Elementarparteichen

Gleich in sechs Teile hat sich die Berliner Wasg gespalten. Die Überzeugung jeder Fraktion, das Richtige zu tun, erhöht ihre Bedeutung nicht. von daniel steinmaier

Wenn sich in Monty Python’s »Leben des Brian« die judäische Volksfront mit der Volksfront von Judäa bekriegt, mag einem das ganz lustig erscheinen. Jedoch ist die Realität manchmal weitaus bizarrer als jede Satire. Die Berliner Wasg, die nicht mit der PDS fusio­nieren wollte, hat sich gleich in sechs Fraktionen gespalten.

Denn während sich Mitglieder der Wasg und der PDS vielerorts von der Fusion zur Partei »Die Linke« eine starke Opposition links der SPD erhoffen, stieß der geplante Zusammenschluss auf Bundes­ebene bei der Mehrheit der Mitglieder des Berliner Landesverbands der Wasg auf vehementen Widerstand. Schließlich würde man dadurch in die paradoxe Lage geraten, plötzlich der Berliner Regierungskoalition aus SPD und PDS anzugehören, gegen deren »neoliberale« Politik man doch als Fundamentalopposition angetreten war.

Obwohl die Vereinigung der Wasg und der PDS bereits so gut wie beschlossen war, trat die Berliner Wasg bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhauses im September gegen den rot-roten Senat an. Mit ihrer trotzkistischen Spitzenkandidatin Lucy Redler kam sie lediglich auf 2,9 Prozent der Stimmen und konnte nicht in das Abgeordnetenhaus einziehen. Dabei hatte man mit dem albernen Wahlslogan »Die Wut wächst« nach Kräften versucht, den Volkszorn für seine Zwecke zu nutzen.

Angesichts des miserablen Ergebnisses schien eine Minderheit des Berliner Landesverbandes hinter dem Rücken ihres Vorstands doch die Fusion mit der Berliner PDS anzustreben, um nicht bedeutungslos zu werden. Auf Initiative des Bundesvorstands bauten einige Mitglieder der Berliner Wasg bereits Parallelstrukturen zum Landesverband auf, um die Vereinigung mit der PDS vorzubereiten. Der Landesvorstand der Wasg warf den abtrünnigen Fu­sions­befürwortern sowie ihrem Bundesvorstand daraufhin vor, die demokratisch gewählten Gremien zu ignorieren und den Landesverband zu spalten.

Am 29. April trafen sich ihrerseits circa 80 Fusionsgegner aus der Berliner Wasg im Bürgersaal eines Kreuzberger Seniorenheims, um dort über eine Nachfolgeorganisation für ihren Landesverband zu diskutieren. Dazu hatte der noch amtierende Landesvorstand zwei verschiedene Programmentwürfe formuliert und den Entscheidungen ein Zwei-Drittel-Quorum auferlegt, um weitere Spaltungen zu verhindern. Offenbar ohne Erfolg. Selbst unter den Fusionsgegnern streiten sich mittlerweile fünf Frak­tionen um das Erbe einer Partei, die, wie gesagt, auch vereint nur 2,9 Prozent der Wählerstimmen erhielt.

Eine der Fraktionen, die beansprucht, als legitime Erbin der Wasg aus der Versammlung hervorgegangen zu sein, ist die um Lucy Redler und Michael Prütz gegründete Berliner Alternative für Arbeit, Solidarität und Gegenwehr (Basg). Sie versteht sich weiterhin als linke Opposition zum rot-roten Senat und als Interessenvertretung aller Opfer des Sozialabbaus, will aber vorerst nur eine »Re­gional­or­ga­nisation« sein und hat sich, im Gegensatz zur alten Wasg, die Überwindung des Kapitalismus ins Programm geschrieben. Als würde sich die Frage stellen, schließt die Basg Regierungsbeteiligungen kategorisch aus.

