Gender-Camp

Platte Buch von Michael Saager

Sie haben alle genug vom Alltag – die Aussteiger, Naturfreaks und Arbeitslosen, kurz, das Figurenpersonal in Antje Rávic Strubels jüngstem Roman »Kältere Schichten der Luft«. Deshalb nehmen sie teil an einem Kanu-Camp in der schwedischen Pampa – ab in die pralle Natur mit ihren herrlichen Seen. Die Idylle trügt, das erkennt der Leser rasch.

Anja gehören sämtliche Sympathien der Autorin. Der Rest des Camps entpuppt sich bald als gefährlich spießig; langweilig wäre zu wenig, zumal für einen Mord, der am Ende geschieht, was ein bisschen viel ist für die recht vollgestopfte Geschichte. Auch vorher hat es Anja nicht leicht: Ihre lesbische Beziehung zur seltsamen Siri ist für Camp-Bewohner Ralle Grund genug, sie zu schikanieren.

Bestimmt ist etwas dran: Durch Anjas Art, die Dinge zu betrachten, erfahren wir zugleich einiges über die Autorin. »Kältere Schichten der Luft« geizt nämlich nicht mit Kritik an der Gesellschaft, ist gewissermaßen literaturdurchwobene Gender-Theorie. Vermeintlich sichere Prinzipien des Zivilisatorischen schmelzen wie Wachsmasken in diesem Buch, was durchaus surreal anmutet in dieser schwedischen Naturlandschaft tanzender Lichter, die Strubel mit viel Gespür fürs sinnliche Detail in Szene gesetzt hat. Und Anja? Sehnt sich längst nach weiteren Möglichkeiten. Denn obwohl sie irgendwann merkt, dass in ihrem Körper auch ein Junge steckt, bleibt sie doch gesellschaftlich festgelegt auf ihre »natürliche« Rolle, eine Frau zu sein.

Antje Rávic Strubel: Kältere Schichten der Luft. S. Fischer, Frankfurt/M. 2007, 192 Seiten, 17,90 Euro