An allen Fronten

Die Eta hat offiziell das Ende der Waffenruhe verkündet. Während die sozialdemokratische Regierung zur Einheit im Kampf gegen die bewaffneten Basken aufruft, wirft ihr die konservative Opposition Nachgiebigkeit vor. von gaston kirsche

Die Erklärung war seit langem erwartet worden. Am Montag der vergangenen Woche erschien sie dann auf den Internetseiten der baskischsprachigen Tageszeitungen Berria und Gara, die beide schon vor der Schließung durch die spanische Justiz standen: »Die Eta, revolutionär-sozialistische Organisation zur nationalen baskischen Befreiung, möchte den baskischen Bürgern das Fol­gende verkünden (…) Auf die von der Eta angebotene permanente Einstellung der bewaffneten Aktivitäten hat die spanische Regierung mit Festnahmen, Folter und Verfolgung jeglicher Art geantwortet.«

Diese Vorwürfe erhebt die Eta bereits seit Sommer 2006, als die inoffiziellen, geheimen Gespräche zwischen der spanischen Regierung des sozialdemokratischen Psoe und der Eta zu keiner Annäherung führten. Die von der spanisch-nationalen, konservativen Oppositionspartei PP beherrschte Justiz beeinträchtigte mit drakonischen Urteilen gegen Etarras, Mitglieder der Eta, jede Annäherung. Der ebenfalls vom PP kontrollierte Polizeiapparat verhaftete während der Waffenruhe 92 vermeintliche Etarras.

Am 30. Dezember zündete die Eta mitten in der Waffenruhe eine tonnenschwere Autobombe, die das neu eröffnete Parkhaus T-4 des Madrider Flughafens Barajas komplett zum Einsturz brachte und zwei Arbeitsmigranten aus Ecuador tötete, die in ihrem Auto schliefen und bei der Räumung von der Polizei übersehen wurden. Die Eta bedauerte in ihrer Erklärung zu diesem Anschlag zwar die beiden Toten, gab die Schuld aber der Polizei, die ja eine Bombenwarnung erhalten habe. Die sozialdemokratische Regierung erklärte, wegen der Rückkehr zur Gewalt gebe es keine Basis mehr für einen Dialog. Vor weiteren Gesprächen müsse die Eta glaubwürdig »die Gewalt beenden«.

Mehrere Monate lang passierte wenig, gelegentlich wurden Drohbriefe der Eta, in denen eine »Revolutionssteuer« eingefordert wurde, an baskische Kapitalisten bekannt. Etarras wurden inhaftiert oder verurteilt. Die nun verkündete Rückkehr zur Gewalt kommentierte Iñigo Urkullu von dem in der Autonomen Region Baskenland regierenden PNV (Baskisch-Nationale Partei): »Dies ist eine vorhergesagte Beleidigung der baskischen Gesellschaft, mit den vorherigen Erklärungen der Eta und den Interviews in gewissen Medien, in denen sie die Rückkehr zum bewaffneten Kampf gerechtfertigt hat.«

Der PNV regiert im Baskenland seit der Einführung der begrenzten Autonomie vor 26 Jahren, er konkurriert mit der Eta um das bessere Konzept zur Gründung einer baskischen Nation und erhebt ebenso wie diese den Anspruch, für die baskische Gesellschaft sprechen zu können. Die Eta bezeichnet den PNV in ihrer Erklärung als »spanienhörig« und geldgierig, sich selbst sieht die Guerillaorganisation als wahre Vertretung der baskischen Interessen: »Letztlich hat die Eta entschieden, die permanente Waffenruhe aufzuheben und an allen Fronten zu handeln für die Verteidigung des Baskenlandes ab 0:00 Uhr des 6. Juni 2007.« In den spanischen Über­setzungen fehlen die Abschlussparolen des baskischsprachigen Originals: »Es lebe das freie Baskenland! Es lebe das sozialistische Baskenland! Für die Unabhängigkeit und den Sozialismus!«

Der spanische Ministerpräsident José Luis Zapatero betonte zwei Stunden nach Beendigung der Waffen­ruhe die Stärke des Staats: »Die Eta täuscht sich erneut. Die Antwort auf diesen erneuten Irrtum wird eine allgemeine Verteidigung der Werte und der demokratischen Ins­titutionen sein, mit der strikten Anwendung rechtsstaatlicher Normen sowie der Effizienz der Kräfte der Sicherheitsorgane, in internationaler Zusammen­arbeit.«

