Die superpornografische Moschee

Eine Fotoserie des Künstlers Fouad Bellamine versetzte iranische Diplomaten in Mexiko in Rage. von wolf-dieter vogel

Bis Anfang Februar sollte »Der Ursprung der Welt« im mexikanischen Puebla zu sehen sein, doch schon nach zwölf Tagen wurde das Kunstwerk abgehängt. Der marokkanische Künstler Fouad Bellamine zog seine Fotoserie selbst zurück, nachdem er vom iranischen Botschafter in Mexiko, Moham­mad Hassan Ghadiri Abyaneh, bedroht worden war. Die Bilder zeigen einen weiblichen Schoß, der teilweise von der Silhouette einer Moschee bedeckt wird. Das, so fand der Diplomat Ghadiri, sei »superpornografisch« und verhöhne die islamische Kultur. Das Werk müsse sofort entfernt werden, sonst sorge er für eine »diplomatische Krise zwischen Mexiko und der islamischen Welt«. Den Marokkaner werde er zum »Feind des Islam« erklären.

22 Künstler aus Marokko, Ägypten, den palästinensischen Gebieten, dem Irak und anderen arabischen Ländern zeigen ihre Arbeiten seit Ende November auf der Ausstellung »Espejismos« (Spiegelbilder), die im Rahmen des neunten Internationalen Festivals von Puebla stattfindet. Doch schon auf der Eröffnungsveranstaltung stellte Ghadiri klar, dass der »Ursprung der Welt« für seinen Geschmack wenig mit islamischer Kultur zu tun habe. »Diese Ausstellung wäre in keinem islamischen Land möglich«, sagte er. Sein Urteil über Bellamine fiel eindeutig aus: »Es ist sehr seltsam, einen wahnsinnigen, vulgären und dummen Künstler einzuladen, wo doch die islamische Welt voll von authentischen Vertretern ihrer Kunst und Kultur ist.«

Der in Frankreich lebende Bellamine reagierte zurückhaltend. Er habe den Islam nicht beleidigen wollen, gab der Künstler an und verwies darauf, dass die Arbeit eine Hommage an den französischen Maler Gustave Courbet (1819 bis 1877) sei. Courbet hatte im 19. Jahrhundert ein Bild gemalt, das eine unverhüllte Vagina zeigt. Das Gemälde wurde damals zensiert. »Es obliegt der Freiheit jedes Betrachters zu sehen, was er sehen will«, sagt Bellamine über seine Fotoserie. Dass in der Silhouette die al-Quds-Moschee in Jerusalem zu erkennen sei, wie der iranische Botschafter behauptet, sei falsch. Genauso gut könne man eine Kirche oder eine Synagoge ausmachen, führt der Künstler aus. Das ist eine gewagte These, denn das Symbol erinnert eindeutig an eine Moschee.

»Er stand sehr unter Druck und wollte keine Probleme für Mexiko oder Marokko provozieren, und noch weniger für sich selbst«, erklärt die Kuratorin Aziza Alaoui den Rückzug Bellamines. Die mexikanische Form des Karikaturenstreits sorgte für Schlagzeilen, allerdings entstand nicht die notwendige Unterstützung für den marokkanischen Künstler. Linke Kommentatoren ignorierten das Thema, lediglich Liberale kritisierten die unverhohlenen Drohungen gegen Bellamine eindeutig. Dabei nimmt das Land historisch betrachtet eine bedeutende Rolle im Kampf für säkulare Verhältnisse ein. Im Zuge der mexikanischen Revolu­tion wurde in den zwanziger Jahren verfassungsrechtlich der Religionsunterricht an Schulen im öffentlichen Raum verboten, Geistliche durften sich nicht mehr für Wahlen aufstellen lassen und sich auch nicht direkt in die Politik einmischen.

»Hier nicht, Herr Botschafter!« forderte deshalb, leider erfolglos, Leo Zuckermann vom sozialwissenschaftlichen Institut CIDE und erinnerte an die Gefahren, denen Salman Rushdie ausgesetzt ist. »In Mexiko haben Künstler das Recht, ihre Werke auszustellen. Ob es sich dann um Müll handelt oder nicht, kann jeder Betrachter nach seinen persönlichen Kriterien entscheiden«, stellte Zuckermann klar. Die linke Tageszeitung La Jornada beschränkte sich darauf, in einem kurzen Artikel über den Vorfall zu berichten. Wenige Tage, nachdem Bellamine Anfang Dezember seine Arbeit hatte entfernen lassen, veröffentlichte das Blatt dafür ein Gespräch mit Ghadiri, in dem der Botschafter ausführlich über die »Solidarität der Völker« und die »gemeinsame Feindschaft zum US-Imperialismus« plaudern durfte. »Der Islam erlaubt uns nicht, zu morden oder zu zerstören«, führte der ehemalige Vertraute des Ayatollah Khomeini mit Bezug auf das Atomprogramm seines Landes aus. Eine Frage zum Skandal um den »Ursprung der Welt« suchte man dagegen vergebens.