Hier werden Sie von Nazis geholfen

Seit zehn Monaten sitzt die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Dort und auch außerparlamentarisch arbeitet sie weiter relativ ungestört am Image der »bürgernahen« Partei. Von andreas speit

Die Schaufenster sind schlicht gehalten. In den Fenstern des »Bürgerbüros« der NPD in der Rudolf-Breitscheid-Straße hängen hellgraue Transparente. Bürgernah und freundlich will die Partei im mecklenburg-vorpommerschen Lübtheen erscheinen. »Wir kümmern uns«, steht in blauer Schrift auf einem der Transparente.

Jeden Donnerstag steht die Tür des Büros des Fraktionsvorsitzenden der NPD, Udo Pastörs, und des Parlamentarischen Geschäftsführers, Stefan Köster, offen.

»Sprechen Sie mit uns, wir helfen ihnen«, verspricht die Partei. Die Öffnungszeiten gestaltet sie flexibel. Ein Anruf oder ein außergewöhnliches Vorkommnis, und schon sind die »Kameraden« da. Wie auch am Mittwoch der vorigen Woche: Bei strahlendem Sonnenschein stehen zwei Männer und eine Frau vor dem Büro. Der Mitarbeiter von Köster, Torgej Klingebiel, plaudert mit ihnen. Leicht abschätzig schauen sie über die Straße zum Bürgerhaus. Weitere Anwohner kommen zu dem Treffpunkt mit dem Namen »Dat olle Amtsgericht«. Sie alle wollen den Bundespräsidenten Horst Köhler sehen. Kurz nach 14 Uhr fahren dunkle Limousinen vor.

Mit dem Besuch möchte Köhler verschiedenen Initiativen und Vereinen Mut machen, sich weiter gegen den Rechtsextremismus zu engagieren. Kaum stehen die Wagen, taucht Pastörs mit zwei Kameraden am Straßenrand auf. Der Schrift­zug »Globalisierung stoppen« prangt auf einem Transparent, das sie halten. »Unmöglich«, sagt eine Dame, ein Herr lächelt. Unter leichtem Applaus geht Köhler mit seiner Frau ins Bürgerhaus. Zur NPD schaut er nicht hinüber. Während die geladenen Gäste mit den Besuchern verschwinden, begrüßen Anwohner Pastörs. 16 Prozent erhielt die Partei in der Kleinstadt.

Seit dem Einzug in den Landtag am 17. September 2006 bemüht sich die NPD, sich nicht nur im Par­lament als »einzige Opposition« darzustellen. Sei­ne Wähler dürfte der ehemalige Juwelier Pastörs mit dieser Taktik bisher kaum enttäuscht haben.

Im Plenarsaal sitzen die Neonazis rechts am Rand. Hinter Pastörs und Köster haben in einer Reihe die NPD-Abgeordneten Tino Müller, Michael Andrejewski, Raimund Bormann und Birger Lüssow ihre Plätze. In der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause am 12. Juli griff die NPD erneut ein altes Thema auf: die Kosten des G8-Gipfels in Heiligendamm. Ihren Antrag zur Aufstellung der Kosten lehnten die SPD, die CDU, »Die Linke« und die FDP ab. Von einem »geschlossenen Block der pseudodemokratischen Fraktionen« spricht Köster und meint, Steuergelder seien »für ein fragwürdiges Treffen« hinausgeworfen worden statt sie »für unsere strukturschwache Heimat« auszugeben.

Gern geriert sich die NPD als »wahre Vertreterin« der »einfachen Arbeiter« und der »enttäuschten Arbeitslosen«. Im Landtag spricht die NPD immer wieder so­ziale Themen und regionale Probleme an. Am 11. Juli applaudierten die rechtsextremen Abgeordneten den »Altparteien«, wie sie sie nennen, da ein Antrag mit dem Titel »Kein Braunkohletageabbau in der Griesen-Gegend« verabschiedet wurde. Lange vor der Wahl schon tauchte Pastörs bei einer Bürgerinitiative gegen den Kohleabbau in der Region bei Lübtheen auf. »Der Antrag gaukelt aus reiner Prestigesucht angebliches Wollen und Handeln vor«, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraktion. Rechtssicherheiten gegen den Kohleabbau seien nötig.

