Ungebremster Starrsinn

Der UN-Sicherheitsrat debattiert über Sanktionen gegen das Atomprogramm des Iran. Dort wächst die Kritik an Präsident Ahmadinejad. von shahram esfahani

Mitte dieser Woche wird im Iran das persische Neujahrsfest Norouz gefeiert, das den Beginn des Frühlings und einen Neu­anfang signalisiert. Die Bevölkerung ist mit den Vorbereitungen der traditionsreichen Rituale aus vorislamischer Zeit beschäftigt, die auch von den religiösen Eiferern und den regierenden Mullahs nicht verboten werden konnten. Auch Präsident Mahmoud Ahmadinejad wird nicht mitfeiern, er will, sofern er ein Visum erhält, an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats teilnehmen.

Es gilt als sicher, dass der Sicherheitsrat noch in dieser Woche schärfere Sanktionen gegen den Iran beschließt. Die fünf ständigen Mitglieder mit Vetorecht und Deutschland haben sich am Donnerstag voriger Woche auf einen Resolutionsentwurf geeinigt, der ein schärferes Waffenembargo gegen den Iran und die Sperrung der Konten weiterer iranischer Gruppen und Firmen vorsieht. Alle Staaten und die internationalen Finanzinstitutionen werden zu einer freiwilligen Einschränkung bei der Bewilligung neuer Kredite für den Iran aufgerufen. Dann hat das Regime erneut 60 Tage Zeit, um den Forde­rungen der UN nachzukommen und die Urananreicherung auszusetzen.

Ahmadinejad erklärte wiederholt, dass auch eine neue UN-Resolution sein Land nicht vom eingeschlagenen Kurs in der Atompolitik abbringen könne. Er verglich das Nuklearprogramm mit einem Zug, »der weder Rückwärtsgang noch Bremsen hat«. Unnachgiebig hat die Regierung bereits das letzte Ultimatum des Sicherheitsrats verstreichen lassen und die Forderung, seine Uran­anreicherung zu stoppen, ignoriert.

Der Konfrontationskurs Ahmadinejads, der Zugeständnisse ablehnt und damit immer schärfere Sanktionen, möglicherweise sogar ein militärisches Eingreifen, herausfordert, findet nicht in allen Zirkeln des Regimes Zustimmung. Da der Präsident zudem immer unpopulärer wird, wie seine Niederlage bei den Kommunalwahlen im Dezember 2006 zeigte, erstarken seine Widersacher. Der religiöse Führer Ali Khamenei selbst, der nicht nur geistliches Oberhaupt des Landes, sondern auch Oberbefehlshaber der Armee und der zahlreichen Sicherheitskräfte ist und bei fast allen politischen Entscheidun­gen das letzte Wort hat, stellte sich gegen seinen eins­tigen Schützling Ahmadinejad.

Die Differenzen sind taktischer Art, auch die Geg­ner des Präsidenten wollen das Atomprogramm fortsetzen. Doch Ali Akbar Welajati, der ehemalige Außenminister und Beraters Khameneis, erklärte der französischen Zeitung Libération zufolge nach seinem Besuch in Moskau Mitte Februar eine erneu­te Unterbrechung der Urananreicherung für möglich. Wenige Tage zuvor hatte Ali Larijani, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats und einer der einflussreichsten Politiker im Iran, bei der Sicherheitskonferenz in München die Verhandlungsbereitschaft in der Atom­politik bekräftigt.

In iranischen Zeitungen wie Ham­shahri und Dschomhurie Eslami, einem Sprachrohr der konservativen Hardliner, wird bereits seit Anfang des Jahres unverblümt Kritik an Ahmadinejads »Starr­sinn« im Atomstreit geübt. Dem Präsidenten wird vorgeworfen, von den innenpolitischen Problemen ablenken zu wollen. Ohne die Unterstützung Khame­neis wäre eine solche Kritik nicht ungestraft geblieben. Auch der einflussreiche ehemalige Präsident Hashemi Rafsanjani hat sich als unnachgiebiger Gegner Ahmadinejads profiliert.

