Spürt dinglich!

Der letzte linke Student von jörg sundermeier

Der letzte linke Student denkt immer was, fühlt immer was, analysiert immer richtig. Das ist ja gut. Und schön. Aber: was ist mit den anderen, seinen Freunden, seinem besonderen Notizbuch zum Beispiel?

Nein, nein, sage jetzt keine und keiner, ein Notizbuch kann kein Freund sein. Siehe Lenin! Der sagt: »Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung.« Das heißt für uns: Auch die Dinge sind was, Freunde etwa, denn der Kommunismus ist warm. Die Sowjetmacht aber ist abstrakt, weil ein Begriff. Erst: durch die Materialität der Elektrifizierung (die ja aus Draht, Trafos und Strom besteht, also aus Dingen), die eine Verbindung mit dem Begriff eingeht, wird Kommunismus draus, eine Hoffnung für die Lebenden. Zwei Tote aber können nichts Lebendes machen, das weiß schon jeder Biologieschü­ler. Folglich: die Dinge müssen leben, denn: Begriffe sind aus Sprache. Sprachen nennt man »lebendig«, sie sind aber abstrakt. Elektrifizierung jedoch ist konkret. Da muss man nur mal fassen an den Strom, und schon weiß man es. Ein Ding ist’s, und warm. Jeden anderen Schluss zu ziehen, hieße zu behaupten, Lenin sei ein Lügner gewesen. Was ja per se revisionistisch ist.

Dingen nun zu unterstellen, sie hätten keine Gefühle, wäre also nicht nur diskriminierend, revisionistisch wäre es auch. Das aber nur als Vorbemerkung. Denn die Frage, was das besondere Notizbuch des letzten linken Studenten fühlt, ist damit noch nicht geklärt. Die Lösung ist einfach: nichts. Es gefällt ihm, auf- und zugeklappt zu werden, es erfüllt seine Aufgabe. Es ist: heiter, aber nicht gefühlvoll. Und das sollte uns alle daran erinnern, dass wir öfter mal unsere Aufgaben erfüllen sollten, ohne mit unseren Gefühlen dabei herumzumachen!