Erhöhte Risiken im AKW

Die Pannenserie im Atomkraftwerk Forsmark nagt am schwedischen Sicherheitsempfinden. Doch für die Energiepolitik der Regierung gilt: weiterwursteln wie bisher. von bernd parusel, stockholm

Die schwedische Wirtschaftsministerin Maud Olofsson schien peinlich berührt, als sie am Dienstag der vergangenen Woche Besuch aus Brüssel bekam. Der EU-Energiekommissar Andris Piebalgs wollte unter anderem wissen, wie es um die Sicherheit im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark stehe. Olofsson aber hatte keine Antworten. Sich vom staatlichen Energiekonzern Vattenfall über die Lage informieren zu lassen, hatte sie erst für Freitag geplant.

In der Zwischenzeit überstürzten sich in Forsmark jedoch die Ereignisse. Die Betreiberfirma, die zu 66 Prozent Vattenfall gehört, räumte ein, dass die in der Vorwoche entdeckten »Hinweise auf schadhafte Dichtungen am Reaktortank« nicht mehr nur Hinweise waren. Die Dichtungen müssten erneuert werden, und so lange blieben Forsmark-1 und -2 abgeschaltet, hieß es. Die Stilllegung ist bereits die dritte seit der beinahe eingetretenen Katastrophe vom 25. Juli vorigen Jahres, als es in einem Stellwerk zu einem Kurzschluss kam und Notfall- und Kontrollsysteme ausfielen.

Am Donnerstag trat dann der Direktor des Kraftwerks in Forsmark, Lars Fagerberg, zurück. Der Rücktritt ist vor allem eine Reaktion auf einen internen Bericht eines Untersuchungsteams von Vattenfall, den das schwedische Fernsehen veröffentlicht hat. Darin heißt es, der Unfall vom Sommer sei als »Höhepunkt einer seit längerem verfallenden Sicherheitskultur« zu sehen. Die Betreiber hätten sich immer mehr auf eine Steigerung der Stromproduktion konzentriert. Die Anlage sei deshalb allzu eilig modernisiert worden, man sei »erhöhte Risiken eingegangen« und habe Sicherheitsvorschriften »immer großzügiger ausgelegt«.

Neben dem Rücktritt des Kraftwerkdirektors kündigte Vattenfall zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen an. So soll ein »Sicherheitsausschuss« gebildet und ein »international anerkannter Experte« zu Rate gezogen werden. Als die Wirtschaftsministerin Olofsson am Freitag die Führungsspitze von Vattenfall traf, lobte sie die Maßnahmen als »kraftvoll«. Gleichzeitig bezeichnete sie die schwedische Stromversorgung jedoch als »sehr empfindlich«. Schweden deckt rund 50 Prozent seines Strombedarfs aus Atomkraftwerken, die anderen 50 Prozent hauptsächlich mit Wasserkraft. Olofsson hätte in Zukunft gern ein »drittes Standbein«.

Wie das aussehen soll, bleibt jedoch unklar. Die Regierung ist gegen den Import von Erdgas aus Russland und hat den Vorschlag, von der geplanten deutsch-russischen Gaspipeline durch die Ostsee eine Nebenleitung nach Schweden abzuzweigen, abgelehnt. Auch von der Industrie geforderte Stromimporte aus Russland will Schweden nicht, und der Ausbau der Windkraft kommt nur langsam voran. Kürzlich teilten Vertreter der Stromkonzerne Eon Sverige und Vattenfall mit, umfassende Pläne für Offshore-Windparks in der Ostsee könnten sich wegen steigender Installationskosten verzögern oder sogar ganz scheitern.

Politiker der konservativen Parteien und die drei großen Energiekonzerne Vattenfall, Eon und Fortum meinen deshalb, an einem Ausbau der Atomkraft führe kein Weg vorbei. Ohne neue AKW seien auch die Treibhausgase nicht zu reduzieren, heißt es oft. Die bürgerliche Regierungskoalition in Stockholm hat sich zwar dazu entschieden, in der laufenden Legislaturperiode kein neues AKW zu bauen. Nach 2010 könnte der Kompromiss aber aufgebrochen werden. Die größte Morgenzeitung des Landes, Dagens Nyheter, sähe gerne schon früher einen solchen Beschluss. »Wenn wir die Atom­energie ausbauen müssen, dann sollten wir gleich damit anfangen«, schrieb das Blatt in der vergangenen Woche.

Der Zeitpunkt für ein solches Statement hätte kaum besser gewählt sein können. Am gleichen Tag standen zwei Reaktoren in Forsmark und ein weiterer in Ringhals wegen technischer Probleme still.