Krüge, Kronen und Kostüme

Die Monarchie gilt als eine zum Untergang verdammte Herrschaftsform. Doch viele Monarchen halten sich recht gut, und es bilden sich sogar neue Dynastien. von jörn schulz

Über 30 000 Jahre lang kam der Homo sapiens recht gut ohne Herrscher aus. Es gab wohl bereits Autoritäten und Partriarchen, aber noch keine Befehlshaber, die das gesellschaftliche Mehrprodukt einstreichen und ihre Untertanen strafen und belohnen konnten. Etwa 5 000 Jahre nach der Einführung des Ackerbaus änderte sich das. Der erste Monarch, dessen Namen wir kennen und dessen Existenz durch archäologische Funde belegt ist, war Skorpion I., der im 32. Jahrhundert v. Chr. in Ägypten herrschte. In seinem Grab befanden sich 400 zumeist mit Wein gefüllte Krüge. Man glaubte, den bereits im Diesseits privilegierten Monarchen auch noch für sein Leben im Jenseits standesgemäß ausstatten zu müssen.

Warum tranken seine Untertanen den Wein nicht selber? Sich den Zumutungen eines Herrschaftssystems zu unterwerfen, ist für Menschen kein »natürliches« Verhalten. Der Kulturanthropologe Marvin Harris skizziert die Entwicklung von der Führung durch Häuptlinge, die zur Mehrarbeit ermutigten, selbst am meisten schuften mussten und verpflichtet waren, die erwirtschafteten Überschüsse zu verteilen, zu Herrschern, die Vorräte verwalten und Mehrarbeit erzwingen können. Einmal etabliert, wird ein solches System durch Gewalt aufrechterhalten.

Dennoch wird vom Herrscher erwartet, dass er etwas bietet. Untertanen, die sich übervorteilt fühlen, können recht ungehalten werden. Daher empfiehlt es sich, das Herrschaftssystem zu heiligen. Auch dies ist eine Enteignung, denn zuvor war jeder befugt, mit den höheren Mächten in Kontakt zu treten. Ein Monarch monopolisiert nicht nur Macht und Ressourcen, sondern meist auch den Draht nach oben. Er bezeichnet sich als Sohn der Götter, als König »von Gottes Gnaden«, oder doch wenigstens als Wahrer einer göttlichen Ordnung.

Bereits in der Antike regten sich Zweifel, ob das alles so sein müsse. Die im Mittelmeerraum entstandenen Republiken entsprachen nicht den heutigen Standards der Demokratie, bemühten sich aber, das politische System rationaler zu organisieren. Ein noch härterer Schlag folgte der Aufklärung. Sofern sie nicht gestürzt wurden, fristen fast alle Monarchen Europas ihr Dasein als dekorative Elemente in einer Republik, zuständig für die Repräsentation und Motiv für Paparazzi. Man kann sie als überflüssig und langweilig schmähen oder sie um ihre Apanagen, teuren Kostüme und Paläste beneiden. Schaden aber richten die Mitglieder solcher Königshäuser höchstens noch an, wenn sie mit einem Tunnelpfeiler kollidieren. Auch in anderen Teilen der Welt stürzten Könige. Trotz mancher Rückschläge schien der Verfall der Monarchie unaufhaltsam.

Doch ist dieser Optimismus berechtigt? Es gibt sie noch, die Monarchen, die etwas zu sagen haben, auch in Europa. Herrscher, die alle Wellen der Aufklärung, Säkularisierung und Demokratisierung überstanden haben, nicht immer unbeschadet, aber ohne dass eine Guillotine sie ihres Hauptes oder eine republikanische Bewegung sie ihrer Macht beraubt hätte. Francis Fukuyama verkündete 1992 das »Ende der Geschichte« durch die »Universalisierung der westlichen liberalen Demokratie als der endgültigen Form menschlicher Regierung«. Zwei Jahre später starb der nordkoreanische Diktator Kim Il-sung, sein Sohn Kim Jong-il wurde sein Nachfolger. In einer stalinistischen Republik war eine neue Dynastie entstanden, mitsamt einer neuen Mythologie.

