Mit Waffen für das Ungarntum

Ungarische Rechtsextremisten haben eine paramilitärische Garde gegründet. Die Gruppe, die in der vergangenen Woche feierlich »vereidigt« wurde, definiert sich in ihrem Gründungsdokument als Selbstverteidigungsorganisation und erklärt sich bereit, »das Heimatland« mit Waffen zu verteidigen. Der jüdische Weltkongress und Roma-Organisationen haben bereits von der ungarischen Regierung ein Verbot der Gruppe gefordert. von karl pfeifer

Am Samstag nahmen 4 000 Zuschauer in der Budapester Burg an der Vereidigung von 56 Mitgliedern der »Ungarischen Garde« teil. Die Gardisten erschienen in schwarzen Uniformen und mit der Árpádfahne, die auch die Fahne der Pfeilkreuzlerpartei war. Diese magyarische Variante der NSDAP herrschte vom 15. Oktober 1944 bis zur Befreiung durch die Rote Armee 1945, sie ermordete Zehntausende Juden und setzte damit die von der Horthy-Administration nach der deut­schen Besatzung begonnene »Endlösung der Judenfrage« fort, in deren Rahmen sie bis Anfang Juli 1944 Hunderttausende nach ­Auschwitz hatte deportieren lassen.

Die schwarze Garde wurde von Jobbik initiiert, einer von rechtsextremistischen Studenten gegründeten Bewegung. Bei den Wahlen 2006 trat Jobbik gemeinsam mit der von István Csurka geführten Partei der ungarischen Gerechtigkeit und des Lebens (Miép) an. Mit nur 2,2 Prozent kamen sie wegen der Fünf-Prozent-Hürde nicht ins Parlament. Seither machten Mitglieder von Jobbik durch Gewalttaten auf sich aufmerksam. Bei der Erstürmung des Gebäudes des staatlichen Fernsehens in Budapest im Frühherbst vorigen Jahres und bei den Unruhen an den beiden Nationalfeiertagen, am 23. Oktober und am 15. März, spielten sie eine führende Rolle, und vor einigen Wochen störten sie eine Kundgebung von Homosexuellen in Budapest mit dem Ruf »Die Homosexuellen in die Donau, die Juden gleich danach«. Mit diesem Spruch bekannten sie sich explizit zu den Verbrechen ihrer Vorbilder, der Pfeilkreuzler, die Ende 1944 Tausende von Juden am Donau-Ufer erschossen hatten. Um die Atmosphäre zwei Tage vor dem Spektakel in der Budapester Burg anzuheizen, rief Jobbik mit seinen Verbündeten in Kecskemét zu einer Demonstration gegen »Zigeunerkriminalität« auf.

Den Eid der Garde nahm Lajos Für ab, der erste Verteidigungsminister Ungarns nach der Wende 1990. Jobbik und der Anführer der Garde, Gábor Vona, sehen Ungarn trotz Nato-Mitgliedschaft von Slowaken, Rumänen und Serben bedroht. So heißt es in der Gründungsurkunde, »das Ungarntum« verfüge »weder über physischen noch psychischen Selbstschutz«. Dafür werde nun die Garde sorgen.

Die Teilnahme von Lajos Für, einem prominenten Mitbegründer der im Parlament vertretenen konservativen Oppositionspartei Demokratisches Forum (MDF), an der Veranstaltung wurde scharf kritisiert. Auch die MDF sieht als Ziel der Gründung dieser Garde die »Einschüchterung der ruhigen und friedfertigen ungarischen Bevölkerung« und verurteilt »die Teilnahme von Lajos Für bei der Gründung einer militanten, Angst verbreiten­den Bewegung«. Für scheint die pathologische Realitätsverweigerung seines Freundes István Csurka verinnerlicht zu haben. Zum Nationalfeier­tag am 20. August hatte er erklärt: »Die herrschen­de Bankierskaste trachtet mehr denn je nach dem Leben des ungarischen Volkes. Am 23. Oktober (2006) haben Fremde bewaffnete Kräfte in ungarischer Polizeiuniform geschlagen. Wir wissen auch heute nicht, ob diese Russen, Serben oder Juden waren. Der Verdacht ist stark, dass es die letzteren waren.«

Zu den Anführern der schwarzen Garde gehören unter anderem András Bencsik, Chefredakteur der rechtsex­tremistischen Wochenzeitung Demokrata und Mitglied der Kulturabteilung von Fidesz, der größten Oppositionspartei, und Gábor Staudt, Vertreter von Jobbik im Stadtrat von Budapest. Hier ist Fidesz in trautem Einverständnis mit Jobbik in der Innenstadt eine Koalition eingegangen. Immerhin war bei den letzten Wah­len Fidesz in 79 Gemeinden mit Jobbik und Miép verbündet.

Fidesz versucht, die ganze Sache herunterzuspielen, und bagatellisiert die Gründung der Garde mit dem Argument, sie habe ja nur wenige Mitglieder und sie hätten noch nicht gegen Gesetze verstoßen. Dies zeigt einen erschreckenden Mangel an Ge­schichts­kenntnis. Ohne direkt zu vergleichen: auch die Pfeilkreuzler waren einmal wenige.

Als der rechte Pöbel im vergangenen Jahr randalierte, stellte sich die von Fidesz geführte »bürgerliche« Rechte an die Seite der antisemitische Sprüche skandierenden, mit Árpádfahnen aufmarschierenden Masse oder zeigte zumindest Verständnis für sie. Im Frühjahr sagte der Vorsitzende von Fidesz, Viktor Orban: »Die Árpádfahne ist keine Pfeilkreuzlerfahne, denn die haben ein Pfeilkreuz hineingemalt.« Er forderte auch seine Anhänger dazu auf, die rechtsextreme Demokrata zu abonnieren. Orban bringt es fertig, den Rechts­extremisten augenzwinkernd zu zeigen, dass er ihre Abneigung gegen die repräsentative Demokratie teilt, und gleichzeitig den jüdischen Gemein­den zu versichern, dass Fidesz sie verteidigen wür­de.

Bei der Veranstaltung am Samstag in der Budapester Burg hielt auch Maria Wittner, Abgeordnete von Fidesz, eine Rede und sagte, dass diese Menschen, die sich um ihre Heimat sorgten, einen Eid »gegen den Satan«, das heißt »die jetzige Regierung und die 50 Jahre Kommunismus« leisteten. Die Fahne der Ungarischen Garde wurde von einer evangelischen Pfarrerin, einem katholischen und einem reformierten Pfarrer gesegnet.

Wirklich gefährlich ist, dass Gesellschaft und Justiz expliziten Antisemitismus und Antiziganis­mus tolerieren, und das kann auch eine antifaschistische Demonstration von einigen hundert Menschen nicht vergessen machen. Als Teilnehmer ein Plakat hochhielten, auf dem ein Hakenkreuz in einen Mistkübel geworfen wird, intervenierten Polizisten, denn Hakenkreuz, Pfeilkreuz und der fünfzackige rote Stern sind in Ungarn verboten. Erlaubt hingegen ist die antisemitische Hetze, wenn sie sich nicht gegen eine konkrete Person richtet. So wurde auch ein Pfarrer freigesprochen, der die »Ausgrenzung« der Juden, dieser »hergelaufenen Galizier«, forderte.

Die seit fünf Jahren regierende linksliberale Koa­lition agiert hilflos. »Was wird jetzt das Ausland über uns sagen?« scheint eine ihrer wich­tigsten Sorgen zu sein. Aus dem österreichischen Beispiel hätte man lernen können, wie kontrapro­duktiv eine solche Argumentation ist.