Linkspartei XL

Für Staat, Arbeit und ein wenig Natur: Bei den anstehenden Wahlen in Hessen, Nieder­sachsen und Hamburg will die Linkspartei in die Parlamente gelangen. von markus ströhlein

Es geht ums Pferd. Man muss es präzisieren: Es geht um ein silbernes Ross auf weißem Hintergrund. Die niedersächsische CDU verwendet es im derzeitigen Wahlkampf in ihrem Logo. »So nicht!« schimpft die Linkspartei. Denn das Pferd erinnere an das niedersächsische Wappentier. Und das dürfen dem Wappengesetz des Landes zufolge »nur die Dienststellen des Landes führen oder in sonstiger Weise verwenden«. In einem Brief an die Staatskanzlei in Hannover verlangte die Linkspartei deshalb am vergangenen Freitag, »die missbräuchliche Anwendung des Wappentiers zu unterbinden«. Das leuchtet ein. Das Pferd ist ja irgendwie auch öffentliches Eigentum. Wenn niemand die CDU in die Schranken weist, privatisiert sie das Wappen vielleicht in der nächsten Legislaturperiode und verhökert den Gaul einfach an die meistbietende Heuschrecke. Deshalb: Pferd statt Profit!

Der Kampf für die ordnungsgemäße Verwendung des niedersächsischen Stammesmaskottchens dient einem höheren Ziel: Bei den »Winterwahlen«, wie die Linkspartei die Landtagswahlen in Niedersachsen, Hessen und Hamburg im Januar und Februar schicksalsträchtig nennt, möchte sie wie in Bremen im Mai 2007 ins Parlament gelangen. »2007 war das Jahr der Linken«, resümierte der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch auf der abschließenden Pressekonferenz der Partei im Dezember. Auch der Parteivorsitzende Lothar Bisky gab sich auf derselben Veranstaltung stolz: »Wir haben 2007 erfahren: Die Linke wirkt!« Man habe in Bremen über acht Prozent der Stimmen erhalten, Wasg und PDS im Juni vereinigt und zum Ende des Jahres einen Anstieg der Mitgliederzahl auf über 72 000 verzeichnet. Bartsch frohlockte: »Wir haben im Jahre 2007 Deutschland und auch Europa ein ­Stück weit verändert. Das Jahr 2008 soll dann ein noch besseres Jahr werden.«

Der Parteiapparat steht, das politische Personal brennt auf Taten. »In diesem Lande ist alles möglich – sogar Sozialismus!« verkündet Manfred Sohn, einer der Spitzenkandidaten in Nieder­sachsen, auf der Homepage des Landesverbands. Welche Form des Sozialismus ihm vorschwebt, lässt sich erahnen: Sohn war Mitglied im Marxistischen Studentenbund Spartakus, später im Sekretariat des Parteivorstands der DKP. Aber vor allem ist er Gewerkschafter. Das marxistisch-leninistische Hohelied auf die monotone Maloche hat er jedenfalls verinnerlicht: »Seit fast 20 Jahren arbeite ich im selben Betrieb.« Andere Landstriche als Niedersachsen sind nicht unbedingt nach seinem Geschmack: »Ich habe mein ganzes Leben in diesem Bundesland gelebt.« Er sieht es als seine Aufgabe, sich »für ein gerechteres, friedlicheres, waffen- und AKW-freies Niedersachsen« einzusetzen. Seine Ausführungen enden kämpferisch-romantisch mit: »Venceremos!«

Überhaupt scheint eine ehemalige Mitgliedschaft in der DKP von Vorteil gewesen zu sein, um einen vorderen Platz auf der Landesliste der Linkspartei in Niedersachsen oder Hessen zu erhalten. Fast ein Viertel der Spitzenkandidatinnen und ‑kandidaten in den beiden Ländern kann auf eine Zeit in der »Partei des arbeitenden Volkes« verweisen. Ein weiteres Viertel der Bewerberinnen und Bewerber hat sich auf den Oster- und Friedensmärschen der Siebziger und Achtziger Blasen gelaufen, wie etwa der hessische Spitzenkandidat Willi van Ooyen. Den ersten Listenplatz der Hamburger Linkspartei besetzt Dora Heyenn. »1971 trat ich in die SPD ein – die schleswig-holsteinische SPD Jochen Steffens!« gibt sie Auskunft über sich. 1999 ist sie aus der Partei ausgetreten und zählt sich selbst zum Kreis der »vielen enttäuschten Gewerkschaftler und Sozialdemokraten«. Sie ist nicht die einzige Kandidatin der Linkspartei in Hessen, Niedersachsen und Hamburg, die nostalgisch auf den westdeutschen Klassenkompromiss zurückblickt.

