Teures, klares Wasser

Das geplante neue Tarifsystem dürfte den Wasserpreis in Berlin erneut steigen lassen. Die Wasserbetrie­be hätten dazu gern einen höheren Verbrauch. von martin kröger

Stephan Natz ist kein typischer, steifer Unternehmenssprecher. Er ist vielmehr der Typ von PR-Agent, dem man nach einer halben Stunde Gespräch fast alles abnimmt, was er über sein Unternehmen, die Berliner Wasserbetriebe (BWB), zu sagen hat. Zumindest für eine Weile. Dabei überspitzt er gern mal seine Aussagen. Etwa zu Anlässen wie dem »Uno-Weltwassertag« am 22. März. Denn zu diesem Datum seien die überregionalen Medien alljährlich voll von »Nachgeplappertem«, sagt Natz. Darunter fällt für ihn die Aussage, dass es einen Mangel an Wasser gebe und deswegen daran gespart werden müsse. »Das ist Unsinn, weil Wasser immer ein regionales Gut ist.« Und: »In Berlin gibt es Wasser im Überfluss.« Die taz zitierte Natz gar mit den Worten: »Ich kann die Sahelzone auch nicht dadurch grün machen, dass ich in Berlin Wasser spare.«

Ein Aufruf zur Wasserverschwendung also? Im Gespräch mit der Jungle World bekundet der Pressesprecher, dass das alles nicht so gemeint und der »verantwortungsbewusste Umgang« mit Wasser selbstverständlich wichtig sei. Ihm sei es nur darum gegangen, auf eine alte Werbekampagne hinzuweisen, die die Berliner Wasserbetriebe 1998 unter dem Motto »Hahn auf!« veranstaltet haben. Außerdem sei es an der Zeit, die ganze »Wassergeschichte« zu »ent­ideologisieren«, da es sich um einen »Ge- und nicht Verbrauchswert« handele, mit dem sich schon gar nicht großartig Geld verdienen lasse.

Stephan Natz ist selbstverständlich auch gerne bereit zu erläutern, wieso das so ist: Allein der Absatz der Berliner Wasserbetriebe sei seit der Wende vor 18 Jahren um satte 44 Prozent gesunken. Neben der Deindustrialisierung der Hauptstadt sei für den Rückgang vor allem die »technische Überoptimierung« der Haushaltsgeräte und der sparsamere Um­gang der Bürger mit dem Wasser ursächlich gewesen. Diese Entwicklung sei noch nicht gestoppt, alljährlich sinke der Absatz um ein weiteres Prozent, sagt Natz.

Aus dem Rückgang erwachse für das halbstaat­liche Versorgungsunternehmen ein Problem, das sich der Erbauer der Berliner Kanalisation, James Hobrecht, vor über 100 Jahren nicht hätte vorstellen können: Die Abwasserkanäle seien für die heutigen Verhältnisse völlig überdimensioniert. Wegen der geringeren Menge an Schmutzwasser flössen die Fäkalien schlechter ab, was wiederum Korrosionsschäden in den Rohren zur Folge habe. Ins Trink­wasser könnten wegen des geringeren Drucks mehr Keime gelangen; die Qualität sinke. »Ich weiß nicht, ob wir in ein paar Jahren noch chlorfrei liefern können«, sagt Stephan Natz. Helfen würden dagegen nur Durchspülungen mit Trinkwasser und sanften Chemikalien wie Eisenschlamm. Maßnahmen, die angeblich Kosten in Millionenhöhe verursachen und alternativlos sind. Es sei denn, es würde zumindest eine »Stabilisierung des Verbrauchs« geben. Also doch eine völlig uneigennützige Neuauflage der Kampagne »Hahn auf!« für die alten Rohre und Abwasserkanäle?

»Aus ökologischer Sicht ist der Aufruf widersinnig«, erklärt Manfred Bender von der Bundeskontaktstelle Wasser der Grünen Liga. »Die Antwort kann nicht sein, Leute, verbraucht mehr Wasser, sondern die Antwort muss sein, mittelfristig das Rohrsystem zu sanieren.« Zum Beispiel sei es möglich, in die alten Röhren einfach neue »Inlets« einzuschieben, um ihren Durchmesser zu verringern. Eine größere Trinkwasser­entnahme würde indes das sich gerade erholende Grundwasser im Berliner Raum wieder gefährden.

