Ehre für die Nervensäge

Streit um Wolf Biermann

»Steine, Steine und Steine. All meine Wahrheiten sind Steine geworden.« Das sang Wolf Biermann in der Berliner Chausseestraße, bevor er 1976 aus der DDR ausgebürgert wurde. Aber mit seinen Wahrheiten und seinem Geklampfe können viele Deutsche nichts anfangen, egal ob im Osten oder im Westen. Als er seine Lieder in der Bundesrepublik vortrug, sagten viele: »Soll er doch wieder rübergehen, wenn es ihm hier nicht passt.« Nach der Wende im Jahr 1989 wollte er von Hamburg zurück nach Berlin und dort seine alte Wohnung in der Chausseestraße beziehen, doch die Stimmung gegen ihn im Osten war so gehässig, dass er es sein ließ.

Derzeit wird in Berlin darüber gestritten, ob er es verdiene, Ehrenbürger der Stadt zu werden. Der Vorschlag, ihn zu würdigen, kommt von der CDU, der FDP und den Grünen. Vehement dagegen waren anfangs die Sozialdemokraten und die Linkspartei. Während es sich die SPD inzwischen anders überlegt hat und der Verleihung zustimmt, will die Linkspartei sich bei einer Abstimmung im Abgeordnetenhaus enthalten. Ihr Berliner Vorsitzender, Klaus Lederer, sagte, Biermann für »seine Wendung vom Pazifisten zum Bellizisten, vom widerständigen linken Demokraten zum systemkonformen Zeitgeist zu ehren, damit haben wir ein Problem«.

Biermann verteidigte im Jahr 2003 den Angriff auf den Irak. In einer Gastvorlesung in Jerusalem sagte er noch im Oktober, »dass der fran­zösische Präsident Chirac und sein kleiner deutscher Kumpel, der falsche Pazifist und Bundeskanzler Schröder, eine große Mitschuld am Irak-Krieg« hätten. Der Krieg hätte vermieden werden können, wenn der Westen »mit einer Faust gedroht« hätte.

Solche Ansichten passen einer Partei nicht, für die zum Beispiel der Friedensmanager und Stasi-Informant Diether Dehm im Bundestag sitzt. Über diesen sagte Biermann einst, dass er es gewesen sei, der ihn bespitzelt habe. Er habe ihm seine Verstrickung in die Stasi bereits vor dem Fall der Mauer gestanden. Dehm hingegen schreibt heute im Tagesspiegel über Biermann: »Neueres Traurigsein über umweltzerfressende Konzernprofite, Klimawandel und CO2, Finanzspekulation als Ursache von Menschen- und Staatsverarmung, Bomben­überfälle auf Staaten des Ölreichtums fanden in seiner Kunst kein wirkliches Gehör.«

Biermann mag oft Peinliches von sich geben, so unerträglich wie Dehm kann er gar nicht werden. Denn die pseudolinke Moral ist nicht seine Sache. Er, dessen Vater Werftarbeiter in Hamburg, Jude und kommunistischer Widerstandskämpfer war und in Auschwitz ermordet wurde, nennt die Deutschen »Hurra-Pazifisten« und wirft ihnen vor, »die Tragik des Nahost-Konflikts« zu verkennen und »in vormundschaftlicher Verachtung mit radikalen Moslems« zu sympathisieren. So etwas will man partout nicht hören, wenn man mit Oskar Lafontaine einen Fraktionsvorsitzenden hat, der »Schnittmengen zwischen linker Politik und islamischer Religion« zu erkennen glaubt.

Als im vorigen Jahr Markus Wolf verstarb, der frühere der Leiter des Auslandsnachrichtendiensts der DDR, huldigte ihm die Linkspartei. Ihr Vorsitzender Lothar Bisky lobte »seine Intelligenz, auch seine Offenheit«. So sehen die »widerständigen Linken« aus, die die Partei dem »systemkonformen« Biermann vorzieht. Er kann froh sein, dass sie ihn nicht ehren will.

stefan wirner