Schmäh und Eier für die Partei

Die Parteibasis der SPÖ rebelliert gegen die Bildung einer Koalition mit der ÖVP. Aber Gusenbauer ist das egal, schließlich ist er am Ziel seiner Träume. von thomas schmidinger, wien

Es gibt kaum jemanden, der den Eintritt der SPÖ in die neue Regierung nicht als völlige Kapitulation der österreichischen Sozialdemokratie begreift. Unterschiedliche Medien präsentierten den sozialdemokratischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zuletzt in Karikaturen als Mann mit heruntergelassenen Hosen. Auf der Titelseite der Tageszeitung Die Presse wurde er als Grinsender in einem Goldrahmen platziert.

Am Donnerstag wurde Gusenbauer vereidigt, nachdem sich die ÖVP und die SPÖ drei Monate nach der Wahl auf eine Große Koalition geeinigt hatten. Im Gegensatz zur Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ vor sieben Jahren schäumt diesmal aber nicht der politische Gegner vor Wut, sondern die eigene Partei.

Nicht nur die sozialdemokratischen Studenten- und Jugendorganisationen haben ihrem Parteivorsitzenden den Kampf angesagt. Hunderte Parteimitglieder, darunter Gewerkschafts- und Parteifunktionäre, äußerten in den letzten Tagen öffentlich ihren Unmut und kündigten ihren Parteiaustritt an.

Dass nicht nur keine einzige inhaltliche Forderung der SPÖ – von der Abschaffung der Studiengebühren bis zur Abbestellung der Eurofighter – in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt werden konnte, sondern auch noch sämtliche Schlüsselressorts der neuen Regierung, wie das Innen‑, Außen- und Finanzministerium, an den bürgerlichen Koali­tions­partner gehen, verzeihen selbst altgediente Bezirksparteifunktionäre nicht.

Überraschender als die Tatsache, dass sich Gusenbauer in jeder Hinsicht übertrumpfen ließ, um endlich Kanzler sein zu dürfen statt immer nur der ewige Verlierer, sind da schon die Proteste der eigenen Parteibasis. Immerhin galt die österreichische Sozialdemokratie als die am besten disziplinierte, weil wohl lebloseste österreichische Partei. Und nun warf die eigene Partei­jugend plötzlich Farbbeutel, Eier und gar pyrotechnische Gegenstände in Richtung der Parteiführung, als diese auf dem Weg zur Vereidigung der neuen Regierung war. Unter die Parteijugend mischten sich, wie immer, wenn irgendwelche Massen in Bewegung geraten, auch obskure ex-trotzkistische Sekten. Allerdings dominierten eindeutig persönlich beleidigte und ehrlich enttäuschte Jungsozialdemokraten das Bild der Proteste.

Am Tag der Vereidigung der Regierung demons­trier­te die Parteijugend vor der Wohnung Gusenbauers, wobei auch Farbbeutel auf das Haus flogen. In Salz­burg mauerte der Verband sozialistischer Studenten den Eingang der Parteizentrale zu. In Wien wurde der Sturm auf die Bundesparteizentrale nur mit einem Polizeieinsatz verhindert.

Aber auch höhere Parteifunktionäre, wie der steirische Landeshauptmann und Parteivorsitzende Franz Voves, brachten ihren Unmut zum Ausdruck. Voves brüskierte den Bundeskanzler öffentlich auf einer Pressekonferenz, als er sich weigerte, ans Telefon zu eilen, um mit Gusenbauer zu sprechen. Stattdessen erklärte er den anwesenden Journalisten: »Der Herr Bundeskanzler würde mich gerne sprechen, aber es ist ein biss­chen spät.« Dann redete er sich seinen Frust mit der Parteiführung von der Seele.

Von all dem wird sich Gusenbauer jedoch wenig beeindrucken lassen. Schließlich ist er nach dem langen Marsch durch die Institutionen der Partei endlich im Chefsessel angekommen. Dass er dafür die neoliberale und reaktionäre Politik seines Koalitionspartners ÖVP in sozialdemokratischer Verpackung fortsetzen muss, dürfte ihm da egal sein. Erfahrungsgemäß wird sich schließlich auch die Aufregung in der Partei wieder legen, und die nächsten Wahlen, bei denen man die ganzen faulen Kompromisse als Erfolge verkaufen muss, liegen ja noch in weiter Ferne.