Dabei sollte es nicht bleiben, in Syrien folgte Bashir auf Hafiz al-Assad, im Kongo Joseph auf Laurent Kabila, dynastische Bestrebungen gibt es auch in anderen Staaten wie Ägypten und Libyen. Politische Dynastien, die kein Monopol erringen können, wie die Bhuttos in Pakistan und die Bushs in den USA, gibt es in zahlreichen weiteren Ländern. Ist die Demokratie womöglich nur, ähnlich wie in der Antike, ein kurzes Intermezzo zwischen zwei Epochen der Monarchie?

Karl Marx betrachtete Kapitalismus und bürgerliche Demokratie als ein Übergangsstadium, mit dem Kommunismus sollte dann die menschliche Geschichte erst richtig beginnen. Eine rationale Organisation der Gesellschaft würde dann auch Religionen und Mythologien entbehrlich machen. Allerdings sagte Marx auch: »Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.« Welche Umstände sind es, die eine Gesellschaft dazu bringen, einen Monarchen zu dulden oder gar einen neuen hervorzubringen?

Nach ihrer Existenzgrundlage können Monarchen, die reale Macht ausüben, in vier Kategorien eingeordnet werden. Es gibt exotische, religiöse, ölreiche und unscheinbare Monarchen. Ihnen gesellt sich eine neue Kategorie hinzu, die der postrepublikanischen Emporkömmlinge.

Halbnackte Jungfrauen

Wer dazu neigt, die Monarchie als anachronistisches Relikt mit dürftigen Zukunftsaussichten zu betrachten, wird beim Exoten am ehesten fündig. Der exotische Monarch profitiert davon, dass sein Herrschaftsgebiet zu abgelegen oder unbedeutend ist, um größeres internationales Interesse hervorzurufen. Wenn er Glück hat, gebietet er über ein reiches Ländlein mit zufriedenen Bürgern, die in ihrem Exoten einen schrulligen, aber harmlosen Garanten des Wohlstands sehen. So konnte Fürst Hans-Adam II. die Bürger Liechtensteins im Jahr 2003 dazu bewegen, in einem Referendum einer Ausweitung seiner Befugnisse zuzustimmen, indem er drohte, er werde ansonsten ins Exil gehen.

Der exotische Herscher eines armen Landes hingegen muss befürchten, dass die Bevölkerung ein solches Angebot dankbar annimmt. Zwei Monate nachdem Tupou V. König von Tonga geworden war, kam es im November 2006 zu einer Rebellion. Anlass war die Vertagung des Parlaments, das Demokratisierungsmaßnahmen beschließen sollte. Regierungsgebäude, Büros und Geschäfte wurden geplündert und angezündet. Dass vor Mswati III., dem König von Swaziland, alljährlich Tausende halbnackte Jungfrauen aufmarschieren, ist ein Spektakel für die internationalen Medien. Doch der Exot erscheint nur aus der Ferne betrachtet exotisch, wer ihm nahe ist, sieht in ihm eher einen raffgierigen und unfähigen Despoten. Dass der nepalesische König Gyanendra traditionell als eine Reinkarnation des Hindu-Gottes Vishnu gilt, verhinderte seine Entmachtung nicht.

Spirituelle Weihen

Dennoch ist die Religion weiterhin eine gute Grundlage für eine Monarchie. Problematisch ist das Verhältnis zur weltlichen Macht. Die erfolgreichsten religiösen Monarchen sind jene, die sie ganz oder weitgehend verloren haben. Nicht mehr mit dem lästigen Geschäft des Abschlachtens von Untertanen beschäftigt, gewinnen sie an spiritueller Weihe. Kaum jemand würde dem Dalai Lama huldigen, wenn er noch immer über ein verarmtes, feudales Tibet gebieten würde. Da nun die Chinesen über ein nicht mehr feudales, aber immer noch verarmtes Tibet gebieten, kann der Dalai Lama mit spirituellem Gesäusel zur globalen Kultfigur aufsteigen. Er selbst sagt: »Denke daran, dass etwas, was du nicht bekommst, manchmal eine wunderbare Fügung des Schicksals sein kann.« Papst Benedikt XVI. kann sich zum Hüter der Menschenrechte aufschwingen, deren Deklaration im Jahr 1791 sein Vorgänger Pius VI. ganz anders kommentierte: »Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken, als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren?«

