Die Linken und die Bundeswehr

Klärungsbedarf hinsichtlich deutscher Auslandseinsätze haben nicht nur die Grünen. kommentar von ivo bozic
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Seine heutige Existenz verdankt Deutschland lediglich seiner Frontlage nach dem Krieg. Da hatten beide politischen Blöcke der Siegermächte gewichtige Interessen, ihren Einfluss auf dem Boden der Kriegsanzettler und -verlierer zu festigen. Eine andere Existenzberechtigung kann ein Staat, der zwei Weltkriege plus Holocaust zu verantworten hat, wohl kaum vorweisen. Wenn Linke also »Nie wieder Deutschland« sagen, ist das definitiv eine vernünftige Losung, wenngleich auch unrealistisch. Wenn es nun aber schon ein Deutschland gibt, dann, das wurde in den fünfziger Jahren völlig zu Recht moniert, darf es keinesfalls wieder bewaffnet werden. Die Gründung von Bundeswehr und NVA waren historische Skandale, welche BRD und DDR ebenfalls nur dem Einverständnis der Siegermächte verdankten. Wenn nun Deutschland aber, so der nächste Schritt, schon eine Armee besitzt, dann, das zumindest hat die Linke, auch die antideutsche, immer betont, dürfe sie keinesfalls Auslandseinsätze unternehmen. Und die Geschichte geht noch weiter – und wird dabei immer schiefer: Wenn schon Auslandseinsätze, dann doch bitte nur humanitäre, wohltätige Wochenendausflüge.

Wie es scheint, beobachten wir hier eine schrittweise Aufweichung historisch begründeter linker Positionen gegen deutsche Militärpolitik. Doch anhand dieser kleinen Chronologie wird noch etwas anderes sichtbar: Die äußeren Umstände haben sich drastisch verändert in den vergangenen 60 Jahren. Wer mehr als politisch korrekte Ideologiekritik betreiben will, kommt nicht umhin, dies zumindest zur Kenntnis zu nehmen. Und so ist der vernünftige Teil der Linken in ein gewisses Dilemma geraten: einerseits aus guten Gründen jede Militarisierung Deutschlands abzulehnen und andererseits nun nicht ernsthaft den sofortigen Rückzug aus Afghanistan fordern zu können, wie es der andere Teil – ganz im Sinne der Taliban – tut.

Dieser Widerspruch lässt sich nicht einfach beiseite wischen, Kriterien für eine differenzierte Beurteilung deutscher Auslandseinsätze hat die Linke nicht entwickelt. Doch die konsequente Ablehnung deutscher Auslandseinsätze ist nicht weniger widersprüchlich. Grundlage jener Kritik ist schließlich vor allem der Versuch Deutschlands, eine zunehmend wichtige Rolle in der internationalen Politik spielen zu wollen, seine Großmachtambitionen. Die Linke, die Friedensbewegung – und nicht nur sie – kritisieren am Einsatz in Afghanistan jedoch vor allem, dass Deutschland dort eben nicht genügend als selbständiger Akteur auftrete, sondern sich zum Hand­langer des US-Imperialismus mache. Deutschland solle sich zurückziehen und so Druck auf die USA ausüben. Nicht weniger deutschen Einfluss fordert man also, sondern mehr. So hat bereits die Ablehnung des Irak-Kriegs im rot-grünen Mainstream funktioniert.

Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage nach Auslandseinsätzen haben also nicht nur die Grünen. Allerdings sollte sich niemand etwas vormachen und in einen umgekehrten Größenwahn verfallen: So entscheidend ist der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auch wieder nicht. Deutschland ist im besten Sinne ersetzbar. Im Übrigen sind das abgehobene Debatten, solange dabei die Lage der Menschen in Afghanistan keine Rolle spielt. So wird am Hindukusch linke Ideologie verteidigt, zuweilen auch gegen die Realität.