Bartlos in Bagdad

Die neue US-Strategie im Irak ist erfolgreich, doch weite Teile des von den Briten inzwischen geräumten Südens stehen noch unter der Kontrolle schiitischer Milizen. Kommentar von thomas von der osten-sacken

Anfang des Jahres 2007 schien es um den Irak so schlecht wie nie zuvor bestellt. Bis zu 160 Anschläge und Attentate täglich verwüsteten das Land und zugleich sank in den USA die Zustimmung für den Krieg auf einen absoluten Tiefststand. Wer damals an eine Wende geglaubt hatte, schien entweder ein unbelehrbarer Neocon oder schlicht naiv zu sein.

Inzwischen müssen selbst deutsche Medien zugeben, dass die Befriedungsstrategie des US-­Militärs im Zentral- und Südirak erstaunliche Erfolge zeitigt. Starben im Irak noch im Mai 1 070 Menschen durch terroristische Gewalt, waren es im Oktober noch 317. In Bagdad haben Geschäfte, Restaurants und Friseurläden, in denen viele sich jener Bärte entledigen, die sie wachsen lassen mussten, weil bis vor kurzem noch Islamisten das Sagen hatten, bis in die Nacht geöffnet. So sieht selbst die Zeit nun die Hauptgefahr für den Irak darin, dass die amerikanischen Truppen abzögen, »bevor die Iraker in der Lage sind, auf eigenen Füßen zu stehen«.

Zwei Meldungen, die ihren Weg nicht in deutsche Medien gefunden haben, verdeutlichen die sich verändernde Lage. Die Briten, unter deren Kontrolle der Südirak bis vor kurzem stand, können kaum Erfolge vorweisen. Vor allem Basra befindet sich weitgehend unter Kontrolle schiitisch-islamistischer Milizen, die dort mit iranischer Unter­stützung ein Regime des Tugendterrors aus­üben. Vor wenigen Wochen begannen jedoch füh­rende Sheikhs der Region eine Unterschriftenkampagne. Binnen weniger Tage unterschrieben 300 000 Menschen den Aufruf, der unter anderem eine unabhängige Untersuchungskommission fordert, die sich mit der iranischen Politik im Irak befassen soll und den Iran auffordert, sich aus irakischen Angelegenheiten heraus­zuhalten.

Wer eine solche Petition dieser Tage im Südirak unterschreibt, ist bereit, sein Leben zu riskieren. Denn obgleich die extremistische Mahdi-Miliz Muqtada al-Sadrs einen Waffenstillstand verkündet hat, gehen die Übergriffe auf unverschleierte Frauen, Liberale und politische Gegner unvermin­dert weiter. Doch der Druck auf die Regierung, auch in Basra für Ordnung zu sorgen, wächst, und für 2008 scheint das Innenministerium eine großangelegte Aktion gegen die Milizenherrschaft im Südirak zu planen.

Im Nordirak plante das kurdische Parlament, ein repressives Pressegesetz zu verabschieden. Das führte zu Protest unter Journalisten, Intellek­tuellen und Menschenrechtsorganisationen. Sicher auch deshalb erklärte der Präsident der kurdischen Autonomieregion, Massud Barzani, das Gesetz nicht unterschreiben zu wollen.

Andererseits steht der Irak in zwei Statistiken ganz oben: bei Amnesty International unter den Ländern mit der höchsten Rate an vollstreckten Todesurteilen und bei Corruption Watch als einer der korruptesten Staaten. Die erfolgreiche Kooption sunnitischer Stammesmilizen im Kampf gegen al-Qaida hat im sunnitischen Dreieck die Macht der Stämme gestärkt, die alles andere als Befürworter einer Demokratisierung sind.

Doch erstmals ist der Blick in die Zukunft nicht nur trübe, auch wenn kein Grund zum Jubeln be­stehe, wie General David Petraeus, der US-Oberbefehlshaber im Irak, erklärte. Es bietet sich erneut die Möglichkeit, all jene im Irak zu unterstützen, die sich, oft unter Einsatz ihres Lebens, um eine Verbesserung der Lage bemühen. Eine Chance, die in Europa nicht wahrgenommen wird. Schließlich hat man sich längst entschieden, dass sich der Irak für die USA zu einem neuen Vietnam entwickeln werde.