Bisou, Madame!

Deutsch-französische Beziehungen von paul urban

Die Tage, da ein Dichter wie Heinrich von Kleist forderte, »die Franzosen, wo sie angetroffen werden, zu erschlagen«, wie er es in seinem »Katechismus der Deutschen« im Jahr 1809 tat, sind passé. Das Verhältnis der beiden Nationen war in der jüngeren Vergangenheit meist gut, vor allem dann, wenn diesseits und jenseits des Rheins Politiker unterschiedlicher Richtungen das Sagen hatten. Etwa im Jahr 1984, als der Christdemokrat Helmut Kohl und der Sozialist François Mitterrand Hand in Hand auf dem Soldatenfriedhof in Verdun Versöhnung feierten. Oder während der Amtszeit des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der zusammen mit dem konservativen Präsidenten Jacques Chirac die Résistance gegen den Irak-Krieg organisierte.

Wie wird sich das Verhältnis entwickeln, da der konservative Nicolas Sarkozy auf die konservative Angela Merkel trifft? Bei ihrer Begegnung in Berlin beschworen beide in der vorigen Woche die deutsch-französische Freundschaft, Sarkozy nannte sie sogar »heilig«, und das, obwohl er im Wahlkampf geschrieben hatte, dass das Verhältnis »als Motor für das heutige Europa nicht mehr kräftig genug« sei.

Sarkozy und Merkel legten erst einmal einen höheren Gang dieses »Motors« ein, etwa in der Frage des europäischen Verfassungsvertrags. Im Jahr 2005 haben die Franzosen diesen in einem Referendum abgelehnt. Sarkozy will nun zusammen mit Merkel, der derzeitigen EU-Ratspräsidentin, einen neuen Vertrag durchsetzen. Dieser soll ein Minivertrag sein, sodass Sarkozy kein Referendum braucht und ihn nur der Nationalversammlung vorlegen muss. Mal sehen, ob die Franzosen auf diese Finte hereinfallen.

In vielen außenpolitischen Fragen besteht ein großes Einverständnis zwischen Merkel und dem »Bulldozer«, wie die FAZ Sarkozy nennt. Beide wollen als »Atlantiker« das Verhältnis zu den USA verbessern, das sich unter Chirac und Schröder extrem verschlechtert hatte. Beide sind gegen einen Beitritt der Türkei zur EU. Innenpolitisch verfechten sie den Rückbau des Sozialstaats. Vielen deutschen Zeitungen war zuletzt die Freude darüber abzulesen, dass die 35-Stunden-Woche im widerspenstigen Nachbarland möglicherweise abgeschafft wird.

Vielleicht könnte diese Häme aber auch bald einem Staunen weichen. Denn Sarkozys Verhältnis zu Europa ist ein instrumentelles. Während der Debatte über die EU-Verfassung, die er befürwortete, sagte er: »Wir benötigen Europa, um Frankreich zu verändern.« Er ist zunächst Franzose, dann erst Europäer. Leichte Bedenken gegen Sarkozy lassen sich heraushören, wenn etwa die FAZ schreibt, die Auswirkungen des »Energieschubs«, der von ihm ausgehe, »werden in ganz Europa zu spüren sein«.

Weil Merkel am Ende vorrangig die Interessen des deutschen Establishments durchsetzen will, könnte es spätestens dann wieder zu Konflikten kommen, wenn es um die Wirtschaftspolitik geht, etwa um die Frage, wo bei Airbus die Stellen abgebaut werden sollen: in Hamburg oder in Toulouse. 10 000 Arbeitsplätze will der Konzern in Europa abwickeln. Sarkozy lehnt den Sparplan »Power 8« jedoch ab, er will, dass das Aktionärsverhältnis beim Mutterkonzern EADS, das einen Ausgleich zwischen den Großaktionären Frankreich und Deutschland vorsieht, »neu verhandelt wird«. Er erwägt sogar einen Ausstieg der Franzosen aus EADS und eine Kapitalerhöhung bei Airbus.

Anfang Juli wollen er und Merkel sich in Toulouse treffen, um die Sache zu besprechen. Das klingt nicht nach einem Rendezvous. Die deutsch-französische Küsschen-Politik könnte dann wieder einem distanzierterem Umgang weichen.