Reich ins Heim

Neonazis bemühen sich um eigene Häuser auch deshalb, weil ihnen immer öfter die Nutzung öffentlicher Räume verweigert wird. Aber auch wenn Immobilien-Geschäfte platzen, profitieren sie davon. von jean cremet

Dresden-Pappritz. Hier fanden u.a. das Pressefest der Deutschen Stimme 2006 und der »Sachsentag« der Jungen Nationaldemokraten 2007 statt. Austragungsort dieser rechtsextremen Events: eine Tennishalle, ein illegal errichtetes großes Blockhaus und ein sich daran anschließendes Frei­gelände. Der Traum von einem Fünf-Sterne-Hotel, das Wolfgang Jürgens, der Besitzer dieser Liegenschaft, dort errichten wollte, war schnell ausgeträumt, die NPD ihm deshalb als regelmäßiger Mieter höchst willkommen. Die Stadt drohte mit Abriss des in einem Landschaftsschutzgebiet gelegenen Gebäudes, die NPD mit dem Umzug ihrer Landesgeschäftsstelle genau dorthin. Im Februar 2007 meldeten Zeitungen gar den Verkauf der Liegenschaft an einen NPD-Funktionär zu einem Preis von 3,25 Millionen Euro. Daraufhin inspizierte die Bauaufsicht eines der Blockhäuser in Papp­ritz, nachdem demonstrativ NPD-Fahnen auf dem Gelände gehisst worden waren. Fehl­alarm, nichts als leere Aktenordner. Offenbar war die NPD noch nicht eingezogen. Großes Aufatmen bis in die Sächsische Staatskanzlei, denn der Wohnsitz des Ministerpräsidenten Georg Milbradt liegt nur wenige hundert Meter entfernt. Doch auch der Verkäufer Wolfgang Jürgens bestätigte: Der Vertrag sei schon unterzeichnet. Jetzt müssten die öffentlichen Instanzen den Kauf noch abnicken, der noch fehlende Grundbucheintrag sei nur eine Formsache. Doch zu dieser Eintragung kam es nie. Die Aufregung, die all dieses verwirrende Hin und Her erregt hatte, ebbte wieder ab.

Der vermeintliche Käufer des Grundstücks, Uwe Meenen, ist ein alter Bekannter in Sachen Immobilien-Deals im direkten Umfeld der NPD. 2001 hatte er das Schloss Trebnitz in Sachsen-Anhalt im Treuhandauftrag für Steffen Hupka, ehemaliges Parteivorstandsmitglied der NPD, erworben. Den verhinderten Hotelbesitzer Wolfgang Jürgens kennt Meenen seit spätestens 2005. Damals kaufte er im bayerischen Grafenwöhr von diesem eine Tennishalle. Die Proteste blieben nicht aus, die Stadt machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Zum überhöhten Preis von 300 000 Euro wurde sie stolze Besitzerin. Dass die NPD mit einer Art Provision von dem Geschäft doch noch profitiert haben könnte, wird seitdem immer wieder vermutet.

Uwe Meenen selbst ist alles andere als der typische potente Immobilenkäufer. Der langjährige NPD-Kader, der seine Karriere 1984 als Kreisschatz­meister der Jungen Nationaldemokraten in Würzburg begonnen hatte und gegenwärtig als stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Bayern fungiert, war erst wenige Wochen vor dem Scheingeschäft in Grafenwöhr vom Amtsgericht Würzburg wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt worden. Im Prozess hatte er angegeben, über ein Einkommen von lediglich 600 Euro monatlich zu verfügen. Dieses werde aber demnächst ansteigen, da er auf ein Existenzgründerdarlehen der Bundesagentur für Arbeit warte. Es darf bezweifelt werden, dass dieser Kredit zum Kauf der Tennishalle gereicht hätte. Trotz offenkundig leerer Taschen fällt Meenens Name immer wieder im Zusammenhang mit Bemühungen, größere Gebäude für die NPD und die Kameradschaftsszene zu beschaffen, so auch 2006 im oberpfälzischen Cham (Jungle World 20/06).

