Falsche Ziele

Die kommunalen Reaktionen auf die Übergriffe in Mügeln zeigen, warum die Programme gegen Rechtsex­tremismus nicht wirksam sind. von lourdes santander

Immer wenn sich alltäglicher Rassismus gewaltsam Bahn bricht, wird auch über die staatlichen Programme gegen Rechtsextremismus diskutiert. Nun läuft gerade das neue Programm »Vielfalt tut gut« gegen »Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus« an, das das in den neuen Bundesländern unter der rot-grünen Koalition begonnene Civitas-Programm ablöst. Doch auch mit dieser Neuauflage staatlich geförderter Demokratie-Entwicklung kann das Naziproblem nicht gelöst werden.

Zielgruppe des neuen Programms ist nämlich einmal mehr »die Jugend«, und das trotz unzähliger Studien und Bekenntnisse, die belegen, dass es sich beim »Rechtsextremismus« nicht um ein Problem mit gewalttätigen Jugendlichen handelt, sondern um die bei einem Großteil der Gesellschaft vorherrschende Einstellung. Zudem wurde die Situation von antirassistischen und antifaschistischen Gruppen verschlechtert. Sie können das Geld für ihre Projekte nicht mehr direkt beantragen, es wird vielmehr über Lokale Aktions­pläne (LAP) an ausgewählte Kommunen verteilt, die dann eigenständig über die Vergabe entschei­den. Jetzt soll auch in Mügeln die Zauberwaffe LAP wirken, um in Zukunft Schlimmeres zu verhindern. Dabei sind die Reaktionen derjenigen, die an Ort und Stelle die politischen Entscheidungen treffen, ein Paradebeispiel für die grundlegenden Mängel des Modells LAP. Als Nestbeschmutzer oder Extremisten werden Beratungsstellen und antifaschistische Gruppen qualifiziert, die das Problem Rassismus beim Namen nennen. Diese das Problem offen benennenden Gruppen müssten angesichts der rassistischen Normalität im ländlichen Raum gestärkt werden, können aber unter diesen Vorzeichen kaum auf die nötige Unterstützung hoffen. Zu diesem Schluss kommt auch die aktuelle Studie »Grenzen lokaler Demokratie«, in der die Bedingungen für effektive Strategien gegen Nazis im ländlichen Raum in zwei Landkreisen in Bayern und Sachsen untersucht wurden. Anerkennung und Hand­lungsfähigkeit erlangten Initiativen gegen Nazis erst dann, wenn der Bürgermeister die Aktivitäten unterstütze. Zugleich würden die Auseinandersetzungen um die richtige Strategie gegen die Naziszene aus der Öffentlichkeit verbannt. Kritik übt die Studie auch an der Extremismuskonzeption der Programme gegen Rechts. Schon die Verwendung des Begriffs »Rechtsextremismus« reproduziere die Vorstellung von extremen Rändern und einer ganz normalen gesellschaftlichen Mitte. In Orten wie Mügeln wird sich vorläufig kaum etwas ändern. Ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Elementen der Nazi­ideologie in der Mitte der Gesellschaft und ohne Stärkung von Gruppen, die das Problem offen benennen, erst recht nicht.