Den Boykott boykottiert

In Baden-Württemberg ist der Boykott von Studiengebühren gescheitert. Die Beteiligung war zu gering. von winfried rust

Stell’ dir vor, es gibt Studiengebühren und keiner zahlt!« Um diesen Slogan Wirklichkeit werden zu lassen, hatten Gegnerinnen und Gegner der Studiengebühren von etwa 20 Universitäten in Baden-Württemberg »Boykottkonten« eingerichtet, auf welche die Studierenden die erstmals fälligen 500 Euro einzahlen sollten. Es wurden Formulare verteilt, die nur noch auszufüllen waren. Wenn mindestens 25 Prozent der Studierenden ihre Gebühren auf die Boykottkonten gezahlt hätten, wäre der Boykott begonnen worden.

Der Freiburger Musikhochschüler Mathias Dupuis zeigte sich in der Badischen Zeitung erstaunt: »Man bekommt die Möglichkeit, aktiv zu werden, auf dem Silbertablett geliefert. So gut sind wir in Frankreich nicht organisiert.« Man sollte meinen, dass Franzosen wenig vom Protest in Deutschland lernen können. Ein paar Tage später aber hatte Dupuis doch etwas gelernt: Die deutschen Studenten zahlen doch!

Erreicht wurde das Quorum nämlich nur an drei kleinen Hochschulen in Karlsruhe. Zu dem Fanal, das sich die Bündnisse gegen die Einführung von Studiengebühren erhofft hatten, ist es nicht gekommen. Der Widerstand der Studierenden hat einen schweren Rückschlag erlitten, vor allem das Konzept des Boykotts hat nicht funktioniert. Im Jahr 2005 hatte sich der Protest eher auf der Straße abgespielt, in vielen Städten fanden damals Demonstrationen und Rektoratsbesetzungen statt. Im vorigen Jahr veranstalteten dann die Studierenden in Hessen Autobahn­blocka­den, Camps und eine Großdemons­tration mit über 10 000 Teilnehmern in Frankfurt. Gleichzeitig aber wurde die Einführung der Gebühren in den meisten Bundesländern beschlossen.

Auch nach dem gescheiterten Boykott gebe es »eine große Ablehnung der Gebühren«, sagte Benjamin Greschbach vom Freiburger Asta der Jungle World. Die Befürchtung, dass mit den Gebühren »Studierende sozial selektiv aussortiert werden«, werde sich mittelfristig bestätigen. Aus der Strategie des Boykotts aber dürfte jetzt »die Luft draußen sein«, meint der Aktivist Lukas. Ohnehin herrsche »bei allzu vielen Studis eine Lethargie«. Andererseits »haben wir diesmal nicht genug Basisarbeit geleistet und zu wenig riskiert«.

»Wir machen weiter!« ist dagegen auf der Homepage des Asta Karlsruhe zu lesen. Daneben prangt ein Zitat von Bundespräsident Horst Köhler: »Deshalb müssen wir alles tun, damit die jungen Menschen Zugang zum Erwerbsleben finden. Der Schlüssel dazu heißt: Gute Bildung für alle.« Wenn es grundsätzlich wird, wird es manchmal ziemlich konformistisch.

Die Forderung, dass Bildung kein Geld kosten sollte, ist sicher richtig. Eine Kritik an der »Massenproduktion von Fachidioten«, wie sie die Situationisten in den sechziger Jahren übten, wird derzeit aber kaum hörbar. Damals gab es noch nicht einmal den Bachelorstudiengang mit seinen festgelegten Modulen und Multiple-Choice-Klausuren.

In Freiburg ist es bezeichnenderweise ein Professor, der eine Kritik an der Verfasstheit des Studiums formuliert. Die Fachschaft Soziologie präsentiert auf ihrer Homepage den Beitrag »Der Krieg gegen die Intelligenz« des Soziologieprofessors Wolfgang Essbach. Er kritisiert die Beschränkt­heit des Protests. Die Universität am Ende des »Bologna-Prozesses« sei »in sich betriebswirtschaftlich tayloristisch durchgerechnet«. Dabei würde »jede Minute Arbeitszeit von den Studenten verrechnet«, die Folge sei »ein programmierter Schmal­spurhorizont«. Der eigentliche Skandal sei also, dass »sie für die Verschlechterung des Studiums Studiengebühren zahlen sollen«. Stell’ dir vor, das Studium wird schlechter und die Studenten zahlen doch!