Tango, Punk und Yodeling

Das Label Trikont wird 33 1/3 Jahre alt. jörg sundermeier schreibt eine Glückwunschkarte zum krummen Geburtstag

Wie wir wissen, war 1967 einiges los in der deutschen Linken: Man diskutierte über den gewaltsamen Umsturz, plante Kinderläden, las sich kreuz und quer durch Marx, Lenin, Bakunin und Carl Schmitt und war tagtäglich damit beschäftigt, die Welt zu retten. So auch in Köln, wo Gisela Erler und Herbert Röttgen, beide aus dem Umfeld des SDS, den Trikont-Verlag gründeten, dessen Name ja bereits darauf pochte, dass man sich vor allem mit dem beschäftigen wollte, was Frantz Fanon einst die »Dritte Welt« genannt hatte. Der Verlag zog nach München, veröffentlichte dort unter anderem die berühmte »Mao-Bibel«, »Arbeiter produzieren die Krise – Gegenmacht als Kampfform«, Bücher von Jean-Paul Sartre, Bommi Baumanns »Wie alles anfing«, »Klau mich« von Fritz Teufel und Rainer Langhans und lustige Titel wie Samuel Pierres »Amazonen, Kriegerinnen und Kraftfrauen«. Zudem wurde dort ab 1973 mit der Zeitschrift »Autonomie – Materialien gegen die Fabrikgesellschaft« das Blatt verlegt, das den geistigen Zustand der Spontis um Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer dokumentierte.

Bald aber wurde Röttgen, der sich heute Victor Trimondi rufen lässt, ein Anhänger des Esoterischen, der Verlag wurde umbenannt in Dianus-Trikont-Verlag, in dessen Namen das Wort »Trikont« nun etwas verloren herumstand. Dort erschien einiger New-Age-Klimbim, der Verlag wurde 1986 geschlossen. So weit ist diese Geschichte wohl auch nicht weiter erwähnenswert, wäre in diesem Trikont-Verlag nicht auch etwas entstanden, was seit Jahren die musikalische Klangvielfalt gegen den perfiden Einheitsbrei des Pop verteidigt: das Label Trikont, das zunächst noch als »Schallplattenreihe Trikont« firmierte und »Musik von unten« zu publizieren gedachte.

Bis heute hat das Label einen Stand auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Dort trifft man Eva Mair-Holmes und Achim Bergmann – tja, sind sie nun Verleger, Labelmacher oder Labelgründer? –, die ihre Tonträger dem staunenden Buchvolk anbieten. Das Label gehört tatsächlich an diesen Ort. Alle seine Platten sind auch über den Buchhandel zu beziehen, sind oft mit einem geradezu üppig aufgemachten Beiheft ausgestattet, in dem nicht selten Texte stehen, die wiederum ganze Bücher überflüssig machen. Es wird von dieser Plattenfirma also vornehmlich Musik für Leute vertrieben, die lesen können und wollen, die es genießen, das Gehörte kontextualisieren zu können, und die folglich an der Musikgeschichte interessiert sind.

Das Label Trikont wird in diesen Tagen 33 1/3 Jahre alt, und es atmet an diesem unrunden, selbst gewählten Jubiläum noch immer den Geist der Gründertage. Das zeigte sich unter anderem darin, dass der derzeitige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU), als er noch Innenminister seines Bundeslandes war, beinahe einen Privatkrieg mit dem »bayerischen Rastamann« und Parolen-Bänkelsänger Hans Söllner führte, in dessen Verlauf auch das Label des Musikers, Trikont nämlich, eine polizeiliche Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen musste. Auch der zweite, stolz geführte Name, »Unsere Stimme«, verweist noch immer auf die Tradition des Underground, in die sich das Label stellt.

