Die Partei und die Linke

Gerne wäre die Partei Die Linke das, was ihr Name behauptet. Aber wie sehen das die Linken? von daniel steinmeier

Es geht schon mit der Sprache los. Schreibt man etwa »Was erhofft sich die Linke eigentlich von der Linken?«, vermutet der Leser vielleicht, es gehe irgendwie um das Verhältnis der Linken zu sich selbst. Das ist hier aber nicht das Thema. »Was hält die Linke von Die Linke« sieht dagegen nach einer grammatikalischen Fehlleistung aus. Und fragt man, was die Linke von der Partei Die Linke erwarte, macht man sich spätestens nach der dritten Wiederholung der Nominalphrase »die Partei Die Linke« unschöner Umständlichkeit schuldig. Verwendet man zur Kennzeichnung Großbuchstaben, suggeriert man unfreiwillig, hier komme etwas ganz Großes: Die Linke. Übernimmt man dann dazu noch den im Parteilogo integrierten Punkt, der wohl unterstreichen soll, Die Linke. sei und habe stets. endgültig. das allerletzte Wort, dann kollabieren auch noch Zeichensetzung und Syntax.

Was also tun, um Die Linke von der Linken zu unterscheiden, um nicht beide miteinander zu identifizieren, wie es die Strategie der Namensgebung wohl vorsah? Halten wir es im Folgenden wie früher im Osten: Wir reden einfach von »der Partei«, dann wissen alle, wer gemeint ist: eine Partei, die sich dem Namen nach für das Ganze nimmt. Was also erhoffen sich die Linken von der Partei?

Noch beherrscht der G8-Gipfel die Internetportale von der Antifa bis zu Attac, und überall lobt man die »erfolgreichen Proteste« und die »neue Einigkeit«. »Der Umgang mit den Parteien – insbesondere mit der Linkspartei – war entspannt und kooperativ. Insofern war der G8-Protest in der Tat ein Kristallisationsmoment für eine breite Linke«, freut sich etwa Ulrich Brand vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac.

Dass die Fusion von Linkspartei/PDS und Wasg kurz nach dem Gipfel erfolgte, mag in der Tat dazu beigetragen haben, dass die Partei zurzeit auch im Westen hohe Umfragewerte genießt. Dem­entsprechend feiert man sich selbst als »historische Chance.« Steinalte ehemalige SED-Mitglieder vergleichen den Parteienzusammenschluss von Wasg und PDS mit dem der SPD und der KPD im Jahre 1946, wie man der jungen Welt entnehmen kann. Im Neuen Deutschland freut sich ein 18jähriges Neumitglied: »Dass ich bei so einem Ding der großen Linken dabei sein kann, ist schon toll. So was kommt sobald nicht wieder!«

Auch in den trotzkistischen Winkeln der Republik begrüßt man die neue Partei. »Die ›revolutionäre‹ Pflicht der Marxisten besteht darin, an diesem Ansatz konstruktiv teilzunehmen und nicht weiter Sekten zu gründen«, so ein Beitrag auf der Homepage der Sozialistischen Alternative Voran (SAV). Die Trotzkisten von Linksruck opferten gar ihre Organisationsstruktur, um im großen Ganzen der Partei aufzugehen. Der Bundesvorsitzende der DKP, Heinz Stehr, begrüßt die Gründung der Partei als »objektiven Fortschritt« und hält sie für eine Alternative zum »neoliberalen Mainstream«. Eine »Umwälzung der Verhältnisse« dagegen verspreche natürlich nur die DKP.

Auch zwischen Gewerkschaften und der Partei herrscht keine Harmonie. Weil Oskar Lafontaine dem DGB vorwarf, dafür mitverantwortlich zu sein, dass die deutschen Arbeitnehmer Reallohnverluste hinnehmen mussten, sind die Gewerkschaftsgenossen teils verärgert. Als Lafontaine forderte, der DGB solle seine Mindestlohnforderung von 7,50 auf acht Euro erhöhen, wie ihn seine Partei fordere, ließ der Sprecher des DGB, Axel Brower-Rabinowitsch, wissen, die Gewerkschaften entschieden über ihre Forderungen demokratisch und parteiunabhängig. »Das ändern wir auch nicht, nur weil Herr Lafontaine sich andere Ergebnisse wünscht.« An der Basis aber, meint ein bei Verdi aktives Gewerkschaftsmitglied, »hoffen schon viele, dass die Linke die SPD jetzt ein Stück vor sich hertreibt«.

