Volk 1.0

Schäuble will keine neue Stasi aufbauen. Er verwirklicht nur, was sich die Deutschen wünschen. kommentar von daniel kulla

Kommt die Stasi zurück? Selbstredend nicht. Zwar ist Überwachung gefährlich. Nicht aber, weil sie die freiheitsliebenden Deutschen kontrolliert, sondern weil eine ohnehin konforme Gesellschaft, ohne viel zu murren, noch konformer werden könnte.

Das MfS unterhielt 200 000 Zuträger, um die ­eigenen Staatsbürger davon abzuhalten, die Gesellschaftsordnung der DDR zu stürzen. Abhörtechnik, willkürliche Verhaftungen und auch die Verwendung von Geruchsproben gehörten zur Routine. Der Innenminister, sein Ministerium und die anderen Sicherheitsfachleute der Gegenwart wollen hingegen die Überwachung der Bürger um einzelne, wenig zielgerichtete Maßnahmen ergänzen.

Wenn Schäuble seine Zwangsvorstellungen von Staat und Ordnung derart offen ausleben kann, stellt sich eher die Frage, die von seinen Gegnern gern übergangen wird: Warum gibt es zu Schäubles Staatsschutz kein Pendant, das die Gesellschaft vor dem Staat schützt?

Wer sich in Deutschland für das Recht auf Privatsphäre einsetzt, vertritt eine Minderheitenposition und kann sich auf keine Civil Liberties Union stützen, nicht auf libertäre Fraktionen in den Regierungsparteien oder auf eine starke Bürgerbewegung, die wie in Irland Biometrie in den Ausweisen verhindern könnte. Es kann nicht von Lobbyarbeit gesprochen werden, wenn ein Datenschutzbeauftragter und ein engagierter Hacker vom Bundestag zu neuen Gesetzen angehört werden. Eine Lobby übt Druck aus, droht mit Sanktionen und zwingt diejenigen, die die Entscheidungen treffen, zwischen Interessen abzuwägen.

Statt sich damit auseinanderzusetzen, dass die Bevölkerung nach hartem Durchgreifen verlangt, werden gewagte Thesen darüber aufgestellt, dass das Innenministerium Anschlagsrisiken übertreibe, um seine Pläne durchzusetzen. Dabei wurden die Verschärfungen der Inneren Sicherheit immer dann besonders geräuschlos durchgewun­ken, wenn es nicht um Terror ging, etwa bei der Erweiterung des kleinen Bundesgrenzschutzes zur riesigen Bundespolizei.

Stasi 2.0? Nein, ganz einfach Volk 1.0, Standardausgabe. Wer in der Zeitung über seine Nachbarn lesen will, was sie für sexuelle Gepflogenheiten haben oder wie gemeinschaftsfeindlich sie sich der unkorrekten Mülltrennung schuldig machen, der hat wenig Skrupel, was einen starken, schützenden Staat angeht.

Vielleicht täte eine Kampagne gut, die diesem Schlag von Blockwarten klarmacht, dass die Grundlage ihrer Häme darin besteht, dass niemand etwas über sie selbst herausfindet.