Der alberne Diktator

»Der letzte König von Schottland« – Idi Amin trampelt durch ein Eifersuchtsdrama. von jürgen kiontke

Afrika war bis vor wenigen Jahren im populären Kino kein großes Thema. Das ist zwar anders geworden, der Kontinent bildet aber in vielen Filmen meist nur ein Prospekt der Wildheit für das Agieren weißer Helden. Außer schwar­zen Bestien und grundguten, nackt umherlaufenden Hüttenbewohnern begegnet einem wenig. Es ist der Dunkelplanet des Kinos, und auch heute noch werden alte Stereotypen reproduziert. Ein Beispiel aus der Berichterstattung: »Filme aus Afrika sind ein weiterer Schwerpunkt auf der Berlinale«, hieß es vor zwei Jahren in einer Bildunterschrift auf der Internetseite des Fernsehsenders 3Sat über die Darsteller eines Films. Und weiter: »Hochkarätig besetzt ist der Eröffnungsfilm ›Man to Man‹ mit Kristin Scott Thomas und Joseph Fiennes. Nebenbei treten die eigentlichen Stars auf: Cecille Bayhiha und Lomama Boseki – Gruppenbild mit Eingeborenen.« Würde Nelson Mandela nach Berlin oder Los Angeles reisen, seine Gesprächspartner würden wohl kaum als »Eingeborene« bezeichnet werden.

2006 konnte man der Meinung sein, diese Form des Exotismus in der Filmkunst sei überwunden, weil das südafrikanische Musical »U Carmen« den Goldenen Bären der Berliner Filmfestspiele gewann. Afrikanische Geschichten landen, von Afrikanern erzählt, im großen Kinosaal.

Diese Tendenz des Erzählens konnte man schon ein Jahr zuvor in »Hotel Ruanda« vermuten, ein in diesem Zusammenhang bemerkenswerter Film: Ein prominenter schwarzer Darsteller, Don ­Cheadle, spielt den Hotelbesitzer Paul Rusesabagina, der in die Wirren des ruandischen Völkermords gerät. Eine Figur, die normal spricht, bekleidet ist und denkt und die zunächst einmal das tut, was ein europäischer oder amerikanischer Hotelbesitzer auch tun würde: den Betrieb organisieren, Probleme lösen. Kurz: Rusesabagina ist ein sehr aktiver Part, und vor allem handelt er autonom.

In den meisten Filmen mit afrikanischen Themen muss der schwarze vom weißen Mann mindestens an die Hand genommen werden. Afrika ist zwar öfter Schauplatz, Afrikaner aber sind Staffage. Das Niveau von »Hotel Ruanda« wird derzeit nicht gehalten. Relativ fassungslos sitzt man in Kevin MacDonalds Film »Der letzte König von Schottland« über das Leben des ugandischen Diktators Idi Amin (Forest Whitaker). Der Titel spielt an auf die Anekdote, dass Amin sich ironisch als letzten Kämpfer gegen das britische Empire sah. MacDonald hat Amin einen schottischen Leibarzt verordnet, Nicholas Garrigan (James McAvoy). Diese Figur ist rein fiktiv und stammt aus der Romanvorlage des britischen Autors Giles Foden.

Daran ist sicher nichts Ehrenrühriges, Texttreue ist in Ordnung. Dennoch stellt sich hier die Frage: Warum kein ugandischer Leibarzt? Weil sich das westliche Publikum mit solch einer Person nicht hätte identifizieren können?

Der junge Mediziner steht kurz nach dem Examen vor der Wahl, in die väterliche Praxis einzusteigen oder für ein Gesundheitsprojekt in Uganda zu arbeiten. Die Entscheidung ist bald gefallen. Durch Zufall lernt er Idi Amin kennen, der ihn dazu bewegt, als sein persönlicher Betreuer zu arbeiten und das Gesundheitssystem des Landes mitaufzubauen.

Zunächst einmal bedeutet das: Partys, Drogen und schnelle Autos. Garrigan und Amin sind dicke Kumpels. Erst nach einem missglückten Anschlag auf Amin soll sich das Klima ändern. Der Diktator beginnt, die Opposition auszurotten.

Auch Garrigan kommt bald unter die Räder. Zunächst ignoriert er die Verbrechen Amins. Als er aber erleben muss, dass der Gesundheitsminister auf seinen – falschen – Hinweis hin exekutiert wird, versteht auch der Arzt, dass es Zeit wird, das Land zu verlassen. Er wendet sich an die britische Botschaft, die ihm zwar den Pass verweigert, aber einen Deal vorschlägt: Garrigan soll Amin töten.