Während der Debatte um eine »Antifaklausel« in der Verfassung, die sich gegen rechtsextreme Tendenzen richten soll, behauptete Andrejewski am 11. Juli, dass der Vorsitzende der Partei »Die Linke«, Oskar Lafontaine, Vokabular der NPD verwende, und scherzte: »Ich würde mich jetzt gern mit ›Heil Lafontaine‹ verabschieden, aber ich glaube, das ist wohl noch nicht ihr offizieller Parteigruß, oder?« Prompt musste der Abgeordnete die Sitzung verlassen. Immer wieder führen die Reden der NPD zu Ordnungsrufen. Die Partei fühlt sich bestätigt. Der Ordnungsruf nennt sich auch ihr kostenloses Mitteilungsblatt.

Die gewünschten populistischen Effekte für die NPD versuchen die anderen Parteien zu vermeiden. Geschlossen werden deren Anträge bisher abgelehnt. Im Landtag spricht nach einer Vereinbarung immer nur ein Abgeordneter stellvertretend für die anderen gegen die NPD. Diese Erwiderungen müssten aber inhaltlicher werden, meint der Pressesprecher der FDP, Sascha Zimmermann. Vor wenigen Tagen löste diese Kritik die Sorge aus, dass der Konsens aufgehoben werden könnte. »Nein«, betont Zimmermann, aber es reiche eben nicht, nur zu sagen, ihr Antrag sei schlecht, weil sie Rassisten seien.

Vor Monaten sagte Wolfgang Dietrich, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Migrationspolitik und Antifaschismus der damaligen Linkspartei, die inhaltliche Auseinandersetzung müsse »ganz tief« reichen, es sollte schärfer dargelegt werden: »Was meint die NPD, wenn sie von Volk und Familie spricht, was bedeutet das für mich?«

Die NPD entlarven will auch die Kampagne »Endstation rechts«, die der SPD-Abgeordnete Mathias Brodkorb mit ins Leben gerufen hat. Im Internet wird das Auftreten der Partei analysiert. »Das antidemokratische und antiparlamentarische Gebaren soll so offenbart werden«, hebt Brodkorb hervor. So berichtete die Initiative, dass Birger Lüssow sich erst gegen den Antrag für die Förderung von Schulausflügen in Konzentrationslager-Gedenkstätten ausgesprochen habe, dann aber doch dafür stimmte. »Glücklich« habe Pastörs da nicht ausgesehen.

Das Wahlversprechen, dass die »nationale Parlamentsfraktion« mit den militanten »Freien Kameradschaften« zusammenarbeiten werde, wurde indes gehalten. In der Fraktion sind nicht nur Kameradschafter wie etwa David Petereit angestellt. Die Fraktion unterstützt auch Hamburger Kameradschafter bei der Geschäftsgründung. In Rostock etwa eröffneten am 15. Juni Torben Klebe und Thorsten de Vries den Shop »East Coast Corner«. Die Fraktion kam zum Ortstermin, um sich den Laden anzusehen und den Betreibern Unterstützung zuzusagen.

Rund 1,2 Millionen Euro erhält die NPD in Mecklenburg-Vorpommern jährlich vom Staat. In Ueckermünde konnte Tino Müller deshalb ein weiteres »Bürgerbüro« eröffnen. In Lübtheen geht die Miete an die Ehefrau von Pastörs. Ihr gehört die Immobilie. Wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Parteiengesetz hat der Landtag unlängst den Bundestag eingeschaltet. Die NPD soll bei den rechten G8-Protesten Aufmärsche finanziert haben.