Die Rechten werden hoffähig

Die rechtsextreme Serbische Radikale Partei ist zwar nicht an der Regierung beteiligt, die Partei des Minister­präsidenten Kostunica hat sich ihr aber programmatisch angenähert. von boris kanzleiter, belgrad

Der Sieg der Serbin Marija Serifovic beim Euro­vision Song Contest ist nur ein schwacher Trost für die, denen die zunehmende Hof­fähigkeit der rechtsextremen Serbischen Radikalen Partei (SRS) Sorgen bereitet. Aber immerhin zeigt der Triumph der bekennenden Lesbe aus einer mus­limischen Roma-Familie, dass es auch ein anderes Serbien gibt.

Erst im letzten Augenblick gelang in der vorigen Woche, was in den Tagen zuvor immer unwahrschein­licher erschienen war. Punkt Mitternacht von Dienstag auf Mittwoch lief die Frist für die Konstitution einer neuen serbischen Regierung ab. Um halb zwölf stimmte die Mehrheit der Abgeordneten einer Koalition des »demokratischen Blocks« zu. Die Rechtsex­tremisten der SRS bleiben damit vorerst in der Opposition.

Es war die komplizierteste Regierungsbildung seit der Einführung eines Mehrparteiensystems am Beginn der neunziger Jahre. Die Wahlen am 22. Januar hatten kein eindeutiges Ergebnis gebracht. Die Parteien aus der früheren Anti-Milosevic-Allianz erhielten zusammen zwar deutlich über 50 Prozent. Eigentlicher Wahlsieger war allerdings die SRS, die mit über 28 Prozent zur stärks­ten Partei avancierte.

Ungewissheit herrschte vor allem, weil die national-konservative Demokratische Partei Serbiens (DSS) zum Zünglein an der Waage wurde. Die Partei von Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica hatte sich in den vergangenen Monaten programmatisch deutlich der SRS angenähert. Im Wahlkampf zog der Mann, der im Oktober 2000 Milosevic gestürzt hatte, mit seiner nationalistischen Rhetorik zeitweise sogar rechts an den Radikalen vorbei.

Zu einer dramatischen Zuspitzung im Konflikt um die Regierungsbildung war es in der vergangenen Woche gekommen. Die Abgeordneten von Kostunicas Partei begingen den Tabubruch und stimmten bei der Wahl des Parlamentspräsidenten tatsächlich für Tomislav Nikolic von den Radikalen. Scharfe internationale Reaktionen waren die Folge. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sprach von »beunruhigenden Zeichen«.

Nikolic reagierte prompt. Der neu gewählte Parla­mentssprecher erklärte, für Serbien sei es angesichts der Drohungen aus dem Westen besser, eine »russische Provinz« zu werden als eine »Kolonie der EU«. Außerdem brachte er die Pro­klamierung des »Ausnahmezustandes« ins Gespräch. Dragoljub Micunovic, ein führender Politiker der liberalen Demokratischen Partei (DS) warnte daraufhin vor der Errichtung einer »Diktatur«.

Mittlerweile wurde deutlich, dass Kostunica die Radikalen lediglich benutzte, um sich bei den verfahrenen Koalitionsverhandlungen in eine bessere Position zu bringen. Nur fünf Tage nach seiner Wahl wurde Nicolic von der DSS zum Rücktritt gezwungen. Das Manöver war erfolgreich: Obwohl die DSS bei den Wahlen weniger Stimmen erhalten hat als die DS, bleibt Kostunica Ministerpräsident. Außerdem sicherte sich die DSS gegen den erklärten Widerstand des EU-Sicherheitskoordinators Javier Solana den Posten des Innenministers. Damit kontrolliert Kostunica neben dem mächtigen Inlandsgeheim­dienst BIA auch die kampf­erprobten Spezial­einheiten der Polizei, die im Falle einer Unabhängigkeitserklärung des Kosovo zum Einsatz kommen könnten.

Kritische Intellektuelle reagierten geschockt auf die Ereignisse. Die Soziologieprofessorin Zagorka Golubovic, ein ehemaliges Mitglied der linksmarxistischen Praxis-Gruppe, wirft Kos­tu­nica vor, der SRS einen künftigen Weg an die Macht erleichtert zu haben. Aber auch von der neuen Koalition aus DSS, DS und der neolibera­len G17 sei nichts Positives zu erwarten, erklär­te der frühere linksradikale Regimekritiker und heutige Publizist Dragomir Olujic. »Kostunica wird für Patriotismus, Kirche, Kosovo und den Geheimdienst zuständig sein. Die jungen Neoliberalen von DS und G17 werden gleichzeitig für Privatisierungen, Weltmarktintegration und Korruption sorgen«, befürchtet er.