Noch nicht am Ende

Der polnische Ministerpräsident Kaczynski hat an Popularität verloren. Dennoch könnte er die vorgezogenen Neuwahlen gewinnen. kommentar von oliver hinz

Was können Polens Politiker am besten? Mit Intrigen dafür sorgen, dass die Bürger nichts mehr von ihnen wissen wollen. »Wir sind ständig angewidert, wenn wir den destruktiven Hass unter den Politikern sehen«, protestierte selbst der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, Anfang des Monats.

Eine Wende zum Besseren ist trotz der für Herbst geplanten vorgezogenen Parlamentswahlen ungewiss. Denn der aggressive Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski könnte erneut die meisten Stimmen bekommen, obwohl seine rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Umfragen stets hinter der rechtsliberalen CDU-Partnerpartei Bürgerplattform (PO) liegt. Kaczynski könnte es gelingen, seine bisherigen Koalitionspartner aus dem Parlament zu drängen und viele bisherige Wähler der rechtsextremen Liga Polnischer Familien (LPR) und der populistischen Samoobrona für sich zu gewinnen. Ihm ist das Kunststück zuzutrauen, als erster Ministerpräsident wiedergewählt zu werden. Bisher wurde in Polen keinem Regierungschef eine zweite Amtszeit zugestanden.

Sicher ist mit dem Ende der derzeitigen Koalition nur eins: Die demokratiefeindlichen Vizeregierungschefs, Bildungsminister Roman Giertych (LPR) und Landwirtschaftsminister Andrzej Lepper (Samoobrona), werden dem Kabinett nicht mehr angehören. Den Jubel darüber dämpft aber die wankelmütige PO des derzeitigen Oppositionsführers Donald Tusk. Sie muss wohl nach der Wahl entscheiden, ob sie lieber mit Kaczynskis PiS oder der neuen Formation Linke und Demokraten (LiD) aus ehemaligen Kommunisten und Liberalen zusammengeht. Beide Koalitionsvarianten haben gegenwärtig in Polen ähnlich viele Anhänger.

Einen Wandel brächte nur ein Mitte-Links-Bündnis aus PO und LiD. Noch nie bildeten ehemalige Kommunisten und ehemalige Angehörige der Gewerkschaft Solidarnosc gemeinsam eine Regierung, und es fällt Tusk schwer, sich dafür zu erwärmen. Doch die Mehrheit der PO-Anhänger befürwortet dies mittlerweile.

Wie Kaczynski Neuwahlen erreicht, ist noch fraglich. Im Parlament braucht er dafür eine Zweidrittelmehrheit. Doch viele Abgeordnete fürchten, ihren Sitz zu verlieren. Dann bliebe nur noch ein Rücktritt des Ministerpräsidenten und über Umwege die Parlamentsauflösung durch seinen Bruder, Staatspräsident Lech Kaczynski.

Der nun beginnende Wahlkampf droht noch schmutziger zu werden als 2005. Es fehlt nicht an Sex- und Korruptionsskandalen. Alle Politiker verbreiten neblige und zu nichts verpflichtende Erklärungen. Vor zwei Jahren ging es im Wahlkampf um die »Verbrechen« der linken Regierung, nun werde es wochenlang um die »Verbrechen« der Rechten gehen, klagte der liberale Publizist Jacek Zakowski.

Entscheidend ist die Auswahl der Spitzenkandidaten. Eine Kandidatur von Aleksander Kwasniewski würde die Chancen der Linken deutlich erhöhen. Bis 2005 war er zehn Jahre lang Staatspräsident und durfte dann nicht erneut für dieses Amt kandidieren. Ob er nun antritt, ist unklar. Einer am Sonntag durchgeführten Umfrage zufolge sind für Kwasniewski 13 Prozent. Für Jaroslaw Kaczynski erwärmen sich nur noch sechs Prozent. Donald Tusk kam auf 15 Prozent. Alles ist demnach noch offen.