Nicht jeder ist willkommen

Die australische Regierung nutzt den Fall des indischen Arztes Haneef, um Ängste vor Migranten zu schüren. von olaf kleist, melbourne

»Die Gewährung eines Visums ist ein Privileg für Besucher«, sagte Migrationsminister Kevin Andrews am Mittwoch der vergangenen Woche. Weil er sich die Entscheidung darüber vorbehält, wer dieses Privilegs würdig ist, will er gegen die Gerichtsentscheidung klagen, die den Visumsentzug für den indischen Arzt Mohammed Haneef für unrechtmäßig erklärte.

Anfang Juli war Haneef in Brisbane festgenommen worden, weil er verdächtigt wurde, am Atten­tat auf den Glasgower Flughafen beteiligt gewesen zu sein. Angeblich wurde in dem ausgebrann­ten Jeep der beiden Attentäter eine Sim-Karte gefunden, deren Vertrag auf seinen Namen lief. Haneef, der als Arzt in einem Bris­baner Krankenhaus arbeitete, wurde von den Behörden zunächst für zwei Wochen unter Anwendung der neuen Terrorgesetze ohne Anklage inhaftiert.

Dann setzte ein Haftrichter ihn gegen Kaution auf freien Fuß. Das Gericht hielt die Beweise gegen Haneef für wenig stichhaltig. Die Handykarte wurde, anders als die Behörden behauptet hatten, nicht am Flughafen, sondern in einer mehr als 300 Kilometer entfernten Wohnung gefunden. Haneef hatte sie ein Jahr zuvor, als er Großbritannien verließ, einem Cousin zweiten Grades gegeben, dem nun von den britischen Behörden vorgeworfen wird, von den Terrorplänen gewusst und sie nicht gemeldet zu haben. Auch andere Beschuldigungen gegen Haneef ließen sich nicht erhärten. Da eine strafrechtliche Verfolgung nun nicht mehr möglich war, entzog Kevin Andrews Haneef aus »Charaktergründen« das Visum und ließ ihn aufgrund der Migra­tions­gesetze einsperren.

Für die konservative Regierung John Howards ist der Fall eine Gelegenheit, die Angst vor Migran­ten zu schüren. Premierminister Howard muss bald einen Wahltermin bekannt geben, er hat angekündigt, dass spätestens Mitte Dezember gewählt werden soll, und in den Umfragen liegt seine Liberal Party weit hinter den Herausforderern von der Labor Party.

Bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte Howard im Wahlkampf eine Verbindung zwischen Terror und Migration behauptet. Man debattierte hitzig darüber, wie Flüchtlingsboote vor der australischen Küste abgewehrt wer­den könnten. Im Diskurs über die Bedrohung durch eine vermeintliche »Flüchtlingsflut« warnte der damalige Migrationsminister Phillip Ruddock, dass sich Terroristen auf den Flüchtlingsbooten befinden und das Land infiltrieren könnten. Mit dem Thema »nationale Sicherheit« gelang es Howard, entgegen früheren Prognosen die Wahlen zu gewinnen.

Nun könnte es ihm gelingen, einen solchen Coup zu wiederholen. Obwohl Haneef bislang nur nachgewiesen wurde, dass er mit einem mut­maßlichen Mittäter entfernt verwandt ist, unterstützten 49 Prozent der Bevölkerung das Vorgehen der Regierung, während 36 Prozent es ableh­nen. Die Liberal Party konnte einige Prozent bei den Umfragen hinzugewinnen, aber nicht genug, um sich eine Mehrheit zu sichern.

Howard hat Probleme, das Schüren von Migrations- und Terrorängsten mit den Bedürfnissen der australischen Wirtschaft in Einklang zu bringen. Die Einwanderung von qualifizierten Migran­ten ist erwünscht, sie hat unter der Regierung Howards deutlich zugenommen. Gerade auf Ärzte aus Asien ist Australien angewiesen, und so betonte auch das Krankenhaus von Brisbane, dass sich die Kollegen über eine Rückkehr Haneefs an seinen Arbeitsplatz freuen würden. Es sind eher die linken Parteien, die für Protektionismus und eine Beschränkung der Arbeitsmigration eintreten, und im Fall Haneef unterstützt die Labor Party jede Tat der Regierung.

Haneef, der im Juli freigelassen wurde, ist inzwischen zu seiner Familie nach Indien gereist. Über den Einspruch der Regierung gegen die Gerichtsentscheidung wird nach Angaben seines Anwalts wohl erst im November oder Dezember entschieden werden.