Einerseits suchen die Nazis tatsächlich händeringend nach Hausbesitz, da mit ihrem wachsenden Erfolg die Neigung der Behörden wächst, öffentliche Gebäude für Parteitage und andere Veranstaltungen zu verweigern. Aus diesem Grund musste etwa der für den Herbst geplante Bundesparteitag der NPD auf das Frühjahr verschoben werden. Die Nazis hatten sich vergeblich um Räume in Oldenburg und im sächsischen Cos­wig bemüht. Das gleiche Schicksal ereilte den Landesparteitag Thüringen. Der Landesparteitag Berlin wiederum wurde im November kurzerhand nach Brandenburg in einen bereits mehrfach genutzten Gasthof ausgelagert. Auch Räumlichkeiten für Konzerte sind immer schwerer zu bekommen. Der wachsende Widerstand der Kommunen trifft auf ein gestiegenes Problembewusstsein der Gaststättenverbände, die ihre Mitglieder vermehrt dazu aufrufen, nicht an Nazis zu vermieten. Am Erfolg dieser Appelle darf dennoch gezweifelt werden. Die Hotelkette »Holiday Inn« konnte leicht auf den Umsatz mit Nazis verzichten und die Stornierung eines entsprechenden Auftrags – wie in Dresden geschehen – sogar werbewirksam einsetzen. Die kleine Pension oder der Dorfgasthof dürften sich mit einem solchen Schritt schon aus ökonomischen Gründen erheblich schwerer tun. Gekaufte oder gepachtete Anwesen entsprechender Größe könnten selbstverständlich für die Nazis leicht Abhilfe aus der Misere schaffen.

Andererseits kann – wie im Fall Grafenwöhr und Pappritz – davon ausgegangen werden, dass es bei Immobilien-Geschäften nicht nur um den tatsächlichen Erwerb von Objekten geht, sondern es auch Absprachen zum beiderseitigen Nutzen gibt. Für den Eigner der Immobilie besteht dieser im erhöhten Erlös. Für die NPD ist die Medienöffentlichkeit kostenlose Propaganda. Und wenn dann noch Provisionen fließen, trägt dies zum Auffüllen der notorisch klammen Kassen der NPD bei, die seit ihrem eigenen Spenden­skandal in Thüringen noch leerer sind als sonst. Auch der umtriebige Jürgen Rieger, Landesvorsitzender der NPD in Hamburg, hat bei solchen Geschäften bereits gezeigt, dass die NPD sehr wohl in der Lage ist, auf beiden Klaviaturen gleichzeitig zu spielen. Klappt der Deal, verfügt man über Räumlichkeiten. Schlägt er fehl, hat man den Nutzen auf andere Weise.

Inzwischen können die Neonazis bei ihren Veranstaltungen in ganz Deutschland auf eigene Häuser zurückgreifen. Die rechtsextreme Szene besitzt bundesweit mehr als 20 Immobilien, die als Veranstaltungs-, Schulungs- oder Konzerträume genutzt werden, teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mit.

Erbschaften spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau dieses kleinen Immobilien-Imperiums. So hatte beispielsweise eine NPD-Anhängerin ihre Ferienwohnung im oberitalienischen Iseo der Partei vermacht, die dann als Parteischule genutzt wurde. Das Haus der Schwestern Charlotte und Frida Krieg diente zeitweise als Landesgeschäftsstelle Baden-Württemberg. Parteimitglieder wie der inzwischen verstorbene Stuttgarter Architekt Carl-Arthur Bühring ermöglichten der NPD gerade in der Zeit ihres langen Siechtums das Überleben. 2001 spendete Bühring knapp 110 000 DM an die NPD. Bereits im November 1999 war er bei der Jubiläumsveranstaltung der NPD in München zum 35jährigen Bestehen als finanzieller Förderer der Partei geehrt worden. Nach der Ernennung zum Ehrenmitglied vermachte er den Verkaufserlös seines Hauses der NPD. Als Dank benannte diese ihre Parteizentrale in Berlin-Köpenick nach ihm. Die (Ur-)Altnazis, in der Frühphase der Bundesrepublik oftmals nicht nur zu Ansehen, sondern auch zu Vermögen gekommen, sind in dem Alter, in dem sie sich einer nach dem anderen zur »Kameradschaft Walhalla« gesellen. Jene von ihnen, die dem Wahlspruch von einst – »Unsere Ehre heißt Treue« – ergeben geblieben sind, tun das ihre, damit dieser Geist weiterwirken kann. Und ehe die Kohle an die nichtsnutzigen, vom 68er-Virus verseuchten Kinder und Enkelkinder geht, sollen lieber die Kameraden profitieren. So finden die alten Ideale von damals immer wieder ein Dach, unter dem sie gedeihen können.