Keine Dollars für die Generäle

Die US-Regierung hat neue Sanktionen gegen den Sudan verhängt. Deren Wirksamkeit ist fraglich, zumal das Regime in Khartum weiterhin von China unterstützt wird. von thomas schmidinger

Warnend hielt John Ukec Lueth Ukec, der sudanesische Botschafter in den USA, am Ende der Pressekonferenz eine Colaflasche hoch: »Ich möchte, dass Sie Folgendes wissen: 80 Prozent des gesamten Gummiarabikums stammen aus meinem Land.« Gummiarabikum wird von der Lebensmittelindustrie verwendet, und John Ukec Lueth Ukec wollte der Öffentlichkeit demonstrieren, dass die Versorgung mit Soft-Drinks gefährdet sein könnte, wenn die Sanktionen gegen den Sudan verschärft werden.

Die Pressekonferenz in Washington war eine Reaktion auf die Strafmaßnahmen, die Präsident ­George W. Bush am Dienstag der vergangenen Woche verhängt hatte. In Zukunft dürfen 30 Unternehmen, die der sudanesischen Regierung gehören oder von ihr kontrolliert werden, sowie eine Firma, die verdächtigt wird, Waffen nach Darfur zu liefern, ihre Transaktionen nicht mehr in US-Dollar abwickeln. Die Sanktionen gegen 100 weitere Unternehmen werden verschärft und Geschäfte mit drei Einzelpersonen untersagt. Neben Ahmed Ibn Auf, dem Chef des sudanesischen Militärgeheimdienstes, und dem ehemaligen Innenstaatssekretär Ahmed Mohamed Haroun ist auch ein Guerillaführer betroffen: Khalil Ibrahim, der Gründer der Jem (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit), der sich weigerte, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen.

Bush hatte im April auf die Verhängung weiterer Sanktionen verzichtet, um UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Zeit für eine diplomatische Lösung des Konflikts zu geben. Nachdem die Bemühungen der Uno keinerlei Ergebnisse gebracht hatten, haben die USA nun Maßnahmen beschlossen. Deren Wirksamkeit ist jedoch fraglich. Die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak und Serbien haben die Regierungen dieser Staaten nicht dazu gebracht, ihre Politik zu ändern, und sie wurden in großem Maßstab durch kriminelle Geschäfte umgangen.

Unklar ist auch, wie die US-Regierung verhindern will, dass sudanesische Firmen sich des Dollars bedienen. So begrüßte die Save Darfur Coalition, ein Zusammenschluss von Menschenrechtsorganisationen und religiösen Gruppen, die Entscheidung ­Bushs. David C. Rubenstein, der Sprecher der Koali­tion, fordert jedoch: »Das Finanzministerium muss die notwenigen Mittel aufbringen, um alle finanziellen Transaktionen, die unter die Sanktionen fallen, ausfindig zu machen und zu stoppen. Die US-Regierung sollte einen aktiven Part bei der Aufklärung und Durchsetzung dieser Maßnahmen spielen.«

Allzu große Sorgen müssen sich die den Sudan regierenden islamistischen Generäle wohl nicht machen. In der Ölwirtschaft tätige Unternehmen sind zwar von den Sanktionen betroffen, doch China, das etwa zwei Drittel des sudanesischen Öls kauft, wird, wenn nötig, auch in Euro oder Renmimbi zahlen. Und nicht nur die chinesische Regierung teilt die Ansicht des sudanesischen Regimes, die Strafmaßnahmen der USA seien unfair und zeitlich unpassend, da man, wie ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, derzeit »aktiv über Frieden in Darfur« und eine Friedenstruppe für die Region diskutiere.

