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Sein erstes Mal

Raab, RAF, RTL. Wer hätte das gedacht? Seit Jahren poltert Stefan Raab mit seinem Hauruck-Humor im Fernsehen herum, lacht am liebsten selbst über seine Kalauer und zeigt dabei seine strahlend weißen Zähne. Doch in der vergangenen Woche ist es tatsächlich geschehen: Raab war zum ersten Mal komisch. Wirklich! In seiner Sendung »TV Total« ließ er ein Foto einblenden, das ihm angeblich von RTL zugespielt worden war. Es war eine Fotomontage, die dem bekannten Bild des entführten Hanns-Martin Schleyer nachempfunden war. Statt dem Schriftzug der RAF konnte man das Logo von RTL sehen. Statt Schleyer hielt Max Buskohl, der in der vergangenen Woche als Kandidat der Casting-Show »Deutschland sucht den Superstar« ausschied, ein Schild mit der Aufschrift: »Seit 196 Tagen Gefangener von R.T.L.« Lustig fanden das nicht alle, in der Presse gab es empörte Stimmen. Und Raab musste sich erklären: Er habe nicht die Opfer der RAF diffamieren wollen, sondern lediglich die Knebelverträge von RTL kritisiert, sagte der Moderator am Freitag. Doch wahrscheinlich wird Raab seinen kleinen Ausflug ins humoristische Fach ohnehin bald beenden. Und dann können diejenigen, die sich in der vergangenen Woche empört haben, wieder ordentlich lachen. (mst)

Prolls in der Provinz

Die Unterschicht. Im vergangenen Herbst veröffentlichte die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie mit dem Namen »Gesellschaft im Reformprozess«. Die Sozialforscher attestierten, dass in Deutschland ein »abgehängtes Prekariat« existiere. Und schon wurde rege debattiert über diese Unterschicht: Was sind das für Menschen? Wo kommen sie her? Was tun sie? Und vor allem: Wie wird man sie wieder los? Das Heidelberger Institut Sinus Sociovision hat erkannt, dass ein erheblicher Informationsbedarf besteht, und hat dieser Tage ebenfalls eine Studie veröffentlicht, die vor allem die politischen und moralischen Vorstellungen und die Lebensgewohnheiten dieser Schicht zum Gegenstand hat. Doch irgendwie scheint es, als kenne man einen Großteil der in der Studie aufgedeckten Tatsachen: Die Unterschicht frönt Freizeitbeschäftigungen wie Computerspielen und Videoschauen, legt Wert auf sonnengebräunte Haut und einen im Bodybuildingstudio gestählten Körper und glaubt nicht, gesellschaftlich aufsteigen zu können, weswegen sie sich gehen lässt, gern säuft und feiert. Und weil die Abgehängten so disziplinlos und leistungsunwillig sind, mag sie niemand, und auch die Parteien sehen in ihnen keine Klientel. Interessantes offenbart die Studie dennoch. Demnach lebt die Unterschicht nicht mehrheitlich in Großstädten, sondern verteilt sich stark auf die Provinz. Und ein nicht unerheblicher Teil des Milieus würde Gewalt anwenden, um einen Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand zu erhalten. Es drohen also vielleicht bald Riots in Mecklenburg-Vorpommern. Wie sie aussehen könnten, weiß man allerdings auch schon. (mst)

Der Feudel kehrt zurück

Fashion Crime. Dem aufmerksamen Beobachter ist es sicher nicht entgangen: Das so genannte Palästinensertuch ist zurzeit wieder sehr en vogue. Zur Designerbrille tragen von Kopf bis Fuß durchgestylte junge Menschen den Stoff gern, den man unter politischen Gesichtspunkten durchaus als »Halswickel für Judenhasser« oder »Antisemitenschal« schmähen kann. Doch glaubt man einem Bericht im Berliner Stadtmagazin Zitty, hat das Tuch seine politische Bedeutung verloren. Die in dem Artikel befragten Konsumenten und Modedesignerinnen sehen in dem auch als »Pali-Feudel« bekannten Kleidungsstück lediglich ein modisches Accessoire. Sei’s drum. Warum man sich das Tuch bei einer Temperatur von 25 Grad um den Hals bindet, entzieht sich aber dennoch jedem Ver­ständ­nis. (mst)

Zahme Freibeuter

Die Piratenpartei. Der Name klingt ja eigentlich wie der einer typischen Spaßpartei. Doch anders als den letztlich doch kaum lustigen Grüppchen wie der APPD oder der »Partei« geht es der Piratenpartei tatsächlich um die Politik. In Hessen möchte sie 2008 einer Pressemitteilung zufolge an den Landtagswahlen teilnehmen. Sie spricht sich gegen die »Unterwanderungen der Bürgerrechte durch den Staat in Form von Massendatenspeicherung, Rasterfahndungen, Erhebung von biometrischen Daten und Online-Durchsuchungen« aus. Und da sie weiß, wo ihre mögliche Klientel zu finden sein dürfte, lehnt sie Studiengebühren ab. Das klingt so, als sei die Piratenpartei eine Bürgerrechtspartei für die Laptop-Generation. Von gesetzlosen Freibeutern hätte man doch einen schärferen Ton erwartet. In diesem Sinn: Downloads für alle, sonst gibt’s Kra­walle! (mst)