Klimaforscher gehen zurzeit von zwei Szenarien für den ostdeutschen Raum aus. Entweder die Niederschlagsmenge verringert sich in den nächsten Jahren merklich, oder die Gesamtmenge bleibt gleich bei selteneren, aber kräftigeren Regenfällen. In beiden Fällen gilt für Manfred Bender: »Mit der Ressource Wasser ist schonend umzugehen.«

Die Wasserbetriebe scheinen für ihr Ziel, wenn schon nicht »großartig«, so doch kräftig Geld zu verdienen, nicht nur auf Appelle zu vertrauen. Für Anfang Juli ist die Einführung eines neuen Tarifsystems geplant, nach dem die Berliner künftig einen festen Grund­preis zahlen, der unabhängig vom Verbrauch abgerechnet wird. Hinzu kommt ein Betrag für den tatsächlichen Wasserverbrauch.

Bendedict Ugarte-Chacon, der sich publizistisch mit den Privatisierungen in Berlin beschäftigt, sieht das geplante Tarifsystem sehr kritisch, weil es »die privaten Verbraucher wesentlich mehr belasten wird als die industriellen«. Es sei wieder mal ein Geschenk des rot-roten Senats an die Unternehmer, deren Wasserverbrauch merklich steigen dürfte. Für die Bürger der Stadt werden sich dann bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Preise erhöhen, nach den zwei Prozent zum Jahresanfang, obwohl die Ber­liner nach Informationen des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz mit durchschnittlich 500 Euro pro Jahr jetzt schon 200 Euro mehr fürs Wasser bezahlen müssen als etwa die Kölner oder die Münchener. In den vergangenen Jahren gab es, als Resultat der vor acht Jahren noch als Segen für die Bürger angekündigten Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe, Preisaufschläge bis 15 Prozent.

Im Jahr 1999 verkaufte die Stadt rund die Hälfte der Anteile der BWB für rund 1,5 Milliarden Euro an ein privates Bieterkonsortium von RWE und der französischen Veolia Water. Um den Unternehmen das Geschäft schmackhaft zu machen, hat sich das Land Berlin verpflichtet, 30 Jahre lang eine garantierte Rendite von sechs Prozent aus Kapitalverzinsung zu zahlen. Das entspricht 95 Millionen Euro. Stephan Natz, der Unternehmenssprecher, formuliert das so: »Wer investiert, muss auch etwas abkriegen, oder?« Gegen eine solche Gewinngarantie wirkt der einstellige Millionenbetrag, der jährlich für den Erhalt des Rohrsystems aufgewendet werden muss, einfach nur läppisch. Auch der Aufruf, mehr Wasser zu verbrauchen, bekommt angesichts des neuen Tarifsystems und der immensen Preissteigerungen einen faden Beigeschmack.

Dafür, dass hier nicht nur die Kanalisation zum Himmel stinkt, sprechen nicht zuletzt die ständigen juristischen Spitzfindigkeiten der Wasserbetriebe vor Gericht mit dem Ziel, ihre Preispolitik nicht vor den Verbraucherschützern offen legen zu müssen. Auch hat die Öffentlichkeit bis heute keinen Einblick in den Konsortialvertrag, in dem die Teilprivatisierung festgelegt wurde. Das Berliner Bündnis gegen Privatisierung erwägt sogar das Mittel des Volksbegehrens, um Einsicht in den Vertrag zu erhalten.

Die Forderung, die Wasserbetriebe zurückzukaufen und erneut zu verstaatlichen, wird indes in dem Aufruf für den Bürgerentscheid nicht vorkommen. Denn das würde zu Lasten des Haushalts des Landes gehen – und mit dem Argument hat der rot-rote Senat bekanntlich schon einmal ein Volksbegehren abgewürgt.