. Um diese Region kämpften die Armeen Äthiopiens und Somalias in den siebziger Jahren.

Unberechtigt sind die Sorgen der äthiopischen Regierung nicht. Ob die islamistische Infiltration allerdings das drängendste Problem in einem Land ist, in dem mindestens die Hälfte der Bevölkerung von weniger als einem Dollar pro Tag lebt und mehrere Dutzend separatistische und regionalistische Guerillaorganisationen operieren, ist eine andere Frage. Manche der bewaffneten Oppositionsgruppen sind kaum mehr als eine Dorfmiliz, andere, wie die völkisch-nationalistischen Organisationen Ogaden National Liberation Front (ONLF) und die Oromo Liberation Front (OLF), könnten mit verstärkter ausländischer Unterstützung zu einer ernsthaften Bedrohung werden.

Im vergangenen Jahr sollen drei Generäle und mindestens 150 Soldaten zur OLF übergelaufen sein. Zenawi bestätigte indirekt die Desertionen. Nach Beginn des »Reformprogramms« habe man Offiziere entdeckt, die »nicht treu zur Verfassung standen« und »vor der Säuberung geflohen« seien. Unzufriedenheit gibt es nicht nur in der Armee. Bei den Protesten gegen Wahlmanipulationen im Jahr 2005 wurden mehr als 200 Menschen erschossen und 30 000 verhaftet. Seitdem hat das Regime die Repression weiter verschärft, und viele Oppositionelle vermuten, dass Zenawi mit der Militärintervention in Somalia von innenpolitischen Problemen ablenken und die Gelegenheit für weitere Massenverhaftungen nutzen will. Das Solidarity Committee for Political Prisoners berichtet zudem, dass Jugendliche vom Militär zusammengetrieben und zwangsrekrutiert werden.

Vermutlich hofft Zenawi, der Feldzug in Somalia werde in Äthiopien nationalistische Emotionen wecken, die Offiziere seiner Armee beschäftigt halten, seinen Einfluss in der Region mehren und ihm großzügigere US-Hilfe bescheren. Doch die Risiken sind für Äthiopien wohl ebenso groß wie für Somalia. Vor allem Eritrea, das mit Äthiopien zwischen 1998 und 2000 Krieg um eine umstrittene Region führte, dürfte nach der Schlappe in Somalia seine Anstrengungen zur Destabilisierung verstärken und möglicherweise auch den Grenzkonflikt wieder eskalieren lassen.

Eines immerhin hat Zenawi aus dem Irak-Krieg gelernt. Die äthiopische Tageszeitung Daily Monitor titelte nach dem Einmarsch in Mogadishu zwar: »Mission Accomplished«. Der Präsident sagte jedoch, man habe die Mission erst zu 75 Prozent vollendet.