Der Milliardär und das Militär

Die Militärregierung Thailands hat Neuwahlen angekündigt. Doch zuvor wurde die größte Partei verboten, und eine neue Verfassung soll den Generälen dauerhaften Einfluss sichern. von niklas luhmann

Gouverneur Apirak Kosayodhin gab sich alle Mühe, potenzielle Demonstranten von den Protesten fernzuhalten. Er habe städtische Angestellte in die Slumviertel geschickt, um den Bewohnern die ökonomische Philosophie des Königs zu erläutern und sie von regierungsfeindlichen Aktivitäten abzuhalten, sagte er dem staatlichen Fernsehen. Dennoch trafen sich am Samstag 6 500 Menschen auf dem Sanam Luang im Zentrum von Bangkok, um von dort zum Hauptsitz der Armee an der Rachadamnoen-Straße zu ziehen. Die Organisatoren der Democracy Alliance Against Dictatorship (DAAD), die größtenteils dem ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra nahe steht, verlangten erneut den sofortigen Rücktritt der regierenden Militärs.

Bereits am 8. Juni demonstrierten etwa 13 000 Anhänger des in Großbritannien im Exil lebenden Thaksin auf dem Sanam-Luang-Platz. Die Veranstaltung wurde von starken Regenfällen unterbrochen, während sich der umstrittene Politiker in einer auf Großleinwand übertragenen Videobotschaft gegen das für fünf Jahre gültige Verbot der von ihm gegründeten Partei Thai Rak Thai wandte.

In seiner Ansprache setzte sich Thaksin auch für eine schnelle Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Thailand ein. Ende Mai erließ ein Gericht neben dem Parteienverbot auch ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot für Thaksin und 110 weitere Mitglieder der Thai Rak Thai wegen Verstößen gegen das Wahlgesetz. Alle neun Richter wurden von der Militärregierung berufen, und die Generäle hatten sogar eine neues Dekret erlassen, das diese Form des Schuldspruchs überhaupt erst ermöglichte.

Am 19. September vorigen Jahres putschte in Bangkok das Militär und enthob den regierenden Thaksin der Macht. Dieser war für wenige Tage nach New York gereist, um vor der UN-Vollversammlung eine Rede zu halten. Seither ist der Politiker nicht mehr nach Thailand zurückgekehrt. Die Militärs warfen dem vor allem bei der ärmeren Landbevölkerung sehr beliebten Politiker vor, bei den Wahlen im April 2006 gegen das Wahlgesetz verstoßen zu haben. Außerdem belasteten sie Thaksin mit Korruptionsvorwürfen und behaupteten, dass er dem Königshaus gegenüber nicht loyal handle. Somit stellte die Verurteilung des Politikers und seiner Mitstreiter auch eine nachträgliche juristische Rechtfertigung für den Putsch dar.

In den vergangenen Monaten ist die von der Junta eingesetzte Interimsregierung aus Generälen und Technokraten insbesondere wegen ihrer Wirtschaftspolitik unter Druck geraten. Kritiker werfen ihr zudem vor, sie versuche, die Neuwahlen hinauszuzögern, und wolle den Einfluss des Militärs auf die Politik langfristig vergrößern. Am Mittwoch der vergangenen Woche kündigte die Regierung dann an, die Neuwahlen auf den 25. November vorziehen zu wollen. Eigentlich waren sie für Dezember geplant. Für diese Entscheidung dürften sowohl der wachsende innenpolitische wie auch internationale Druck eine wichtige Rolle gespielt haben.

Der Premierminister und ehemalige General Surayud Chulanont teilte mit, dass der neue Termin mit Fortschritten bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung zusammenhänge. Vor den Neuwahlen im November soll der Verfassungsentwurf, voraussichtlich am 19. August, der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Er wird von vielen verschiedenen Seiten kritisiert, insbesondere weil Teile der neuen Verfassung eine stärkere der Einflussnahme des Militärs auf die Politik vorsehen. Die ehemaligen Mitglieder der verbotenen Thai Rak Thai rufen zu einer Ablehnung der neuen Verfassung auf, sollten nicht noch wichtige Veränderungen am Entwurf vorgenommen werden, der unter anderem die Etablierung eines vom Militär dominierten »emergency council« vorsieht.

Die Militärregierung, die um jeden Preis ein politisches Comeback Thaksins verhindern will, hat ihn am Dienstag der vergangenen Woche nach Thailand zurückbeordert, um ihm eine Anklage zu übergeben, weil er keine Angaben über seinen Aktienbesitz gemacht hat. Die Regierung drohte mit einem internationalen Haftbefehl, sollte Thaksin nicht freiwillig erscheinen. Auch will das Oberste Gericht am 10.Juli entscheiden, ob es eine andere Klage der Armee annimmt, die sich auf den Verkauf eines Grundstücks aus Regierungsbesitz an Thaksins Ehefrau Potjaman bezieht.

Einige Tage zuvor »drohte« Thaksin seinerseits zurückzukehren, nachdem die Regierung verschiedene seiner Konten gesperrt hatte. Er beteuerte gegenüber der britischen Presse, dass er trotz aller Vorkommnisse genug Geld auf legalem Wege aus dem Land schaffen könne, um die geplante Übernahme des Fußballclubs Manchester City zu gewährleisten. »Dieses Geld aus Thailand zu bringen, wurde schon vor Monaten geplant. Außerdem habe ich Freunde überall auf der Welt, die ich bitten kann, mir Geld zu leihen, bis ich die Justizbehörden dazu bringe, mein Geld wieder freizugeben«, sagte Thaksin in einem Interview mit der Zeitung Manchester Evening.

Politisch dürfte Thaksin fraglos auf dem absoluten Tiefpunkt seiner Karriere angekommen sein. Ob Thailand zum System einer grundsätzlich demokratischen konstitutionellen Monarchie zurückkehrt, ist ungewiss. Als aussichtsreichster Kandidat für die Wahlen Ende des Jahres gilt derzeit der 43jährige Abhisit Vejjajiva von der Demokratischen Partei. Es ist jedoch noch nicht klar, ob die Mitglieder der Thai Rak Thai nach dem Parteienverbot an den Neuwahlen teilnehmen können und wie das Militär mit einem unerwünschten Wahlergebnis umgehen würde.

Es wird sicherlich nicht ausreichen, Neuwahlen zu garantieren, um demokratische Verhältnisse wieder herzustellen. Auf der Straße protestieren bislang überwiegend Anhänger Thaksins, doch die politische Entwicklung hat zu einer allgemeinen Desillusionierung und Enttäuschung geführt. Zur Wiederherstellung transparenter demokratischer Verhältnisse gehört sicherlich auch ein systematischer Kampf gegen die politische Korruption und den Nepotismus, der sich keineswegs nur auf die Thai Rak Thai beschränkt.

Verschiedene Aktivisten und Ökonomen glauben darüber hinaus, dass die anhaltende politische Krise nur zu bewältigen ist, wenn die Politik einen Weg findet, die soziale Ungleichheit zwischen der armen Landbevölkerung und der wohlhabenden städtischen Mittelschicht zu verringern, etwa durch die Einführung von Erbschafts- und Grundstückssteuern. Dieser Ungleichheit verdankt Thaksin, der unter anderem der Landbevölkerung günstige Kredite verschaffte, seine Popularität. Verbote können einzelne Politiker entmachten, ändern jedoch nichts an den Verhältnissen, die sie hervorbringen.