Der Job hat allerdings zwei Nachteile. Buddhistische Mönche und katholische Geistliche dürfen keinen Sex haben oder sich jedenfalls nicht dabei erwischen lassen. Denn ihre Dynastie ist eine Institution, sie sollen keine Erben hinterlassen. Es wird auch erwartet, dass sie sich im Amt nicht persönlich bereichern. Der schiitische Islam ist da weniger streng, seine Geistlichen dürfen heiraten und Geld verdienen. Als Vali e-Faqih verwaltet der religiöse Führer, derzeit Ali Khamenei, die weltlichen Angelegenheiten des Iran, bis der verborgene Imam als Erlöser erscheint. Das kann noch eine Weile dauern. Die von Khomeini begründete religiöse Dynastie ist, wie das Papsttum, eine Wahlmonarchie; damit nichts schiefgeht, sind jedoch nur einige hohe Geistliche stimmberechtigt. Da Khamenei über ein nicht eben menschenfreundliches Regime gebietet, ist es um seine sprituellen Weihen schlecht bestellt. Weil es zu viele Iraner gibt, als dass die Öleinnahmen reichen würden, um nach Abzug der sonstigen Kosten viel zu verteilen, kann er auch nicht in die Kategorie der ölreichen Monarchen wechseln.

Ohne zankende Parteien

Unter geografischen Gesichtspunkten gibt es an den Ufern des Persischen Golfs die höchste Monarchiedichte der Welt. Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman werden mehr oder minder absolutistisch regiert. Der Sultan von Oman fällt eher unter die Kategorie der unscheinbaren Monarchen, ansonsten aber ist die Grundlage der Herrschaft das Öl. Die Berufung auf den Islam ist eine wichtige Ergänzung, insbesondere für den saudischen König Abdullah. Die Monarchie steht und fällt jedoch mit der Verfügung über die Ölrente, die es ermöglicht, einen umfangreichen Hofstaat zu unterhalten, eine Klientel zu bilden und der Bevölkerung einen gewissen Wohlstand zu garantieren. Der Ölreichtum schützt überdies vor übermäßigem Drängeln der »internationalen Gemeinschaft« auf Demokratisierung.

Das offensichtliche Problem dieser Monarchen ist es, dass die Ölquellen irgendwann einmal versiegen werden. Die klügeren Emire bemühen sich, durch wirtschaftliche Diversifizierung und die Gewährung von begrenzten Mitbestimmungsrechten einer Revolte vorzubeugen. Manche sehen in den Emiraten, deren Bevölkerungsmehrheit aus rechtlosen Migranten besteht, allerdings ein postmodernes kapitalistisches Paradies. Faisal Devji pries in der Financial Times Dubai als ein Land mit einer »Nationalität in der Form von Werbung und Waren«, ohne »zankende politische Parteien«, mit Herrschern, die »agieren wie Vorsitzende von Unternehmen«.

Farblose Autokraten

Nach sprachlichen Kriterien hat die arabische Welt die höchste Monarchiedichte. Es mag unfair erscheinen, einige Könige als unscheinbar zu bezeichnen, nur weil es ihnen an halbnackten Jungfrauen, spirituellen Weihen und Öl fehlt. Sie zeichnen sich aber nun einmal durch nichts aus. Im Grunde sind sie ganz normale Autokraten, die es geschafft haben, ihren Söhnen den Job zu vererben. In den meisten Fällen verdankt eine solche Dynastie ihre Herrschaft der Unfähigkeit anderer Gruppen, in der Phase der Entkolonialisierung die Macht an sich zu reißen. Sind die Intellektuellen nicht in der Lage, eine Revolution zu organisieren, die Offiziere zu zerstritten, die Großgrundbesitzer zu faul und die Bürokraten zu unterwürfig, kann sich ein König über sie erheben. Dies geschah in Marokko und in Jordanien, wo derzeit König Abdullah II. regiert.

