Altes währt am längsten

Nach über sechs Monaten Dauerkrise hat Belgien eine neue Regierung, zumindest für drei Monate. von eva brunner

Der neue belgische Ministerpräsident ist der alte, ja, genau der, der im Juni die Parlamentswahl verloren hat. Aber das ist alles kein Problem, soll er doch schnell, spätestens am 23. März, von dem flämischen Christdemokraten Yves ­Leterme abgelöst werden. Das Vorgehen hat allerdings den Haken, dass Wahlsieger Leterme bereits ein halbes Jahr lang erfolglos versucht hat, eine Regierung zu bilden. Offensichtlich dachte sich die Mehrheit der Parlamentarier nun, dass es doch irgendwie beruhigend sei, eine ­Regierung zu haben, bevor man in die Weih­nachts­­ferien geht.

In einer Vertrauensabstimmung wurden Guy Verhofstadt und seine Minister am 21. Dezember mit 97 Stimmen Mehrheit gewählt. Die Regierung, die im Parlament von gleich fünf Parteien unterstützt wird, ist »handlungsfähig«, was nicht ausbleibt, wenn es kaum noch eine Partei gibt, die nicht an der Regierung ist.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen den Christdemokraten und den Liberalen, die eine rechnerische Mehrheit haben, scheiterten da­gegen bisher an Konflikten zwischen den jewei­ligen Schwesterparteien aus dem flämischen bzw. wallonischen Teil Belgiens. Die Flamen wollen mehr Autonomie, wogegen sich die ärmeren Wallonen wehren.

Die Konflikte zwischen Flamen und Wallonen verschärften sich unter anderem durch einen Streit um den zweisprachigen Wahlkreis Brüssel-Halle-Vilvoorde. (Jungle World, 47/07) Die flämischen Abgeordneten nutzten ihre Mehrheit, um gegen den Willen der Wallonen den Wahlkreis zu teilen, so dass die frankophone Bevölkerung dort nicht mehr die wallonischen Parteien wählen kann. Dies war der erste Fall, in dem die wallonische Minderheit im Parlament durch eine Abstimmung übergangen wurde. Immer häufiger hört man nun von einer möglichen Teilung Bel­giens, obwohl die Mehrheit der Belgier dies Umfrageergebnissen zufolge nicht wünscht.

Nach der Bildung der Übergangsregierung, mit der König Albert II. Guy Verhofstadt Mitte Dezem­ber beauftragt hatte, können sich nun alle erst mal entspannen und darüber freuen, dass sie eine Regierung haben. Doch hat die Regierungs­krise eine Kluft zwischen den Bevölkerungsgruppen offenbart, die so tief zu sein scheint, dass die politische Einheit des Landes nicht mehr gewährleistet sein könnte.