Forest Whitaker hat gerade den Oscar für seine darstellerische Leistung als »letzter König« erhalten. Auch von der Vereinigung afroamerikanischer Filmkritiker wurde er ausgezeichnet. Mag sein, dass der Plot und die Inszenierung dabei in den Hintergrund rückten. Zunächst einmal verwirren die zahlreichen pseudodokumentarischen Szenen mit »Eingeborenen« vor ihren Hütten, Medizinmännern etc. Sie sollen den Gegensatz der Welt bebildern, in der der Arzt aus dem Westen agiert. Die Montagetechnik stammt aus den dreißiger Jahren, man fühlt sich an die Darstellung von »Wilden« in frühen »Tarzan«-Filmen erinnert.

Es dauert nicht allzu lange, bis der Film auch noch im Slapstick steckenbleibt: Rich­tigen Ärger handelt sich Garrigan ein, weil er ein Verhältnis mit Amins dritter Frau Kay (Kerry Washington) beginnt. Zuvor schon hatte er mit der Ärztin Sarah Merrit (Gillian Anderson) angebandelt, die mit ihrem Mann eine Mission betreibt, in der der junge Schotte zuerst arbeitete.

Absurd geht die Geschichte weiter: Amins Frau wird schwanger. Sollte das Kind zur Welt kommen, dürfte Idi Amin nach dem Vater nicht allzu lange suchen müssen. Dass Garrigan eine Abreibung verdient hat, kann man verstehen.

Doch vom politischen Kontext bleibt bald nicht mehr als eine überflüssige Eifersuchtsgeschichte. Der altbackene koloniale Blick und witzig gemeinte Einlagen sorgen dafür, dass die politische Dimension des Stoffes ins Lächerliche abgleitet.

Man kann meinen, dass Whitaker in seiner Darstellung des ugandischen Diktators, der wohl einer der verrücktesten Staatsführer der Welt war, erfrischend mehrdimensio­nal agiert. Der Plot des Films aber konterkariert jede ernste Auseinandersetzung mit dem Thema.

Der Film und der Oscar für seinen Hauptdarsteller stoßen auf dem afrikanischen Kontinent auf Kritik. So äußerte etwa der Filmemacher Mah­moud Ali Balu­gan aus Nigeria, »Der letzte König von Schottland« sei zwar in Uganda gedreht – Geld, Drehbuch und Hauptrollenbesetzung stammten aber aus dem Westen. Der Film folge einem gewissen Muster westlicher Darstellungen, und Hollywood sei nicht fair, weil ausschließlich die Verwerfungen des Kontinents thematisiert würden. So sei es auch in der Vergangenheit gewesen: Selbst wenn Afrika einen positiven Hintergrund für einen Film abgebe, hätten die Regisseure immer Wege gefunden, das Bild Afrikas negativ zu konnotieren.

Dieser Vorwurf mag in gewisser Hinsicht naiv sein – zu wem ist Hollywood schon fair? Man erinnere sich an den mit aktiver Hilfe der US-Armee gedrehten Film »Black Hawk Down« (USA 2001) über den umstrittenen Einsatz der amerikanischen Soldaten in Somalia 1993, bei dem es 19 tote US-Soldaten gab und mindestens 1 000 Tote unter der ansässigen Bevölkerung.

In »Black Hawk Down« werden schießwütige GIs zu Helden. Schwarze sind hier nur Pappkameraden zum Umlegen. Das Pentagon stellte Material zur Verfügung, als Dienstleistung des Filmteams gab’s Änderungen am Drehbuch. Auch über diesen Film zeigte sich mancher wenig amused. Müßig zu erwähnen, dass »Black Hawk Down« zwei Oscars bekam, wenn auch nur in den Sparten Schnitt und Ton.

Dennoch nimmt man es mit Humor: »Der letzte König von Schottland« wurde beim Filmfest in der Hauptstadt von Burkino Faso gezeigt. Hauptthema dieses Jahr ist Afrikas Verhältnis zum Westen. Nicht wenige Filme hatten die Ausbeutung Afrikas durch Weiße zum Thema. Das gab sicher gleich mehrere Gruppenbilder mit »Eingeborenen«.

Der letzte König von Schottland (GB 2006). Regie: Kevin MacDonald. Buch: Jeremy Brock, Peter Morgan. Darsteller: Simon McBurney, Forest Whitaker. Start: 15. März