Genug der Ehr’

Vors Reichstagsgebäude oder in den Bendlerblock, lautet die Frage. Die Notwendigkeit eines zentralen Ehrenmals für getötete Bundeswehrsoldaten bezweifelt im Bundestag niemand. von peer heinelt

Es ist eine Debatte wie aus einem Lehrbuch für Mediatoren, PR-Berater oder Konfliktmanager. Sie dreht sich nicht um die Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben tatsächlich in die Tat umgesetzt werden soll, sondern lediglich um die Modalitäten der Realisierung. Die Rede ist von der Diskussion über ein Ehrenmal für die rund 2 600 deutschen Soldaten, die seit der Gründung der Bundeswehr in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen sind.

»Es wird sicher Leute geben, die überhaupt die Idee eines solchen Denkmals für falsch halten, aber es wird viele andere geben, die sagen, das ist nicht schlecht, da sind Menschen gestorben bei Einsätzen, die sie im Auftrage des deutschen Parlaments, im Interesse Deutschlands und für humanitäre Anliegen getan haben«, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Thierse (SPD), kürzlich im »Deutschlandradio Kultur«. Will sagen: Es gibt zwar in Deutschland auch Antimilitaristen, aber die stellen eine Quantité négligeable dar; im Grunde genommen sind wir uns alle einig: Ein zentrales Bundeswehr-Ehrenmal muss her.

In der Tat sind zumindest die Reihen der deutschen Parlamentarier in dieser Frage fest geschlossen; selbst die sich ansonsten gerne pazifistisch gebende Linkspartei macht hier keine Ausnahme. Deren Bundestagsabgeordnete Inge Höger beklagte lediglich die »schmallippige« Informationspolitik des Verteidigungsministeriums und bemängelte die fehlende »inhaltliche Transparenz« bei der Entscheidung über das Ehrenmal. Ihrer Genossin Petra Pau ist nicht klar, was es denn nun »genau« ausdrücken soll. Dient das Ehrenmal nur dem Gedenken an die bei Auslandseinsätzen getöteten Bundeswehrangehörigen, oder werden auch die Opfer aus den Reihen des Technischen Hilfswerks und der Polizei gewürdigt? Wie steht es um diejenigen Soldaten, die sich während ihrer Dienstzeit oder danach – vielleicht in Folge erlittener Traumata – das Leben nahmen? Werden die Namen der Toten eingraviert oder, wie derzeit angeregt wird, mittels »elektronischer Technik« auf eine Gedenktafel projiziert, so dass kein Platz für zukünftige Opfer freigehalten werden muss? Fragen über Fragen.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, warf dem Verteidigungsminister »Geheimniskrämerei« vor, da sein Haus sich alle Entscheidungen in der Frage des Ehrenmals vorbehalte. Im »Deutschlandfunk« hieß es sogar, Franz Jung behandle eine »Angelegenheit von großer Tragweite« wie eine »Privatsache«.

Dass Parlamentarier immer sauer reagieren, wenn sie sich übergangen fühlen, hätte Jung klar sein müssen. Als durch einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung publik wurde, dass das Ehrenmal nach einem Entwurf des Münchener Architekten und Fachhochschulprofessors Andreas Meck gestaltet und im Innenhof des Verteidigungsministeriums, im so genannten Bendlerblock, aufgestellt werden soll, war alles zu spät. Das müsse »der Bundestag oder die Regierung als Ganze« entscheiden, polterte Thierse; Kuhn sprach gar von der »Missachtung« des Parlaments.

Insbesondere die Frage nach dem Standort des Ehrenmals erhitzt zurzeit die Gemüter. So äußerte der grüne Politiker Alexander Bonde, Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestags, sein Unverständnis darüber, dass Jung das Ehrenmal unbedingt »im Hintergarten seines Ministeriums« sehen wolle; auch der Generalsekretär der FDP, Dirk Niebel, will nicht, dass es »versteckt im Bendlerblock« steht. Mit den Worten »Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Daher muss das Denkmal seinen Platz am Reichstagsgebäude finden«, brachte der SPD-Politiker Johannes Kahrs die Kritik auf den Punkt. Ihm haben sich mittlerweile sogar mehrere Bundestagsabgeordnete aus den Reihen der CDU angeschlossen.

Wolfgang Thierse wiederum steht Jung zumindest in dieser Frage bei. Der Bendlerblock sei für die Aufstellung des Ehrenmals besonders geeignet, weil hier alljährlich am 20. Juli der Attentäter Adolf Hitlers, jenes »guten Teils« der deutschen Wehrmacht, gedacht werde, sagte er dem »Deutschlandfunk«. Dass die Verschwörer um Claus Graf Schenk von Stauffenberg dem Nationalsozialismus keineswegs abhold und – bis sich die endgültige Niederlage abzeichnete – an so ziemlich allen Verbrechen des »Dritten Reichs« beteiligt waren, unterschlägt Thierse wohlweislich.

Der Bendlerblock erscheint ihm aber auch noch aus einem anderen Grund als sinnvoller Standort für das Bundeswehr-Ehrenmal: In der Nähe des Reichstags befinde sich bereits das Holocaust-Mahnmal, und andere Denkmäler, etwa für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma und Homosexuellen, seien in Planung, weshalb die Einrichtung eines weiteren Gedenkorts in dieser Gegend einer »Denkmalsinflation« Vorschub leisten würde.

Davor kann nun wirklich nicht eindringlich genug gewarnt werden, unterhält die Bundeswehr doch für jeden Teil der Streitkraft bereits ein eigenes Ehrenmal. Auf dem Gelände der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz, nahe dem Heeresführungskommando, befindet sich seit dem Jahr 1972 das »Ehrenmal des Heeres«. Es stellt die liegende Gestalt eines jungen Soldaten mit Stahlhelm dar und trägt die Inschrift: »Den Toten des Heeres.« Darüber prangt ein Eisernes Kreuz. Wie das Kuratorium des Ehrenmals mitteilt, soll damit an »alle Toten des Heeres, auch an die im Dienst und Einsatz zu Tode gekommenen Angehörigen der Bundeswehr« erinnert werden.

Im bayerischen Fürstenfeldbruck steht das »Ehrenmal der Luftwaffe«. 1962 vom ersten Inspekteur der Bundesluftwaffe, dem vormaligen NS-General Josef Kammhuber, eingeweiht, erinnert es seither mit Eisernem Kreuz und Lorbeerkranz nicht nur an alle »Toten der Luftwaffe«, sondern auch an die der »Luftfahrt« allgemein – ein frühes Beispiel zivil-militärischen Gedenkens.

In diesem Sinne vorbildlich ist auch das »Ehrenmal der Marine« in Laboe, unweit von Kiel. Es wurde am 30. Mai 1936, dem 20. Jahrestag der Seeschlacht im Skagerrak, von Adolf Hitler eingeweiht. Die ursprüngliche Inschrift lautete: »Für deutsche Seemannsehr, für Deutschlands schwimmende Wehr, für beider Wiederkehr.« Heute dient es nach Aussage des »Deutschen Marinebunds« als »Gedenkstätte für die Deutsche Marine und die Zivile Schifffahrt«.

Wie unschwer zu erkennen ist, bedarf es dank der Schaffenskraft früherer Generationen nun wirklich keines Ehrenmals mehr für die Bundeswehr; auch die zivilen Helfer des Militärs wurden bereits in aller Form gewürdigt. In den heutigen Operationsgebieten der Bundeswehr wie Afghanistan, Kosovo und Bosnien haben die Soldaten ihren getöteten Kameraden bereits in eigener Regie Denkmäler gesetzt.