Dennoch sind die Hoffnungen der Bewegungslinken, die Linke stehe nach den Gipfelprotesten wirklich vereint da und organisiere nun zusammen in der Partei die Abkehr vom »Neoliberalismus« wahrscheinlich ebenso unbegründet wie die Befürchtung, die deutsche Linke schare sich nun in einer Einheitspartei, erobere mit Oskar Lafontaine an der Spitze die deutsche Mitte und bilde eine Achse Berlin-Caracas-Teheran.

Denn in der Partei selbst verdeckt die Aufbruchstimmung kaum die internen Konflikte zwischen Wasglern und PDSlern, zwischen den Koalitionswilligen und den Parteikommunisten Revolutionären, zwischen den »Realos« und »Fundis«, wie man bereits in Anlehnung an die parteiinternen Konflikte der Grünen formuliert.

Viele der jüngeren linksradikalen Aktivisten, die gegen den G8-Gipfel protestierten, stehen der Partei ablehnend gegenüber. Richard etwa, ein 23jähriger gebürtiger Ostdeutscher, findet schon den im Parteinamen anklingenden Stellvertretungsanspruch albern. »Bei Politikern wie Lafontaine, die über ›Fremdarbeiter‹ lamentieren, be­komme ich Brechreize.« »Müsste ich aber wählen, dann wäre es die Linkspartei«, fügt er hinzu. Nicht zur Wahl zu gehen könne er sich nur leisten, weil er als »Laptop-Prekarisierter« davon ausgehe, »irgendwie den Kopf schon aus der Schlinge zu kriegen«. Für eine »45jährige Mutter von drei Kindern, die jeden Tag malochen geht«, mache es dagegen »vielleicht einen konkreten Unterschied, ob die Koalition rot-rot oder schwarz-rot ist«.

Eine Aktivistin aus der Kreuzberger Hausbesetzer-Szene meint, alles, was sich auf dem parlamentarischen Parkett bewege, laufe ohnehin Gefahr, »regierungsfähig« gemacht zu werden. Im Einzelfall aber könne es nützlich sein, Kontakte in die Parlamente zu haben. Vielleicht könnte ja auch der Kontakt mit Linksradikalen die Basis der Partei »in andere Gefilde bewegen«.

Aras dagegen ist einer der rund 2 500 Menschen, die im Zuge des Vereinigungsparteitags in die Partei eingetreten sind. Er hofft, sich im Rahmen der Partei für Flüchtlinge und Migranten einsetzen zu können. Vor zehn Jahren floh er aus dem Irak nach Deutschland. »Richtig hier bin ich aber erst seit 2001. Vorher war ich in einem Dorf im Asylbewerberheim. Ich konnte dort nichts tun.« Dass sich Lafontaine für Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika aussprach und 1993 zu den Betreibern der Asylrechtsänderung gehörte, lässt Aras nicht zweifeln. Für ihn ist das kein Grund, sich nicht in der Partei zu engagieren, sondern ein Grund dafür, in ihr Überzeugungs­arbeit zu leisten. Der Partei beizutreten bedeutet nicht zuletzt auch für ihn selbst, sich in Deutschland zu integrieren.

Sein Engagement begründet er auch mit seiner Familientradition: Seine Familie habe sich in der Kommunistischen Partei im kurdischen Teil Iraks engagiert und es unter dem Regime Saddam Husseins »nicht leicht gehabt«, wobei sein Blick zu verstehen gibt, welche Dimension dieses Understatement hat. Für den Irak-Krieg war er trotzdem nicht. »Ich war gegen den Krieg und gegen das Regime.« Sein Pazifismus geht dennoch nicht so weit wie bei vielen in der Partei. Einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, wie ihn die Partei fordert, hält er für unverantwortlich.

Dass Wolfgang Gehrcke, Sprecher der Bundestagsfraktion für internationale Beziehungen, einen Minister der Hamas nach Berlin einlud, findet Aras dann doch schockierend. »Mit der Hamas oder anderen Islamisten zu verhandeln ist total falsch.« Auch die Sympathien für Hugo Chávez findet er fürchterlich. Aber Aras setzt auf die innerparteiliche Demokratie. »In jeder Partei gibt es unterschiedliche Positionen«, meint er. »Ich hoffe, der Beitritt ist kein Fehler. Wenn sie sich in die falsche Richtung entwickeln, trete ich wieder aus.«