Gewapptnet sind die Bewerberinnen und Bewer­ber der Linkspartei mit einem »positiven Image«, dessen fünf Merkmale der Parteivorstand bereits im vergangenen Jahr angesichts der bevorstehenden Wahlen in einem Beschlusspapier herausgestellt hat: »Die Linke ist eine neue Partei. Die Linke ist die Partei der sozialen Gerechtigkeit, der kleinen Leute. Die Linke ist Antikriegspartei. Die Linke ist eine Partei, die in der Öffentlichkeit durch ihre führenden Politikerinnen und Politiker überzeugend repräsentiert wird. Die Linke ist eine erfolgreiche Partei.«

Dass sich in den gegenwärtigen Wahlkämpfen die NPD ganz ähnlich als die »Partei des kleinen Mannes« vorstellt und in Fragen des Mindestlohns, der Arbeitsmarkt- und Wohnungspolitik, der direkten Demokratie und des Umgangs mit multinationalen Konzernen und dem Finanz­kapi­tal Nähe zur Linkspartei aufweist, dürfte diese nicht sonderlich stören. Schließlich legen die Landesverbände auf den hinteren Seiten ihrer Programme die üblichen, folkloristischen Bekenntnisse zum Antifaschismus ab.

In den vorderen Teilen wird mit Zuschnitt auf das jeweilige Bundesland die Generallinie heruntergerattert: Arbeit für alle schaffen, Sozialstaat retten! Denjenigen, die in einem regulären Arbeits­verhältnis stehen, versprechen die Landesverbände, Bundesratsinitiativen für den gesetzlichen Mindestlohn einzubringen. Wer keine Arbeit hat, muss auch nicht traurig sein: Die hessische Linkspartei stellt in ihrem »Aktionsprogramm« in Aussicht, jährlich eine Milliarde Euro in den öffentlichen Beschäftigungssektor zu investieren, die niedersächsische verspricht die gleiche Maßnahme, hält sich jedoch mit genauen Beträgen zurück. So soll die Trutzgemeinschaft aus arbeitender Bevölkerung und starkem Staat letztlich die Unbill der globalen Wirtschaft abwehren. Verziert wird das von der Partei hinlänglich bekannte Plädoyer für die etatistische Krisenlösung in den Programmen mit Floskeln der Betroffenheit über die »Kälte des entfesselten Markts« und heimeligen Phantasien von »solidarisch organisierten Gemeinwesen«.

Doch nicht nur die »soziale Gerechtigkeit« ist ein Anliegen der Linkspartei. In Niedersachsen und Hessen hat sie die Ökologie für sich entdeckt. Das dürfte die Attraktivität für manchen enttäuschten, ehemaligen Wähler der Grünen steigern. Der hessische Verband hat seinem Programm ein kleines ökologisches Manifest beigefügt: »10 Punkte für ein ökologisches Hessen: Mensch, Tier und Natur vor Profit!« Bei den Parteikollegen aus dem nördlicheren Bundesland heißt der betreffende Abschnitt: »Im Einklang mit der Natur!« Während die Hessen den drohenden »Kali-Tod der Werra« aufgreifen, warnt man in Hannover: »Niedersachsen darf nicht das Atom­klo Deutschlands werden!« Neben dem schnellstmöglichen Ausstieg aus der Erzeugung von Atomenergie und dem Gewässerschutz befürworten die Verbände den biologisch-dynamischen Ackerbau, die Vermehrung von Feuchtbiotopen und die »intensivere Mülltrennung«.

Nicht ausgeschlossen, dass die Linkspartei mit solchen Programmen sogar Erfolg haben wird. In Hamburg werden ihr für den 24. Februar sieben, in Hessen für den 27. Januar fünf bis sechs Prozent der Stimmen vorhergesagt. Bei den am selben Tag stattfindenden Wahlen in Niedersachsen könnte die Partei den derzeitigen Umfragen zufolge an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Beim Landesverband gibt man sich aber zuversichtlich. Auch auf der Bundesebene sind markige, optimistische Töne zu vernehmen. Dort arbeitet man zudem schon den Bundestagswahlen 2009 entgegen. Dann soll das Ergebnis nämlich heißen: »10 Prozent plus XXL!«