Um einen Ausgleich zwischen einflussreichen Gruppen zu ermöglichen, ist der unscheinbare Monarch gezwungen, eine gewisse politische Öffnung zuzulassen. Er achtet jedoch sorgsam darauf, dass dies nicht in Demokratie ausartet. Dieses autokratische System unterscheidet sich kaum von dem in Ländern wie Ägypten, wo sich die Offiziere 1952 darauf einigen konnten, den König zu stürzen. Seitdem regiert das Militär, und Präsident Hosni Mubarak ist bemüht, seinen Sohn zu seinem Nachfolger zu machen.

Neue Dynastien

Andere haben bereits geschafft, worum Mubarak sich bemüht. Noch ist unklar, ob die postrepublikanischen Emporkömmlinge tatsächlich eine Dynastie gründen können. Wirklich coole Typen sind sie nicht, doch einer von ihnen, Joseph Kabila, schaffte es, sich durch eine Wahl zu legitimieren, und kann nun sogar UN-Truppen im Kampf gegen seine Feinde einsetzen. Schließlich wird jede Dynastie von einem Usurpator begründet, wahrscheinlich musste schon Skorpion I. Rivalen und Konkurrenten beseitigen, um sich den Thron und die 400 Krüge zu sichern.

Kabila übernahm die Macht nach der Ermordung seines Vaters, eines ehemaligen Guerillaführers, der sich zum Warlord hocharbeiten und schließlich die Macht erobern konnte. Die Basis seiner Macht ist vor allem die Apathie einer kriegsmüden Bevölkerung. Kim Jong-il und Ba­shir al-Assad sind aus republikanischen Diktaturen hervorgegangen. Es gelang ihren Vätern, die Macht so sehr auf ihre Person zu konzentrieren, dass niemand sich der Erbfolge zu widersetzen wagte. Dergleichen ist weder im Stalinismus noch im Ba’athismus vorgesehen, doch eignen sich auch säkulare Ideologien zur Heiligung der Herrschaft.

Wie eine Töpferscheibe

Insofern ist die These, die Monarchie habe keine Zukunft, vielleicht eine voreilige Schlussfolgerung. Der Papst und der Dalai Lama profitieren von der gesellschaftlichen Regression, dem Bedürfnis, sich einer weisen und charismatischen Autorität zu unterwerfen. Die meisten weltlichen Monarchen widersetzen sich mit erschreckendem Erfolg der Demokratisierung, und der Versuch, postrepublikanische Dynastien zu errichten, entspricht dem Trend, antiliberale Formen kapitalistischer Herrschaft zu etablieren.

Verglichen mit den mehr als 5 000 Jahren Dominanz der Monarchie ist das bürgerliche Zeitalter recht kurz, und zu Unrecht wird die Aufklärung als abgeschlossene Epoche betrachtet, vielmehr handelt es sich um einen noch längst nicht abgeschlossenen Prozess. Immerhin, auch das Befürfnis, sich des Herrschers zu entledigen und den Wein selber zu trinken, ist sehr alt und unausrottbar. Das mussten schon die Pharaonen erfahren, eine Schrift aus dem 23. Jahrhundert v. Chr. berichtet: »Sehet, die Amtszimmer sind leer und ihre Listen fortgenommen, kein Amt ist mehr an seiner richtigen Stelle. Sie sind wie eine aufgescheuchte Herde ohne Hirten. (…) Sehet, die keine Kiste hatte, besitzt jetzt eine Truhe, die ihr Gesicht im Wasser besah, besitzt jetzt einen Spiegel. Das Land dreht sich um wie eine Töpferscheibe.«