Zapatero rief außerdem zur »Einheit gegen den Terror« auf: »Ich habe die Hoffung, dass alle politischen Parteien die Regierung nach der Ankündigung der Eta jetzt unterstützen.« Die im Parlament vertretenen Parteien, zahlreiche Regionalparteien und die Vereinigte Linke (IU) erklärten ihre Unterstützung für den Kampf gegen die Eta. Bis auf eine, die zweitstärkste Partei PP. Vor ihrer Abwahl im März 2004 hat sie versucht, die islamistischen Atten­tate vom 11. März in Madrid für ihren Wahlkampf zu instrumentalisieren, und behauptet, die Eta habe diese Massaker verübt. Beim derzeit laufenden Prozess gegen die Attentäter des 11. März versucht der PP, Verschwörungstheorien über ein angebliches Bündnis der Eta mit den Islamisten zu verbreiten.

Der postfranquistische PP beherrscht nach wie vor die aus der Franco-Diktatur übernommenen zentralstaatlichen Sicherheitsapparate und ist nicht bereit, sich dem Kurs der Psoe-Regierung, einer Doppelstrategie aus Repression und Dialog, anzu­schließen. Der PP setzt unbeirrt fort, was Gaspar Llamazares, Sprecher der Vereinig­ten Linken, als »Kreuzzug« bezeichnet hat: die Forderung nach mehr Repression gegen die baskisch-nationale Linke. Der Dia­log mit der Eta wird als Nachgeben angesehen. Deshalb will der PP die Regierung nicht, wie bisher gegenüber der Eta seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 üblich, im antiterroristischen Kampf unterstützen.

Mariano Rajoy, Vorsitzender des PP, nannte die Bedingung für eine Zusammen­arbeit mit der Regierung: »Es darf kein Nachgeben, keine Verhandlung mit der Eta geben. Zapatero muss alle Möglichkeiten des Rechtsstaats nutzen, er muss Beweise und Taten liefern, die alle Spanier brauchen, dass er seinen Kurs berichtigt.« Diese Forderung präzisierte Eduardo Zaplana, Sprecher des PP im spanischen Par­lament: Zuerst die sofortige Illegalisierung der ANV (Nationale Baskische Aktion), die bei den Kommunalwahlen im Baskenland 14 Prozent der Stimmen errang. Dann ein Verbot der Ehak (Kommunistische Par­tei der baskischen Länder), zu deren Wahl die verbotene Batasuna aufgerufen hatte und die mit 12,5 Prozent der Stimmen in das baskische Regionalparlament einzog.

Der PP betrachtet beide Parteien als Nach­folgeorganisationen der im März 2003 als »Bestandteil« der Eta verbotenen Batasuna (Volkseinheit), obwohl sie bereits zuvor existierten, die ANV sogar seit 1931. Der Psoe argumentiert hingegen, das geforderte Parteienverbot sei nicht rechtsstaatlich.

Der PP verlässt sich darauf, dass die von ihm eingesetzten Richter in seinem Sinne urteilen und alle bislang legalen Organisationen verbieten, die für ein unabhängiges, nominell sozialistisches Baskenland eintreten. Zwei weiteren Forderungen des PP ist der Psoe jedoch umgehend nachgekommen. Der bekannteste inhaftierte Etarra, Inaki de Juana Chaos, darf seine Reststrafe nicht aus gesundheitlichen Gründen im Hausarrest absitzen, sondern wurde umgehend nach Beendigung der Waffenruhe aus dem Krankenhaus ins Gefängnis verlegt. Außerdem wurde zwei Tage nach Beendigung der Waffenruhe Arnaldo Otegi inhaftiert, der langjährige Vorsitzende von Batasuna, gegen den seit langem eine Reihe von Verfahren anhängig sind, der aber bisher unter Auflagen nicht inhaftiert war und der wichtigste Unterhändler zwischen der Eta und der baskischen Regierung war.

Dass der Psoe diesen Forderungen des PP nachkommt, zeigt, wer jetzt den Ton angibt im Kampf gegen die Eta. Der PP hat bei den Kommunalwahlen das vermeintliche Nachgeben der Regie­rung Zapateros zum zentralen Wahlkampfthema gemacht und damit den stillschweigenden Konsens gebrochen, dass der Kampf gegen die Eta kein Thema für Parteienkonkurrenz sein soll. In Madrid hat der PP mit dieser Strategie den Psoe geschlagen, verloren hat er an der Peripherie Spaniens, im Baskenland und in Galizien, dort, wo die Autonomie viele Anhänger hat.

Der Sieg des PP in Madrid zeigt, dass die rechtsnationalen Postfranquisten die Mehrheit gewinnen können, auch wenn sie mit demokratischen Traditionen brechen. Daran werden auch Anschläge der Eta nichts ändern.