They always come back

Wer vorgestern einen Namen im Boxsport hatte, meldet sich heute für neue Kämpfe an. von andreas rüttenauer

Es ist gut gegangen. Das Comeback war erfolgreich. Alexander Jakob, Kampfname »Cobra«, ist zurück im Ring. Zwei Jahre hatte er nicht mehr gekämpft. 37 ist er mittlerweile – und er will es noch einmal wissen. Am Freitagabend besiegte der Schwergewichtler im Boxtempel Berlin einen gewissen Werner Kreiskott durch technischen K.O. in der dritten Runde. Ein Leberhaken bedeutete das Ende für den Gegner der Cobra. Die fühlt sich nach dem Kampf bestätigt. Vor dem Kampf hatte Jakob gesagt: »Ich kann mein Leistungsvermögen real einschätzen.« Nach seinem Comeback meinte er noch in der Kampfhalle des ehrgeizigen, kleinen Gyms in Berlin-Weißensee: »Der erste Kampf war aber nur der Anfang eines sehr schweren Wegs. Ab jetzt wird es richtig hart, aber das habe ich so gewollt.«

Jakob ist wahrlich keiner der ganz Großen in der Szene. Er war als Amateur einer der besten der Welt, galt als große Hoffnung, als er ins Profilager wechselte. Er ist in 29 Profikämpfen fünf Mal geschlagen worden. Kurze Zeit durfte er sich sogar einmal Weltmeister nennen. Doch daran können sich nur noch Spezialisten und Jakobs Fans erinnern. Der völlig unbedeutende Weltverband WBF hat schon viele No-Name-Titelträger hervorgebracht. Einer davon ist Jakob, der Rückkehrer. Warum er es noch einmal wissen will? »Die ganze alte Garde meldet sich zurück.«

Boxen ist gefragt derzeit. Nach dem Fußball ist der Faustkampf zur Fernsehsport Nummer zwei in Deutschland geworden. Das Geschäft geht gut. Die ARD zeigt Boxen, das ZDF, ProSiebenSat1 ist zum Boxsender geworden, RTL erinnert sich an die guten Quoten zur großen Zeit des Henry Maske. Auch im DSF fliegen mittlerweile die Fäuste. Die Sender habe ihre PR-Maschine angeworfen. Sie promoten jeden Kampf, als wäre das Nonplusultra des Boxens zu erwarten. Es gibt wieder Geld zu verdienen am Ring. Als Axel Schulz und Henry Maske ihre Comebacks ankündigten, beherrschten sie die Schlagzeilen. Es wurde spekuliert über die Gründe für die Rückkehr. Viel war den beiden so unterschiedlichen Heroen von einst darüber nicht zu entlocken. Vielleicht ist die Antwort ganz einfach. Boxen lohnt sich wieder.

Die Qualität des angebotenen Sports scheint dabei beinahe keine Rolle mehr zu spielen. Axel Schulz durfte zwar in seiner Karriere mehrere Male um den Titel des Schwergewichtsweltmeisters kämpfen, doch dass er kein allzu guter Boxer ist, das wusste man, lange bevor er den Ring nach dem blamablen Comeback wieder verlassen hat. Das Medieninteresse am drittklassigen Fight war immens. Auch nach der Niederlage schaffte es Schulz in die Schlagzeilen. Jede Menge Häme wurde über ihm ausgekippt. Als bekannt wurde, dass er an den Folgen eines Schlaganfalls leide, bekam der Fall Schulz etwas beinahe Tragisches. Diejenigen, die noch vor ein paar Wochen den »weichen Riesen« verlacht hatten, schrieben nun wahre Herz-Schmerz-Storys. Und doch ergründete niemand, was jeder wissen wollte: »Warum hat er sich das angetan?«

Evander Holyfield, das ist der Name, der immer wieder fällt, wenn die Rückkehrer gefragt werden, ob sie sich noch für fit genug für den harten Kampfsport halten. Der Schwergewichtler hat angekündigt, noch einmal Weltmeister werden zu wollen – mit 44 Jahren. Er gilt als Vorbild. Vier Mal hat er bereits einen großen Titel getragen. Nun möchte er der erste Boxer sein, dem es gelingt, fünf Mal einen Weltmeistergürtel zu erkämpfen. Zwei Kämpfe hat er bereits gewonnen, seit er im Jahr 2005 angekündigt hat, noch einmal um den Titel zu kämpfen. Das hatte er schon einmal versucht, war dabei aber so kläglich gescheitert, dass er vom US-Profiboxverband gesperrt wurde. Man wollte den ehemaligen Champ vor sich selbst schützen.