Amr Musa, der Generalsekretär der Arabischen Liga, erklärte, Sanktionen würden nur die Spannungen erhöhen und nicht zu einer Lösung der komplizierten Probleme in Darfur füh­ren. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der bereits im April eine Verschiebung von Sanktionen hatte erreichen können, bat erneut um Zeit für Verhandlungen. Am Donnerstag der vergangenen Woche ernannte Moon schließlich den südsudanesischen ehe­maligen Diplomaten Francis Deng zum Nachfolger des Argentiniers Juan Mendez als Sonderberater für die Verhinderung von Völkermord.

Die Ernennung Dengs, derzeit Direktor des Sudan Peace Support Project beim United States Institute of Peace, könnte einerseits ein Zeichen dafür sein, dass die Uno unter dem Druck der USA die Situation in Darfur ernster zu nehmen beginnt. Andererseits ist es fraglich, wie viel Deng überhaupt zu sagen haben wird und ob für den Südsudanesen bei einer Abwägung nicht der Erhalt des Friedens im Südsudan Vorrang vor entschiedenen Maßnahmen gegen die genozidalen Verfolgungen in Darfur haben wird.

Der Konflikt in Darfur kostete seit 2003 über 200 000 Menschen das Leben, mehr als 2,5 Millionen wurden zur Flucht gezwungen. Es gibt jedoch noch andere bewaffnete Machtkämpfe im Sudan, und ein Friedensprozess in Darfur, der die Guerillagruppen in die politischen Institutionen integrieren müsste, könnte die mit anderen bewaffneten Oppositionellen ausgehandelten Vereinbarungen gefährden.

Am Mittwoch der vergangenen Woche wurden drei ehemalige Untergrundkämpfer der Eastern Front, eines Zusammenschlusses von Guerilla­grup­pen im Ostsudan, zu Regierungsberatern ernannt. Einem Friedensvertrag mit der Regierung folgend, werden nach Angaben der Eastern Front in Asmara derzeit die Kämpfer der Guerilla im Osten demobilisiert. Im Südsudan hält der Friedensvertrag mit der SPLA bislang, doch es gibt interne Konflikte, die sich zuletzt im Dezember 2006 zu bewaffneten Kämpfen um die Stadt Malakal ausweiteten. In East Equatoria kam es Anfang Mai zu einem Massaker an 53 Zivilisten durch Stammesmilizen.

Neue bewaffnete Konflikte bahnen sich nun auch im Norden des Landes an. Nach der ersten Flutung von Teilen des neu gebauten Merowe-Damms im Norden des Sudan im August 2006 und der Flucht der lokalen Bevölkerung vor den Wassermassen gründeten lokale Gruppen die bewaffnete Amri Martyrs Front. Sie soll die Bevölkerung vor Übergriffen durch die Milizen der Dammbauer und die Sicherheitskräfte schützen.

Der Konflikt in Darfur ist jedoch nicht nur der gewaltätigste, er könnte sich auch auf andere Staaten ausweiten. Grenzüberschreitende Guerilla-Aktivitäten und Überfälle der Milizen der Janjawid, die der Regierung nahe stehen, führten bereits zu Gefechten zwischen Soldaten des Tschad und des Sudan. Die Flüchtlingsströme erreichen nun auch die Zentralafrikanische Republik, seit Ende Mai sind nach Angaben des dortigen UNHCR-Repräsentanten Bruno Geddo mindestens 3 000 Flüchtlinge aus Süddarfur eingetroffen.

Unter anderem wegen der Gefahr einer regionalen Eskalation befürworten manche Politiker ein militärisches Eingreifen, falls sich das sudanesische Regime weiterhin nicht von Sanktionen beeindrucken lässt. Frankreichs neuer Außenminister Bernard Kouchner brachte vergangene Woche am Rande des EU-Asien-Gipfels in Hamburg die »Sicherung eines humanitären Korridors aus dem Tschad« nach Darfur ins Gespräch. Kouchners Vorschlag für eine »von den UN mandatierte Truppe mit europäischer Komponente« würde unter Umständen auch den Einsatz der Bundeswehr einschließen.