Kim Jong-il

Geliebter Führer ­Nordkoreas

Ein anständiges Kostüm fehlt ihm noch. Doch wer für sich in Anspruch nehmen kann, die »Sonne des 21. Jahrhunderts« zu sein, erstrahlt auch so, ganz wie der doppelte Regenbogen 1942 zu Ehren seiner Geburt über dem heiligen Berg Paektu. Wer sechs Opern komponierte, den großen Turm von Pjöngjang entwarf und eine Filmrevolution bewirkte, um nur einige seiner Verdienste zu nennen, bedarf nicht des glimmernden Tands. Als Kim Il-sung, die »Sonne der Nation«, im Jahr 1994 starb, war es daher selbstverständlich, dass sein so vielseitig begabter Sohn die Macht übernahm. Die von westlichen Geheimdiensten und seinen ausländischen Köchen gesammelten Informationen ergeben allerdings ein etwas anderes Bild: Kim steht auf Stripperinnen, er ist ein launischer Feinschmecker, besonders schätzt er Su­shi und Reisküchlein aus Japan. Die Nordkoreaner würden es zu schätzen wissen, wenn sie wenigstens genug Reis hätten. Ihr poststalinistischer Sonnenkönig stützt sich vornehmlich auf das Militär, scheint aber bereit zu sein, das Atomwaffenprogramm gegen Wirtschaftshilfe einzutauschen. Zu Ehren des Proletariats lässt er nun Sonderwirtschaftszonen einrichten, in denen die Nordkoreaner zu Niedrigstlöhnen schuften dürfen.

Mswati III.

König von Swaziland

Die Konkurrenz war groß, sein Vater Sobhuza II. hatte 67 Söhne. Der königliche Rat entschied sich in einem geheimen Verfahren für Makhosetive, der als Mswati III. seit 1986 über die letzte absolutistische Monarchie Afrikas herrscht. Der König, der unter anderem an der britischen Militärakademie Sandhurst ausgebildet wurde, regiert per Dekret, politische Parteien sind verboten. Mswati III. präsentiert sich gerne als traditioneller afrikanischer Bilderbuchherrscher, lebt jedoch vor allem von seinem Deal mit der Coca Cola Company, deren Dependance für etwa 40 Prozent des Bruttosozialprodukts sorgt. Um die Verbreitung von Aids einzudämmen, verbot Mswati III. im Jahr 2001 allen weiblichen Untertanen unter 19 Jahren für fünf Jahre den Sex. Drei Jahre später stellte der UN-Sondergesandte Stephen Lewis fest, dass Swaziland mit mehr als 38 Prozent die höchste Infektionsrate der Welt hat. 2005 heiratete Mswati III. eine 17jährige, bezahlte aber brav die für dieses Vergehen vorgesehene Strafe von einer Kuh. Er hat 13 Ehefrauen, zwei sind ihm allerdings bereits davongelaufen. Die meisten seiner Untertanen würden wohl gerne das gleiche tun, wenn sie wüssten, wohin. 70 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar am Tag, die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. Den letzten größeren Aufstand gab es im Jahr 1996.

Benedikt XVI.

