Nach dem letzten Diaabend

Von der einst sehr lebendigen Kurden-Solidarität ist in Deutschland so gut wie nichts übrig geblieben. kommentar von thomas uwer

Was ist eigentlich aus unseren Kurden geworden? Nicht aus den Kurden natürlich, den echten, die sich im irakischen Qandil-Gebirge verstecken. Gemeint sind die anderen, unsere Kurden eben. Vor ein paar Jahren noch gab es in jeder anständigen WG wenigstens einen davon. Sie haben sich mit »Merhaba« begrüßt, ERNK-Fähnchen verteilt und dafür gesorgt, dass auf jeder Demonstration mindestens eine halbe Stunde kurdische Zweitonmusik gespielt wurde. Einmal im Jahr sind sie in die Türkei gefahren, in der Hoffnung, verhaftet zu werden, was aber meistens nicht klappte. Im Anschluss wurde zum Dia­abend geladen, auf dem verwackelte Bilder von Armeelastwagen und Panzerfahrzeugen gezeigt wurden. Und wehe, man fand das langweilig.

An den Diaabenden aber wird es nicht gelegen haben, dass unsere Kurden irgendwann anscheinend verschwanden, genauso wenig wie an dem ideologischen Schmalz, den die »Sonne Kurdistans«, Abdullah Öcalan, beständig absonderte, etwa dass der Mord an den Armeniern auf das Konto von Zionisten und Freimaurern ginge. Gestört hat das niemanden, aber es hat wohl auch keiner je ernsthaft nachgelesen. Erst als es um ihren »Serok« (Führer) Öcalan selbst geschehen war, verschwanden auch unsere Kurden. Zur PKK-Solidaritätsdemo in Berlin verirrten sich am vergangenen Samstag gerade mal 500 Menschen.

Auch sonst ist es still geworden in der Soli-Szene. Gewerkschafter und Kirchenleute, Krankenschwestern in Rente und pensionierte Völkerrechtler, die sich einst für die Sache des »kurdischen Volkes« einsetzten, haben es den Kurden nicht verziehen, dass sie 2003 die Amerikaner willkommen hießen, als die sie vom schlimmsten ihrer Verfolger befreiten. Dass die Kurden im Nordirak »feudale Banden« seien, hatte ihnen einst die PKK erklärt. Dass man sie deshalb ruhig Saddam Hussein überlassen könne, haben ihre deutschen Freunde hintendran gestrickt.

Was von der PKK bleibt, ist also denkbar traurig: eine Handvoll Bewaffnete in den Bergen Qandils und fünf in Schweinslederimitat gebundene Bände über die Geschichte der Welt, geschrieben von Abdullah Öcalan. Die türkischen Kurden wählen mittlerweile islamisch, die Depression in Städten wie Diyarbakir ist bodenlos. Selbst den wider­lichen Märtyrerkult, bei dem sich Kurden einst verbrannten, haben ihnen die Islamisten weg­genommen. Wenn die türkische Armee nicht einmarschiert, bleibt gar nichts mehr.

Oder doch? Richtig. Eines hat die PKK auf dem langen Weg nach unten doch erreicht. Sie hat uns von unseren Kurden befreit, von Diaabenden und furchtbarer Musik. Aber am Ende geht auch das vermutlich auf das Konto der Zionisten. Am besten ist, wir fragen gar nicht nach.