Widersprüchliche Berichte über den Verbleib des ehemaligen Generals und stellvertretenden Verteidigungsministers Ali Reza Asgari heizen die Stimmung wei­ter an. Die Washington Post zitiert einen US-Geheimdienstbeamten, nach dessen Angaben Asgari während einer Türkei-Reise Anfang Februar politisches Asyl in den USA beantragt haben soll und bereit sei, sein brisantes Wissen über die Verbindungen zu Terrorgruppen preiszugeben. Regierungsvertreter und im Iran verbliebene Familienangehörige dagegen behaupten, Asgari sei von CIA und Mos­sad entführt worden.

Im Fall Asgari kann Ahmadinejad die Schuld auf die üblichen Verdächtigen schieben. Schwieriger ist es zu erklären, warum die wirtschaftliche Entwicklung in so deutlichem Widerspruch zu seinen Wahlversprechen steht. Die Inflationsrate liegt nach offiziellen Angaben bei 16 Prozent, ist aber wahrscheinlich weit höher. Am härtesten betroffen von Inflation und Massenarbeitslosigkeit sind die armen Schichten der Bevölkerung, denen der Präsident eine gerechte Verteilung der nationalen Ressourcen versprochen hat. Seine ehemaligen Wähler laufen ihm davon, und die Meldungen über Unruhen, Streiks und Proteste meh­ren sich.

Am Mittwoch der vergangenen Woche wurden etwa 100 Lehrer, die vor dem Parlament demonstrierten, verhaftet. In der Woche zuvor waren die Verhafteten Demons­trantinnen, die am internationalen Frauentag für mehr Gleich­berechtigung eintraten. Dass die Proteste »konterrevolutionärer Elemente« von der Polizei und paramilitärischen Gruppen wie den »Re­vo­lutionswächtern« immer brutaler niedergeschla­gen werden, macht das Regime nicht populärer. Anschläge in Gebieten, in denen überwiegend nicht persische Bevölkerungs­gruppen leben, deuten zudem darauf hin, dass sich separatistische Stimmungen ausbreiten.

Um seine Beliebtheit zu steigern, verteilt der Präsident nach Gutdünken Almosen aus der Staats­kasse. Die beschlossene Privatisierung von Staatsunternehmen kommt nicht voran, und ausländische Investoren sind durch die heikle politische Lage verunsichert. Die Moder­nisierung der Infrastruktur unterbleibt, weiter­hin muss der Iran Benzin importieren und sub­ven­tio­niert den Verkauf pro Jahr mit fünf Milli­arden Dollar, weil es an Raffinerien fehlt. Viele Ayatollahs fürchten um ihre Pfründe, Ahmadi­nejad dagegen ist immer mehr darauf angewiesen, außenpolitische Krisen zu provozieren, um die inneren Probleme zu verbergen und sein politisches Überleben zu sichern.

Das Parlament hat sich mehrheitlich gegen Ahmadinejads Politik gewendet. Nach wochenlangen Diskussionen über seinen Haushaltsentwurf wurde dieser von den Abgeordneten in großen Teilen als unseriös zurückgewiesen. Seine Gegner erwägen nun sogar ein Amtsenthebungsverfahren. Mit einer Zweidrittelmehrheit könnte das Parlament dem Präsidenten das Misstrauen aussprechen.

Dann müsste allerdings ein neuer Kandidat gefunden werden, und es fehlt dem Regime an populären Politikern. Die Verhandlungen über das Atomprogramm würden durch die Absetzung Ahmadinejads sicher leichter. Dessen Geg­ner wollen jedoch, wie der Oppositionspolitiker Ibrahim Yazdi gegenüber der Süddeutschen Zeitung betonte, das Atomprogramm nicht aufgeben, sondern modifizieren. Auch viele Iraner, die wenig Sympathie für das Regime haben, be­trachten die Nutzung der Nukleartechnologie als notwendig.

Ahmadinejads Gegner im Staatsapparat sehen in ihm einen Politiker, der eine an sich richtige Po­litik durch Kompromisslosigkeit gefährdet. Der Präsident hat es geschafft, Länder wie Deutschland, Russland und China, die lange Zeit Sanktionen des Sicherheitsrats ablehnten, gegen sich aufzubringen. In New York kann er nun nur noch versuchen, den Unmut unter den nicht ständigen Mitgliedern gegen das Vorgehen der Großmächte auszunutzen.