Lasst sie sofort frei!

Paris Hilton hat sich ihr schlechtes Image und ihr Geld hart erarbeitet und verdient unseren Respekt. von elke wittich

Die Freude, mit der die Weltöffentlichkeit auf die erneute Inhaftierung von Paris Hilton reagierte, wäre wohl nur dann noch größer gewesen, wenn es sich bei ihr um eine langjährige Serienmörderin gehandelt hätte, die sich die Langeweile in den Pausen zwischen den einzelnen Taten mit dem Schlach­ten von Wal-Babies vertrieben hätte.

Für die globale Erleichterung über die Festsetzung der Delinquentin hatten wohl auch die gegen sie vorliegenden Anklagepunkte gesorgt: Autofahren mit 0,8 Promille Alkohol im Blut, Autofahren ohne gültige, weil temporär ausgesetzte Fahrerlaubnis – und Reichtum.

Paris Hilton, gern als Erbin eines – allerdings in einer Stiftung angelegten – Millionenvermögens vorgestellt, hat sich allerdings im Gegensatz zu Generationen familiär bedingt reicher europäischer und US-amerikanischer junger Männer ihr Vermögen und ihren Ruf weitgehend selbst erarbeitet. Mit 19, lange, bevor sie als Party-Queen bekannt wurde, unterzeichnete sie ihren ersten Model-Vertrag. Und gehört mittlerweile zu den meistfotografierten prominenten Frauen der Welt, was sich jedoch nur so anhört, als sei das ein prima Job. Denn es gibt sicher leichtere Wege, Geld zu verdienen, als mit österreichischen Bau­unte­r­neh­mern zum Wiener Opernball zu gehen und sich dort dann ganz abscheulich zu langweilen.

Abgesehen davon, dass es fast unmöglich ist, eine Zeitung aufzuschlagen und kein Foto von Paris Hilton darin zu finden, liegt weiter nichts gegen die 26jährige vor. Hübsch anzusehen und meistens nett angezogen, hat sie gegenüber der deutschen und internationalen Prominenz einen entscheidenden Vorteil: Sie redet, weder gefragt noch ungefragt, so gut wie nie über Themen, von denen sie keine Ah­nung hat.

Paris engagiert sich weder im Tier- noch im Pflanzenschutz, hat keinerlei Rezept für die Rettung der Welt oder den globalen Frieden, sitzt nicht auf Talkshow-Sofas herum und versucht nicht, Politiker zur Umkehr von was auch immer zu bewegen, und, das ist vielleicht der wichtigste Punkt, macht dem Publikum keinerlei Vorschriften. Von ihr aus dürfen wir auf Workouts und Diäten, vegetarische Ernährung und buddhistische Mantras verzichten und ganz ohne Besuche beim Dalai Lama weiterleben. Insofern ist die Welt kein Stück besser geworden, seit Paris Hilton kurz nach ihrer vor­zeitigen Entlassung medienwirksam von Streifenwagen abgeholt und erneut ins Gefängnis eingewiesen worden ist.

Wo sie vor allem eines tut, wie die Washing­ton Post berichtete, nämlich Platz wegnehmen. 25 000 Gefängnisinsassen teilen sich demnach die Zellen, die ursprünglich für 12 000 Inhaftierte vorgesehen waren. Um die Überfüllung nicht noch zu vergrößern, seien Justiz und Behörden in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, wegen Lappalien wie Ladendiebstahl oder Falschparken zu Kurzzeit-Strafen Verurteilte so schnell wie möglich wieder zu entlassen, so die Zeitung. In der Regel müssten lediglich zehn Prozent der Haftzeit abgesessen werden, sagte der Rechtsanwalt Leonard Levine, dann würde der Straftäter mit einer elektro­nischen Fußfessel versehen und nach Hause geschickt: »Genau so, wie es bei Paris Hilton auch gewesen war. Eigentlich hätte die Sache damit für sie erledigt sein müssen.«

Sein Kollege Mark Geragos erzählte in einer Talkshow, jährlich würden in Los Angeles County die Strafen von fast 200 000 Menschen auf diese Weise reduziert – vorausgesetzt, sie hätten kein Gewaltdelikt begangen. Einer seiner Klienten habe sich beispielsweise in der vorigen Woche den Behörden zum Straf­antritt gestellt. »Er fuhr mit dem Bus ins Gefängnis, erhielt dort seine Fußfessel und wurde umgehend wieder ent­lassen.«

Paris Hilton muss dagegen im Knast bleiben. Interessanterweise freuen sich über ihre Inhaftierung derzeit insbeson­dere Männerstammtische in ausgewiesenen Absturzkneipen, bestehend aus Kerlen, die so aussehen, als seien sie auch schonmal zu schnell oder nach ein paar Bieren Auto gefahren. Ihnen steht jedoch eine große Enttäuschung bevor: Wenn Paris entlassen wird, wird sie zwar vorbestraft, aber immer noch reich sein.