Das alles geht einigen ehemaligen Wasg-Mitgliedern um den noch amtierenden Sprecher des Landesverbandes, Gerhard Sey­farth, zu weit. »Die Basg ist explizit marxistisch orientiert und weicht damit vom Grundgedanken der Wasg ab«, sagt er im Gespräch mit der Jungle World. »Die Wasg hat sich stets als breite Sammelbewegung ohne marxistische Positionierung verstanden.« Deshalb spricht sich Seyfarth für eine »anti-neoliberale« Sammelbewegung aus, deren Spektrum sich von Sozialisten bis zu sozial orientierten Christen erstrecken soll. Einen Namen hat seine Fraktion noch nicht, da, wie Seyfarth betont, »der Prozess der Neugründung der Wasg noch nicht abgeschlossen ist«.

An Redler, Prütz und ihren Mitstreitern kritisiert Seyfarth neben der marxistischen Überzeugung die Organisationsform als Verein. Denn so könnten ihr auch Mitglieder der Fusionspartei »Die Linke« beitreten. Die Basg verstehe sich sogar als Sammelbecken der linken Kräfte aus der ehemaligen PDS. Deshalb mutmaßt Seyfarth, dass die Gruppierung »in Zukunft nur dazu dienen wird, all denen, die doch noch in der Partei ›Die Linke‹ mitmischen wollen, ein linkes Gewissen zu verschaffen«.

Weil die Unterschiede zwischen den anti-neoliberalen und den antikapitalistischen Programm­­ Einheit seien, man sich aber dennoch zu gemeinsamen konkreten Projekten durchringen solle, drängt wiederum das Netzwerk linke Opposition (NLO) darauf, zugunsten eines losen Bündnisses ganz auf einen Partei- oder Organisationsstatus zu verzichten. Doch da die Pläne des NLO bei den traditionell eher organisationsfixierten Genossen auf Ableh­nung stießen, gibt es nun statt eines vereinenden Netzwerks eine weitere Partikelfraktion.

Ein weiteres Grüppchen, die Wahlalternative Soziales Berlin (WAS-B), richtet sich vor allem gegen den Regionalismus der Basg. Sie will bun­despolitisch tätig sein. So lassen sich hinterm Bindestrich der Kleinstfraktion alle weiteren Großstädte der Republik mühelos anschließen. Denkbar wäre etwa eine WAS-H in Han­nover oder eine WAS-M für Magdeburg. Vielleicht gar eine WAS-Mü für München, falls das »M« schon vergeben sein sollte. Nach Angaben der taz plant die WAS-B im Juli 2008 einen Gründungs­parteitag auf Bundesebene.

Das Erbe der Wasg tritt schließlich auch noch die Sozialistische Alternative Gerechtigkeit (SAG) an, die keinesfalls mit der trotzkistischen Sozialistischen Alternative Voran (SAV) verwechselt werden will. »Die SAV hat die Berliner Wasg dominiert, aber sich dann nicht darum gekümmert, wie es nach der Fusion auf Bundesebene weitergeht, und hat jetzt nur einen Verein gegründet«, sagte das SAG-Gründungsmitglied Peter Heimann der Jungle World. Sei­ne Gruppierung betrachte sich dagegen als »echte Partei in der unmittelbaren Nachfolge der Wasg«. Für die »dezidiert marxistische Ausrichtung der Basg« sehe man zudem »derzeit kein Wählerpotenzial«. Deshalb sei es die effektivste Strategie, mit dem Programm der alten Wasg weiterzuarbeiten.

So ist jedes der Fraktiönchen davon überzeugt, das größte Sammelbecken oder agilste Netzwerk zu bilden und über die effektivste Strategie für eine linke Opposition zu verfügen. Ihre Namen und Abkürzungen darf man wegen ihrer politischen Bedeutungslosigkeit wohl getrost wieder vergessen. Aber Achtung: Die WAS-B, die SAG und die »Anti-Neoliberalen« um Seyfarth verhandeln bereits über einen Zusammenschluss. Bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus könnten da locker 1,5 Prozent drin sein.