Die Arbeit von Trikont zeichnet sich seit vielen Jahren durch kontinuierliches, beinahe verbissenes Engagement für seine Künstlerinnen und Künstler aus, die in drei Kategorien einzuteilen sind: In die erste Kategorie sind jene Bands und Solokünstlerinnen einzuordnen, deren Tun und Wirken in Norddeutschland wohl nie verstanden werden wird. Hier sind beispielsweise die No Goods zu nennen, die bajuwarischen Polka-Punk machen, der große Rings­gwandl, die unbeschreiblichen Attwenger, die in Österreich größere Stars als Madonna und Britney Spears sind, oder der nicht selten nervige Kiffer Söllner.

In die zweite Kategorie gehören seit vielen Jahren die vornehmlich in deutscher Sprache singenden Künstlerinnen und Künstler, die inzwischen nicht selten große Säle füllen, also etwa Rocko Schamoni, Heinz Strunk, Funny van Dannen oder Bernadette La Hengst.

Schließlich kommen dann noch internationale Künstler dazu, deren Platten bei kaum einem professionellen Label Gehör finden würden, etwa der Meister des fragilen Songs, Daniel Johnston, oder der finnische Tangofanatiker M.A. Numminen.

Für all diese Bands und Sängerinnen, Komikerinnen und Chansonniers kämpfen Mair-Holmes und Bergmann vehement, ihre Invektiven gegen vermeintlich oder tatsächlich unberechtigte Verrisse ihrer Platten sind legendär. Allerdings beschweren sie sich nie über einbrechende Umsätze, sondern beschimpfen die Kritikerinnen und Kritiker, weil diese die Arbeit der Musikerinnen und Musiker gering schätzen und den nötigen Respekt vermissen lassen.

Dieses persönliche Engagement zeigt sich auch in den Compilations, die auf dem Label veröffentlicht werden und für die es tatsächlich weltberühmt ist. John Peel war Zeit seines DJ-Lebens ein großer Freund von Trikont und stellte beinahe jede Platte vor. Die auch von ihm selbst vorbereitete Compilation »The Pig’s Big 78’s – A Beginner’s Guide« erschien allerdings erst nach seinem Tod. Bei Trikont werden Aufnahmen von raren Schellacks bayerischer und österreichischer Volksbarden und das akustische Gesamtwerk von Karl Valentin und Liesl Karlstadt veröffentlicht. Jon Savage, der die Compilation zu seinem Punkbuch »England’s Dreaming« bei dem Münchener Label herausbrachte, sammelte für Trikont »Queer Noises«. Es gibt eine Compilation, auf der sich die Musik findet, die man bei den Black Panthers gehört hat. Cajun und Zydeco, Klezmer und »Holy House«, also Kirchenmusik, werden publiziert, ebenso ein »Best of« des »American Yodeling«, eine Sammlung von mexikanischen Totenliedern und so weiter und so fort. Dazu kommen dann noch wirkliche Wahnsinnsprojekte: Etwa eine Sammlung von Coverversionen des »Tüdelband«-Songs oder gleich vier CDs mit Variationen des Liedes »La Paloma«, und schließlich die von Thomas Meinecke zusammengestellte Sammlung »Texas Bohemia«, die Tracks aus jenen Gegenden präsentiert, in denen sich US-Amerikaner als Böhmen begreifen und daher bei Liederabenden »böhmische Volksweisen« zur Slide-Guitar singen. Großartig.

Bemerkenswert ist, dass es das Label über all die Jahre geschafft hat, diese Platten herauszubringen, die einzelnen Songrechte zu sichern, was in vielen Fällen Schwerstarbeit gewesen ist, die Aufmerksamkeit der Medien zu erringen und vor allem die Erzeugnisse auch noch so oft zu verkaufen, dass es sich wenigstens halbwegs rentiert. Der Zusammenbruch des ebenfalls in Bayern gegründeten Labels und Vertriebs Hausmusik hat ja gerade erst wieder gezeigt, wie schwierig es ist, mit guter, ungewöhnlicher Musik zu bestehen. Vielleicht aber liegt bei Trikont das Geheimnis des Erfolgs eben doch darin, dass man die CDs liebevoll verpackt und mit aufwändig gestalteten Begleitheften versieht. Der schnelle Download bleibt so einfach unbefriedigend.