Nachrichten

Gedanken eines Tierspielbabys

Jonathan Meese. Bisher haben wir geschwiegen, was Ihren Firlefanz auf Bühnen und Bildern angeht, Jonathan Meese. Sie sind an der Berliner Volksbühne bestens aufgehoben, an der man weiß, dass »Europa die letzte Insel der Freiheit« und der Ami der Böse ist.

Leider sondern Sie, Jonathan Meese, Ihre Gedanken auch in den Medien ab. Sie haben für Spiegel online einen Fragebogen ausgefüllt. Künstler seien Sie, weil »die Zeit reif sei für die Revolution der Kunst«. Sie schreiben: »Kunst als Herrschaftsform, als liebevollste Diktatur wird eine neue Zeitrechnung erzeugen, einen neuen Nullpunkt, eine neue Ausgangsbasis für alles.« Sie selbst würden gern sein wie »Echnaton oder Caligula, also ein Tierspielbaby«. Geht klar. Aber irgendwie klingt das so, als versuchten Sie, die Aura des exzentrischen Theaterrebellen herbei zu halluzinieren, um nicht einsehen zu müssen, dass Sie Ihren Künstlerstatus doch nur staatlichen Zuschüssen zu verdanken haben. mst

Urlaub in Afghanistan

Lonely Planet. Der authentische Weltreisende weist sich durch den »Lonely Planet« aus. Mit diesem Reiseführer in der Hand gibt er seiner Umwelt zu erkennen: Nur unterwegs fühle ich mich zu Hause. Nun ist ein neuer Länderband erschienen, und zwar für Afghanistan. Man glaubt dem Autoren Paul Clammer ja, dass es in dem Land wunderschöne Landstriche gibt und man an ruhigen Orten leckere Grillhähnchen genießen kann. Aber bekiffte Rucksacktouristen in einem wackeligen Video als Geiseln der Taliban zu sehen, ist dann doch keine angenehme Vorstellung. Also, werte Traveller: Bleibt in diesem Fall doch lieber daheim. mst

Gene und Gesinnung

Neurowissenschaft. Es sei wahrscheinlich, dass es einen Zusammenhang zwischen den Genen und dem politischen Denken gebe. Das behaupten Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature Neuroscience. Die Forscher der New York University testeten Personen aus unterschiedlichen politischen Richtungen auf ihre neuronale Aktivität. Dazu ließen sie die Probanden auf einen Bildschirm starren, der ein »W« anzeigte. Sobald man ein »M« einblendete, mussten sie eine Taste drücken. Je links-liberaler die Versuchspersonen waren, desto besser war ihre Reaktionsfähigkeit. Das ließe darauf schließen, dass es zwischen Personen unterschiedlicher politischer Couleur neuro-genetische Unterschiede gebe, sagen die Wissenschaftler. Aber was bedeuten diese Erkenntnisse genau für die Zukunft? Wird man bald das Kommunisten- und Nazi-Gen isolieren können? Wird es dann für Träger des letztgenannten Gens endlich eine Heilungschance geben? Die Welt der Wissenschaft bleibt spannend! jub

Rock the Casbah!

Soundcheck mit Folgen. Der Festsaal Kreuzberg ist ein recht beliebter Veranstaltungsort in Berlin. Gleich nebenan steht die bei ganz anderen Leuten recht beliebte Mevlana-Moschee. Ihr ehemaliger Imam hatte im Jahr 2004 die Deutschen als »stinkende Ungläubige« bezeichnet und zum Märtyrertum aufgerufen.

In der vergangenen Woche stellte die HipHop-Band Jahcoozi im Festsaal ihre neue Platte vor. Beim Soundcheck testete auch die Rapperin Sasha Perera ihr Funkmikrofon. Kurze Zeit später erschien eine Delegation der Mevlana-Moschee. Aus den Lautsprechern des Gebetsraums erklang nämlich nicht mehr die Stimme des Imams, sondern Sashas schmutziger Rap. Aufgrund von Funkinterferenzen war die Frau zur unfreiwilligen Vorbeterin geworden. Allzu gern hätte man die Gesichter der Betenden gesehen, die sich plötzlich mit der Aufforderung konfrontiert sahen: »Get yo shit out!« Das Konzert fand natürlich dennoch statt. Das Abendgebet dauert ja nicht bis tief in die Nacht. mst