Irrationale Breitseite

Die Kritik an einem antiamerikanischen Sommerhit sorgt für Aufruhr im Netz – unter Verschwörungstheoretikern. von hannes goldt

Am 4. August schrieb ein Aktivist des rechtsradikalen Störtebekernetzes ins Gästebuch der HipHop-Gruppe »Die Bandbreite«, die sich mit Hits wie »Kein Sex mit Nazis (und die sind Homos)« dem sich als links verstehenden conscious rap zuordnet: »Wir haben euch auf unserem Nachrichtenblog veröffentlicht. Für ein anderes Deutschland!« Drei Tage später schrieb der »Freie Widerstand Kassel«: »Hey, habt ja sehr gute und aussage­kräf­tige Liedtexte! Macht weiter so wie bisher und lasst euch vom System nicht einschüchtern!«

Wenige Wochen vorher hatte die Band den Song »Selbst gemacht« veröffentlicht, der Dutzende US-Verschwörungen »aufdeckt«, deren Drahtziehern es meistens um Öl, immer ums Geld gegangen sei. In Pearl Harbour, so klärt Sänger Wojna auf, hätten sich die USA einen Anlass verschafft, »endlich mit in den Zweiten Weltkrieg« einsteigen zu können. Und dann heute: Erst angebliche Verbrechen des Ba’ath-Regimes – »’s war ’n Fake / (…) ein PR-Gag von euch« –, dann kam es zu diesem 11. September 2001. Wojna fragt: »Habt ihr dat vielleicht selbst gemacht? / Den Terror selber in die Welt gebracht? / (…) Habt ihr dafür die eigenen Leute getötet / weil ihr dat Öl da drüben so dringend benötigt?«

Einen Auftritt der Gruppe auf dem Festival »Rap für Courage« nahmen Mitglieder des AK Dialoge aus Halle und Berlin daraufhin zum Anlass für eine kritische Anfrage an den Veranstalter, ein städtisches Kulturprojekt in Hagen. Um antiamerikanische Ressentiments zu äußern, so bemerkten sie, brauche man in Deutsch­land keine Courage. Die Veranstalter sollten über den geplanten Auftritt der Gruppe nachdenken. Vor dem Hintergrund der Popularität von Antiamerikanismus und Verschwörungstheorien unter Jugendlichen, nicht nur in der Hip-Hop-Szene, sollten sie irrationalen, jedoch in sich konsistenten und daher gefährlichen Theorien kein öffentliches Podium geben.

»Die Bandbreite« reagierte prompt: »Wir sollen mundtot gemacht werden!« Auf Youtube wurde neben dem »Selbst-Gemacht«-Video, das bisher mehr als 30 000 Mal angesehen wurde, ein »Statement« veröffentlicht, in dem Wojna direkt aus dem Wohnzimmer die »Denunzianten« abstraft. Das Ergebnis ist in den Augen der Fangemeinde ein Sieg der besseren Argumente und der gerechten Sache. Gleichzeitig ist es eine Bestätigung der Kritiker, nicht nur wenn Wojna sich durch den Hinweis auf die innere Logik einer an sich kruden und irrationalen Theorie bestätigt fühlt: »Richtig! Weil sie nämlich richtig ist!« Fast zehn Minuten erklärt Wojna, warum der 11. September nichts mit al-Qaida zu tun habe und wo die angebliche Wahrheit wirklich zu finden sei.

Die Argumentationsmuster in Hunderten Kommentaren, Gästebucheinträgen und Blogs, die linksrechts-unpolitische Wahrheitssucher in den vergangenen Tagen verfasst haben, sind sich verblüffend ähnlich. Fast 100 Mails hätten auch sie bekommen, erzählt Lisa Renn vom AK Dialoge: »Wir seien dumm, würden nur Focus lesen und hätten uns mit den wahren Fakten noch nicht beschäftigt. Die finde man nicht in Zeitungen, die ja in unserer ›Plutokratie‹ nur Lügen verbreiten würden. Ein ›Diplommedienberater‹ riet uns, öfter zu googlen und das Buch ›Geheimakte Mossad‹ zu kaufen. Ein Lehrer verwies auf seine ›humanistische Ausbildung mit großem Latinum‹, um dann nachzufragen, auf wessen Gehaltsliste wir stünden.«