Fühlt vorsichtig!

Der letzte linke Student von jörg sundermeier

Heute freut sich der letzte linke Student. Er freut sich, denn einer seiner alten Freunde wird sein Nachbar werden. Und zwar: der, der sich noch immer Kommunist nennt. Nun wissen wir: der, der sich noch immer Kommunist nennt, ist in Wirklichkeit gar keiner. Weil er: die falsche Musik hört und sich falsch ernährt und homosexuell ist. Aber: der, der sich noch immer Kommunist nennt, wird vielleicht eines Tages verstehen, worum es wirklich geht. Nach diesem Tag: wird der letzte linke Student nur noch der vorletzte linke Student sein und der, der sich noch immer Kommunist nennt, wird ebenfalls ein vorletzter linker Student sein. Und das: werden beide solange bleiben, bis sie mehr werden. Oder: weniger. Jedenfalls: keimt Hoffnung. Und Hoffnung: begründet Zuversicht. Zuversicht aber: braucht es, um die Revolution zu machen. Die Revolution wiederum: braucht es, damit der Mensch zum Menschen wird.

Wie auch immer: der letzte linke Student schreibt aus diesem Anlass etwas Freudiges in sein besonderes Notizbuch. Er schreibt: »Manchm. ist mir, als wären meine Gefühle stärker als meine Ratio. Dann arbeite ich gar nicht mehr an der Rev., sondern freue mich einfach nur so in den Tag hinein. Am nächst. Tag geht die Arbeit dann besser. Komisch.« Das liest der letzte linke Student noch einmal. Er merkt: so kann man das nicht sagen. Es klingt, bis auf »Ratio«, nicht intellektuell genug. Daher: killert er alles weg. Stattdessen schreibt er: »Was immer einer fühlt, die Sprache ist wichtiger.« Das wiederum ist ein guter Satz. An dem: kann man sich festhalten. Und auch wir sollten nicht immer einfach nur blue sein, sondern ruhig auch mal schwarz auf weiß denken.