In Deutschland hat niemand versucht, Axel Schulz vor sich selbst zu schützen. Er wurde gnadenlos verprügelt. Der Boxkampf in der engen Tennisarena von Halle/Westfalen war nicht viel mehr als eine Preisboxveranstaltung auf niedrigstem Niveau. Das scheint niemanden zu stören in Deutschland. Die traurigsten Profikämpfe sind aus verrauchten Bierzelten ins Abendprogramm der Fernsehsender befördert worden. Hauptsache, es wird geboxt. Wie, das scheint egal zu sein.

Auch die Typen, die am Rande des Boxrings sitzen, die Luden und Sternchen, können niemanden mehr abschrecken. Die ARD überträgt am Samstag einen Boxkampf aus Rostock. Neben dem Hauptkampf zwischen dem Magdeburger Robert Stieglitz und Alejandro Berrio aus Kolumbien um den vakanten WM-Titel im Supermittelgewicht nach Version der International Boxing Federation (IBF) darf sich auch Sebastian Sylvester im öffentlich-rechtlichen Abendprogramm präsentieren. Er boxt für das Wiking-Boxteam aus Berlin, eine Trainingsgruppe mit eigenem kleinen Gym, deren Macher sich stolz mit dicken Uhren, dicken Ketten und glitzernden Riesenringen an den Fingern präsentieren. Zuhälteroutfit ist wieder in am Ring. Am Samstag kämpft der selbst ernannte »Hurrikan« Sylvester gegen einen Italiener namens Alessio Furlan, einen nicht gerade Furcht einflößenden Kämpfer, der von seinen 30 Kämpfen lediglich 18 gewinnen konnte. Boxerisch dürfte das ebenso interessant werden wie das Rematch von Stefan Raab gegen die ewige Boxweltmeisterin Regina Halmich.

Dass gerade beinahe allüberall im Fernsehen über Boxen berichtet wird, liegt also nicht daran, dass es derzeit besonders viele gute Boxer gibt. Boxen funktioniert zurzeit so gut als Quotenbringer, weil auch Ringschlägereien das Publikum nicht zu verärgern vermögen. Peinliche Frauenkämpfe um unbedeutende Weltmeisterinnengürtel passen zum DSF, weil sie dieselben Gelüste des männlichen Publikums befriedigen wie das Strip-TV im Nachtprogramm des Spartenkanals. Frauenboxen in der Glotze ist Männerfernsehen. Schlägereien vor Ludenpublikum kommen ebenso gut an wie die bizarren Kämpfe des boxerisch doch arg limitierten Schwergewichtsweltmeisters Nikolaj Valujew, des 2,13 Meter großen Boxriesen.

Das Schwergewichtsboxen, so sagen Experten, stecke in einer Krise. Statt großer Kämpfe bekomme man in der einst so geachteten Königsklasse immer groteskere Auftritte geliefert. Der russische Riese, der seine Gegner mit Schlägen von oben nach unten malträtiert, steht nicht al­leine dafür. Wladimir Klitschko ist der einzige Schwergewichtsweltmeister, dem echte Klasse bescheinigt werden kann. Die Szene sehnt sich nach der guten, alten Schwergewichtszeit zurück. Und auch bei den schweren Männern werden Comebacks angekündigt. Vitalij Klitschko, der wohl beste Schwergewichtler der vergangenen Jahre, will wieder antreten, wenn sein Körper die entsprechenden Signale aussendet. Schnell wurde spekuliert. Ende der vergangenen Woche geisterten Meldungen durch die Zeitungen, dass Lennox Lewis, auch einer der großen, schweren Männer der Vergangenheit, wieder kämpfen will. Der Brite hat schnell dementiert. Und doch zeigen derartige Berichte, dass niemand sich wundern würde über ein Comeback. Auch Rocky Balboa kämpft ja wieder – wenn auch nur im Kino. Auch er ist einer aus der guten alten Zeit.

Das nächste große Comeback findet am 31. März in München statt. Henry Maske (43) kämpft noch einmal gegen Virgil Hil (43). Die Quoten auf RTL werden hoch sein. Und die Qualität des Kampfes? Egal.