Papst

Joseph »Benedikt« Ratzinger ist der letzte absolutistisch regierende Monarch Europas. Vom Kirchenstaat, den sich der Klerus im Mittelalter durch Intrigen und Fälschungen ergaunerte, ist nur ein Fleckchen von 0,44 Quadratkilometern geblieben. Im Vatikanstaat gibt es keine Steuern, keine Stromrechnungen und keine Werbung. Allerdings gibt es offiziell auch keinen Sex, obwohl der Palast des Papstes einstmals berühmt für seine freizügigen Partys war, keine Meinungsfreiheit und keine Gewerkschaften. Der Papst gebietet exterritorial über 1,1 Milliarden Katholiken und über ein gewaltiges Wirtschafts­imperium, allein der Wert des Immobilienbesitzes wird auf mehrere hundert Milliarden Euro geschätzt. Frei verfügen kann Benedikt über diesen Reichtum allerdings nicht, er selbst bezieht nicht einmal ein Gehalt. Großzügige Räumlichkeiten im Vatikanstaat sowie eine Sommerresidenz, Kostüme und Autos (neben dem Papamobil u.a. ein VW Phaeton W12 und ein Volvo XC 90) werden ihm gestellt. Ratzinger hat mehr als 40 Bücher veröffentlicht, er gilt als bedeutender Theologe. Mit übermäßigem Esprit dagegen schien der Herr ihn nicht gesegnet zu haben. Doch mit dem Amt erwarb Ratzinger so etwas wie Charisma. Mittlerweile hat er zahlreiche Fans, seine Auftritte sind beliebt, und trotz einiger Dispute mit der muslimischen Konkurrenz sehen die meisten Reaktionäre anderer Konfessionen in ihm einen wertvollen Verbündeten im Kampf gegen den Säkularismus.

Abdullah II.

König von Jordanien

Im wirklichen Leben ist Abdullah II. Marschall der königlichen Luftwaffe. Als Kronprinz wollte er höher hinaus, 1995 spielte er eine Nebenrolle in einer Folge von »Star Trek: Voyager«. Sprechen durfte er nicht, da er kein Mitglied der Gewerkschaft war. Im Königreich Jordanien sind es eher die Gewerkschafter, die den Mund halten müssen, in ihrem diesjährigen Bericht stellt die International Trade Union Confederation »viele Einschränkungen der Gewerkschaftsrechte« fest. Der König kommandiert Militär und Geheimdienste, kontrolliert die Justiz und hat ein Vetorecht, das nur von einer Zweidrittelmehrheit beider Parlamentskammern überstimmt werden kann. Da er die Senatsmitglieder ernennt, ist eine solche Unbotmäßigkeit nicht wahrscheinlich. Abdullah II., der seit 1999 regiert, gehört zur Dynastie der Haschemiten, einer Stammesaristokratie aus Zentralarabien, die vom Propheten Mohammed abzustammen behauptet. Ein Vorgänger, Abdullah I., hatte nach dem Ersten Weltkrieg eigentlich lieber Syrien erobern wollen, doch Winston Churchill überredete ihn, das damals französische Gebiet in Ruhe zu lassen und sich mit dem ärmlichen Jordanien zufriedenzugeben. Immerhin konnten die jordanischen Haschemiten ihre Macht erhalten, während andere Mitglieder des Clans den Sauds und den irakischen Nationalisten unterlagen.

Abdullah al-Saud

König von Saudi-Arabien

Erst als 81jähriger konnte Abdullah den Thron Saudi-Arabiens besteigen, des einzigen Landes der Welt, das nach seinen Besitzern benannt ist. Der Aufstieg des Clans der Saud begann 1744, damals verbündeten sie sich mit dem Geistlichen Mohammed ibn Abd al-Wahhab, dessen fundamentalistische Lehre die Staatsdoktrin ist. Über den Staatskonzern Aramco kontrolliert das Königshaus die Öleinnahmen, schätzungsweise 20 Prozent werden dem Haushalt vorenthalten. Diese Milliarden dienen dem Unterhalt der rund 7 000 Prinzen, aber auch der Verbreitung der Staatsdoktrin im Ausland. Diskretion ist das oberste Gebot, es gibt kaum zuverlässige Angaben über Abdullah. Zeugte er sieben Söhne oder womöglich 15? Hat er tatsächlich 30 Mal geheiratet? Ist er mit einem Vermögen von mehr als 20 Milliarden Dollar der reichste König der Welt? Hofbiografen informieren, dass er sich »die Liebe zur Wüste und zur Reitkunst bewahrt« hat. Wohlwollende ausländische Beobachter halten ihn für einen »Reformer«. Die Macht der Geistlichen, die auch eine Konkurrenz sind, scheint er tatsächlich einschränken zu wollen. Weitere Reformen erübrigen sich wohl, da das Land seiner Ansicht nach »jetzt eine Demokratie« ist.