Wie hältst du’s mit der Religion?

Die Diakonie Hamburg muss eine Frau entschädigen, die nicht zum Vorstellungs­gespräch eingeladen wurde, weil sie keiner christlichen Kirche angehört. von Anke Schwarzer

Die christlichen Kirchen in Deutschland haben es wahrlich nicht leicht. Zwar ist die Zahl der Kirchenaustritte nicht mehr so hoch wie vor einigen Jahren, aber allein der Geburtenrückgang in Deutschland sorgt für weniger Christenkinder. Damit nicht genug, macht den kirchlichen Einrichtungen auch noch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz das Leben schwer.

Im Dezember verurteilte das Arbeitsgericht Hamburg das Diakonische Werk dazu, 3 900 Euro Entschädigung an Yesim Fadia zu zahlen. Die Pädagogin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie keiner christlichen Konfession angehört. Nach Ansicht des Gerichts verstößt dies gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), besser bekannt unter der Bezeichnung Antidiskriminierungsgesetz, das im Sommer 2006 auf Drängen der Europäischen Union verabschiedet wurde.

»Es gibt in Deutschland ein erschreckend hohes Ausmaß an institutioneller Diskriminierung von Minderheiten, vor allem aber an rassistisch motivierter Gewalt«, sagte wenige Tage nach dem Ham­burger Urteil Bernd Schlüter, der sozialpolitische Vorstand des Diakonischen Werks der EKD, in einem anderen Zusammenhang, anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte, und forderte von der Bundesregierung konsequenteres Handeln. Die Evangelische Kirche und viele ihrer Einrichtungen sind sehr engagiert, was Antirassismus und den Einsatz für die Rechte von Einwanderern angeht. Gleichwohl gibt es in ihren Reihen Bedenken, den Kreis der Mitarbeiter für Nicht-Christen zu öffnen. Es scheint sogar üblich zu sein, ihnen bei einer Bewerbung den Beitritt zur Kirche nahe zu legen.

Nachdem sich Fadia auf eine Stelle in dem Projekt »Integrationslotse« beworben hatte, das zum Ziel hat, Migranten bei der Jobsuche zu unterstützen, rief eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werks an, bedankte sich für die interessante Bewerbung und erkundigte sich nach Fadias Religion. Die 45jährige Frau antwortete, dass sie wegen ihrer türkischen Herkunft gebürtige Muslimin sei, aber die Religion nicht praktiziere. Nach Fadias Aussage wies die Mitarbeiterin des Diakonischen Werks darauf hin, dass man bei der Diakonie auch bete, und fragte, ob sie bereit sei, in die christliche Kirche einzutreten. »Ich suche einen Job. Ich bin alleinerziehende Mutter und ich muss arbeiten«, lautete Fadias Antwort auf die Frage, die sie absurd fand. »Ich sagte, wenn ich ein Formular unterschreiben und Steuern zahlen soll, dann würde ich das wohl aus dem ökonomischen Zwang heraus auch tun. Ich weiß auch, dass überzeugte Kom­munisten der Kirche beitreten, um in einem interessanten Diakonieprojekt mitarbeiten zu können. Aber ich habe auch gefragt, ob das im Sinne der Kirche sei, zumal ich immer davon ausgegangen bin, dass Glaube etwas ist, das mit Über­zeugung zu tun hat.« Fadia erhielt eine Absage. Sie klagte dagegen und erhielt in erster Instanz Recht.

Beim Diakonischen Werk, in dessen Einrichtungen in der ganzen Republik über 400 000 Mitarbeiter beschäftigt sind, war man überrascht, sah man sich doch wegen der so genannten Kirchenklausel im AGG im Recht. Darin heißt es, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Beschäftigten unter Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit auswählen dürfen, wenn diese »im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt«.

Dieser Passus wird unterschiedlich interpretiert. Der Vizepräsident des Diakonischen Werks der EKD, Wolfgang Teske, erklärte, dass sich die Einstellungspolitik der Diakonie nicht ändern werde: »Zur Sicherung unseres evangelischen Profils gehört die Kirchenmitgliedschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.« Das Diakonische Werk will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann in Berufung gehen.

Klaus Bertelsmann, Rechtsanwalt und Mitautor des Bremer Kommentars zum AGG, sieht die Sache anders. Nicht bei allen Tätigkeiten könne eine Konfessionszugehörigkeit verlangt werden. Nötig sei eine kirchliche Prägung der entsprechenden Stelle, etwa wenn sie mit einem »Verkündungsauftrag« verbunden sei. »Der Papst sollte natürlich weiterhin katholisch sein«, meint Bertelsmann. Er sieht in dem Hamburger Urteil eine konsequente Anwendung des AGG.

Noch deutlicher wird Fadias Rechtsanwalt Sebastian Busch: »Der Diakonie fehlte die Reflexion darüber, was Diskriminierungsschutz auch in den eigenen Strukturen bedeutet. Mit dem Kirchen-Kriterium wurde der Großteil der Migranten von den Bewerbungschancen ausgeschlossen. Eine Auseinandersetzung mit den europäischen Vorgaben muss dort wohl noch nachgeholt werden.« Er geht davon aus, dass das Urteil Bestand hat. Aber »vor Gericht und auf hoher See« sei nichts sicher.

Die Sonderbestimmung gilt übrigens nur für das Merkmal Religion, nicht für die politische Gesinnung. Die CDU darf weiterhin konservative Raumpfleger einstellen, und linke Betriebe müssen nicht bangen, dass Neonazis ihre Buchhaltung übernehmen könnten.