Immer wunderlicher

Stoiber aktiv von philipp steglich

Ostern ist für die Allgemeinheit der Chris­ten das Fest der Auferstehung. Der katholische Ministerpräsident Bayerns, Edmund Stoiber, muss nicht lange über die Bedeutung dieses Festes sinnieren, hat er doch seine persönliche Auferstehung gerade erst hinter sich.

Es begab sich zu der Zeit des Frühjahres, dass der oberste Hirte der Christ­sozialen mit seinen Jüngern, einer Wirtschaftsdelegation und willfährigen Journalisten, gen Asien zog. Er empfing und tat Wunder: Im südkoreanischen Seoul verlieh man ihm seine erste Ehrendoktorwürde. Nun hat er dort nicht das hölzerne Kreuz getragen, stellvertretend für seine Bayern, aber als er einen der alber­nen, mehreckigen Doktorhüte aufgesetzt bekam, sprach er: »Ich trage diesen Hut letztlich für zwölfeinhalb Millionen Menschen aus Bayern.«

Ein Land weiter, in Vietnam, tat er dann ein Wunder, das kein Mensch je für möglich gehalten hätte. Er legte beim Besuch des Mausoleums von Ho Chi Minh in Hanoi einen Kranz mit weiß-blauer Schleife für die Opfer des Vietnam-Kriegs nieder. Stoiber, unser »blondes Fallbeil«, gedenkt des He-He-Helden der 68er! Doch er zweifelte selbst an der Erdenhaftung seiner Tat. Schließlich sei dieser Ho Chi Minh ja ein »starrer Kommunist« gewesen. Aber vielleicht ist das nebensächlich, wenn ein Landesvater einen anderen Landesvater ehrt.

Jedenfalls gilt Stoiber, der seine Tournee in Indien enden ließ, der Süddeutschen Zeitung nunmehr als »der Tiger von Wolfratshausen«, und die bayerische Fraktion der CSU diagnostizierte die Euphorie, die ihren Leithammel befallen hat, als »indisches Fieber«.

Die Sorge in der Fraktion um seinen mentalen Zustand ist durchaus berechtigt, denn seit Stoibers Ankündigung im Januar, dass er im Herbst als Ministerpräsident zurücktreten und nicht mehr als Parteivorsitzender kandidieren werde, geht es für ihn stets bergauf. Im Land wird er gefeiert und umjubelt, während die potenzielle Nachfolge unter Beckstein, Huber und Seehofer weiterhin unklar ist. Und Gabriele Pauli, die Stoibers Sturz veranlasste, wird gerade als »Latex-Landrätin« (Franz Josef Wag­ner) öffentlich gegrillt.

So nimmt es nicht Wunder, wenn er im Erfolgstaumel auch noch ein milliardenschweres Investitionsprogramm ankündigt. »Bayern 2020« soll die ultimative Bildungsoffensive werden. »Wir werden den Weg frei machen von der Haupt­schule bis zum Abitur«, sagt Stoiber in seiner Regierungserklärung. Man ist nicht wenig verblüfft, war doch das Ziel der bayerischen Bildungspolitik jahrzehntelang das genaue Gegenteil, die soziale Selektion.

Aber auch andere wundern sich. Denn von seinen Ministern hatte Stoiber in den vergangenen Jahren verlangt, dass sie Sparbeschlüsse und Verwaltungsreformen ohne Abstriche durchsetzten, um sein persönliches Ziel, den »ausgeglichenen Haushalt«, zu erreichen. Und nun müssen sie zusehen, wie der Ministerpräsident, der nur noch wenige Monate zu regieren hat, den Etat für Jahre bindet. Der designierte Nachfolger, Günther Beckstein, wird sich wenig profilieren können. Er kann allenfalls der sklavische Exekutor sein, der die Richtlinien des großen Landesvaters befolgt.

So hat der Edmund dem Günther noch ein Ei ins Nest gelegt. Ein Wunder!