Ups, lecker!

Platte Buch von thomas blum

In Zeiten, in denen der Deutsche nicht müde wird zu beschwören, auch er sei, wie andere, ein Kulturmensch, ist es ratsam, ein Buch zur Hand zu nehmen, das derlei Unsinn berichtigt. Der Leser erfährt hier aus zahlreichen Artikeln, alphabetisch nach Stichworten geordnet, die Wahrheit. Sie wollen sich etwa über die Ernährungsvorlieben der Deutschen kundig machen? »›Pizza Hawaii‹ ist tatsächlich teiggewordenes Zeugnis der hohen Regressionsanfälligkeit des deutschen Volkscharakters insgesamt.« Fleischsalat? »Die Masse eignet sich auch gut zum Nachverfugen loser Küchenkacheln.«

Oder man denke an den »Kaffee« in Pappbechern, den die Deutsche Bahn, das letzte legale Terrorunternehmen Deutschlands, in ihrem »Bistro« verkauft: »Eine Art Fleischbrühe mit einer leichten Ochsenschwanz-Note«. Oder an die Deutsche Post AG, bei der einem – nicht anders als bei der Deutschen Bahn – »eine aggressive Form der Gleichgültigkeit des Personals« auffällt, »das sich offenbar seit dem Berufsstart in einem irreversiblen Zustand innerer Kündigung befindet«. Ja, zuweilen kann man nicht umhin, solche Erkenntnisse des Autors, die offenbar präzisen Alltagsstudien entstammen, zu bestaunen: »Leute, die ›lecker‹ sagen, sagen auch ›ups‹, wenn was runterfällt.«

Doch Martin Hecht gibt nicht nur die richtigen Antworten, er stellt auch die richtigen Fragen. Warum, fragt er, darf hierzulande ein Journalist »ungestraft Sätze wie diese« sagen: »Die deutsche Bahn fährt immer weiter in die roten Zahlen. Jetzt hat Mehdorn die Notbremse gezogen.«

Martin Hecht: Deutsche Unsitten. Eichborn-Verlag, Frankfurt/M. 2007, 304 S., 12,95 Euro