Je t’aime. Moi non plus

Für oder gegen Schwarze? Die französischen Rechtsextremen geben sich weiterhin einem illustren Richtungsstreit hin. Von Bernhard Schmid, Paris

Nach Friede, Freude, Eierkuchen klingt es nicht gerade. »Marine Le Pen: was für eine dumme Ziege!« donnerte Robert Spieler, der Vorsitzende der vom Front National (FN) abgespaltenen Regionalistenbewegung »Elsass zuerst«, in einem Beitrag für Novopress, einer Art Indymedia von rechts. Das Posting ist inzwischen redaktionell gelöscht worden.

Was war passiert? Ein Artikel auf der Webpage des konservativen Wochenmagazins Le Point hatte Mitte Oktober enthüllt, dass Marine Le Pen »den Wahlkampf der Schweizerischen Volkspartei (SVP) kritisiert«. Es ging um das berüchtigte Plakat der schweizerischen SVP, das drei weiße Schafe zeigte, die ein viertes, schwarzes Schaf von den Umrissen einer eidgenössischen Fahne kickten, im Namen der Bekämpfung der »Ausländerkriminalität«.

»Niemals« hätte ihre Partei ein solches Plakat herausgegeben, da es »einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und Hautfarbe« herstelle, monierte Marine Le Pen, die Tochter von Jean-Marie Le Pen, dem Vorsitzenden des rechtsextremen Front National. Daraufhin tobte der Mob in den einschlägigen Foren im Internet – dort, wo Rechtsextreme unter sich diskutieren, aber auch im Webforum des Point. Kurz darauf war die Partei gezwungen, ein Schreiben herauszugeben, das auf die rechtsextremen Kritiker antwortete. Marine Le Pen schrieb, sie habe das Spiel mit den Farben Schwarz und Weiß kritisiert, weil auch die Karibikfranzosen schwarzer Hautfarbe seien. Diese aber seien »unsere Landsleute« und integraler Bestandteil der französischen Nation. Und in der Tat ist der Front National wegen seiner kolonialistischen Tradition sehr darum bemüht, die letzten »Überseegebiete«, die Antillen oder Neukaledo­nien, bei Frankreich zu behalten.

Seit einiger Zeit tobt ein Macht- und Richtungskampf innerhalb des Front National. Auf dem nächsten Kongress, am 17. und 18. November in Bordeaux, will der Gründer und langjährige Übervater der Partei, Jean-Marie Le Pen, sich zwar noch ein »letztes Mal« als Vorsitzender bestätigen lassen. Offiziell »für die Periode von 2007 bis 2010«, also bis zum übernächsten Parteitag. Manche Parteifunktionäre aber vermuten, Le Pen wolle seine Tochter bereits in einigen Monaten zu seiner Nachfolgerin ernennen. Es fällt auch auf, dass Marine Le Pen unterdessen sehr viele der offi­ziellen Mitteilungen im Namen der Partei unterschreibt.

Marine Le Pens Aufstieg geht jedoch nicht reibungslos vonstatten. Während sie als »Modernisiererin« gilt, die ihre Partei in Wirtschaftskreisen und den bürgerlichen Medien salonfähig machen möchte, versuchen altgediente Kämpfer und hoch­rangige Parteikader, ihr den Weg zu versperren. Sie befürchten eine »Aufweichung der Inhalte«.

Der bisherige große Rivale Marine Le Pens im Streit um die Nachfolge an der Spitze, Bruno Gollnisch, hat seine Ambitionen wegen gesundheitlicher Probleme zurückgesteckt. Er hatte im August eine schwere Herzoperation. Inzwischen hat Marine Le Pen aber zwei andere Gegenkandidaten gefunden, die sich »für 2010« um die Nachfolge des alternden Vorsitzenden bewerben möchten. Der frühere Generalsekretär des Front National, Carl Lang, schart die alten Kämpfer hinter sich und schwingt sich zum Garanten für die »Orthodoxie« der Parteimeinung auf. Jean-François Tou­zé wiederum ist der Repräsentant der harten Aktivistenfraktion, die eine Partei mit dezidiert ideo­logischen Zügen und einer belebten Aktivität an der Basis aufbauen möchte. Er wirft dem Front Natio­nal vor, nur noch in den Medien und auf dem Wahl­zettel zu existieren und keine »soziale Bewegung« mehr zu sein und etwa Stadtteilarbeit zu leisten.

Der Streit um die Orientierung der extremen Rech­ten wird aber auch auf anderen Gebieten ausgetragen. So ließ sich Jean-Marie Le Pen Anfang Sep­tember bei einem Auftritt bei der »Sommeruniversität« eines Klüngels um den ehemals linken Schriftsteller Alain Soral in der Nähe von Versailles blicken. Unter Sorals Führung war bereits im Juni unter dem Namen »Gleichheit und Aussöhnung« ein Club gegründet worden. Dieser verfolgt den Zweck, mit einem rot-braunen Diskurs politische Verwirrung zu stiften und » alle Gegner des Systems jenseits überholter Kategorien von links und rechts« zusammenzuführen. Zu den prominentesten Gästen zählten der Antisemit schwarzer Hautfarbe, Dieudonné M’bala, und der Nationalrevolutionär Christian Bouchet.

Ihr politisches Projekt lautet, die französische Nation solle auch die dauerhaft in Frankreich lebenden Immigranten in die »nationale Identität« einbinden, um einer »Zersetzung« der Nation durch »globalistische Tendenzen« vorzubeugen. Marine Le Pen hatte diesen Sammlungsversuch anfangs begrüßt. Später distanzierte sie sich jedoch von ihm, da der rohe Antisemitismus mehrerer der Beteiligten – wie etwa der von Dieudonné – dem Streben nach »Salonfähigkeit« und bür­gerlicher Reputierlichkeit zuwiderläuft. Die ande­ren Kandidaten um die Nachfolge Jean-Marie Le Pens – Gollnisch, Lang und Touzé – haben die Ko­operation mit Soral und Konsorten hingegen von Anfang an als »Linkskurs« und schwere politische Verirrung kritisiert.

Diese Opponenten, die sowohl den »Modernisierern« um Marine Le Pen als auch dem »Linkskurs« der Rot-Braunen abgeneigt sind, versammelten sich am Samstag in Paris. Die Zeitschrift Synthèse nationale feierte ihren ersten Geburtstag. Hierfür konnte sie so unterschiedliche Redner gewinnen wie Touzé vom Front National, Repräsentanten der »national-republikanischen Bewegung« MNR von Bruno Mégret, den Kopf der katholischen Fundamentalisten, Bernard Antony, oder den rechtsextremen elsässischen Regionalisten Robert Spieler. Auch einer der Anführer der stiefelfaschistischen Gruppierung »Die Identitären«, Fabrice Robert, war mit von der Partie.

Marine Le Pen und die »Modernisierer« kamen hier nicht gut weg. Sie wurden als Verräter behandelt, die den Kampf gegen die »Immigrations-Invasion« und die »Islamisierung Frankreichs« längst aufgegeben hätten.